Eine junge Frau sitzt mit Kaffeetasse im Bett - die Decke über den Kopf gezogen

Kaffee: Ist der Muntermacher-Effekt bloß Einbildung?

Eine neue Studie demonstriert, wie die Macht der Psyche beim morgendlichen Kaffee mitspielt.

Bei manchen hebt schon der unverkennbar aromatische Duft die schweren Lider. Spätestens nach dem ersten Schluck Kaffee macht sich jedenfalls wohlige Wachheit im Körper breit.

Das koffeinhaltige Heißgetränk ist für das Gros der österreichischen Bevölkerung ein fixes Morgenritual: Knapp 84 Prozent starten Umfragen zufolge mit Kaffee in den Tag – und schwören auf seine anregende Wirkung.

Doch der stimulierende Effekt könnte zu einem beträchtlichen Teil eingebildet sein. Darauf deuten neueste Forschungen hin, die nun im Fachblatt Frontiers veröffentlicht wurden.

Erwartungshaltung als treibende Kraft

Eine spanisch-portugiesische Forschungsgruppe wollte in Erfahrung bringen, ob der wachmachende Effekt des Getränks tatsächlich auf dessen Inhaltsstoffe – insbesondere das Koffein –, oder vielmehr auf damit verknüpfte Erwartungen baut.

"Es besteht die allgemeine Erwartung, dass Kaffee die Wachheit und Psychomotorik steigert", wird Nuno Sousa, Neurowissenschafter an der portugiesischen Universität Minho und Mitautor der Studie, in einer Aussendung zitiert. "Wenn man die Mechanismen, die einem biologischen Phänomen zugrunde liegen, besser versteht, eröffnen sich Wege zur Erforschung der Faktoren, die es beeinflussen können."

 

Team wagt anregende Experimente 

Um besagte Mechanismen zu durchleuchten, rekrutierten das Team um Sousa Probandinnen und Probanden, die mindestens eine Tasse Kaffee pro Tag tranken. Man bat sie vor der Untersuchung mindestens drei Stunden lang gänzlich auf Koffein zu verzichten.

Nach der Erhebung soziodemografischer Daten folgte der experimentelle Teil: Bei den Probandinnen und Probanden wurde jeweils vor und 30 Minuten nach dem Konsum einer Tasse Kaffee ein MRT, also eine Magnetresonanztomografie, durchgeführt, um das Körperinnere abzubilden. Zum Vergleich verabreichte man ihnen zu einem späteren Zeitpunkt eine der Tasse Kaffee entsprechende Menge Koffein – und bat sie erneut zum Scan. Währenddessen wurden die Teilnehmenden gebeten, sich zu entspannen und ihre Gedanken schweifen zu lassen.

Zunächst bestätigten sich bisherige Annahmen über die neurochemische Wirkung des Kaffees: Kaffeetrinker wie Koffein-Konsumentinnen wiesen eine höhere Hirnaktivierung auf – wurden also wacher.

Allerdings: Bei der Kaffee-Gruppe wurden darüber hinaus auch ganz spezifische Teile des Gehirns angeregt. Solche, die das Arbeitsgedächtnis, die kognitive Kontrolle und zielgerichtetes Verhalten mitsteuern. Die Probandinnen und Probanden waren nach dem Kaffeegenuss also handlungsbereiter und aufnahmefähiger für äußere Reize. Das war nicht der Fall, wenn sie nur Koffein zu sich nahmen.

"Man muss Kaffee erleben"

Um sich nicht nur munter, sondern auch fit für die Herausforderungen des Tages zu fühlen, reicht Koffein allein also nicht aus. "Man muss die Tasse Kaffee erleben", schreiben die Forschenden.

Insbesondere der "Geruch und Geschmack des Getränks oder die psychologische Erwartung, die mit dem Konsum dieses Getränks verbunden ist" sei für die Sonderwirkung ausschlaggebend, ist Psychologin und Hauptautorin Maria Picó-Pérez von der spanischen Universität Jaume I überzeugt.

Die Aussagekraft der Studie ist – das gibt das Team selbst zu – teilweise beschränkt: So kann anhand der erhobenen Daten etwa nicht beurteilt werden, ob besagte Effekte durch das Erleben des Kaffeetrinkens allein oder lediglich in Kombination mit der Aufnahme von Koffein entstehen.

Eine wissenschaftliche Hypothese – sie beruht auf früheren Forschungen – besagt außerdem, dass Kaffee bei Vieltrinkern nur Entzugserscheinungen lindert. Sie fühlen sich nicht per se wacher als Kaffeeverweigerer. Auch diese Annahme konnte nicht überprüft werden. Auch individuelle Unterschiede bei der Verstoffwechselung von Koffein sollen in Folgestudien berücksichtig werden.

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