Wie die Restaurants der Zukunft aussehen und was wir essen werden
Trendforscherin Hanni Rützler über die Topgastronomie und die veränderten Essgewohnheiten der Jungen.
Wer wissen will, wie sich unsere Essgewohnheiten in den nächsten Jahren verändern werden, fragt am besten Hanni Rützler. Die jährlichen "Food Reports" der Ernährungswissenschaftlerin und Food-Trendforscherin dienen als Leitfäden für die Lebensmittelindustrie und Hotellerie.
"Foodtrends spiegeln Sehnsüchte und Lebensgefühl der Menschen", erklärt die Expertin gerne, die nun auch Rednerin beim Lebensmittelforum der Quality Austria war.
Mit dem KURIER hat sie über die Zukunft der Gastronomie gesprochen, was junge Leute im Gegensatz zu ihren Eltern essen und die Probleme mit Supermärkten.
Viele Gastronomen haben derzeit Probleme, genügend Personal und Kunden zu bekommen. Welche neuen Konzepte erwarten uns in der Gastronomie, wie sehen die Restaurants der Zukunft aus?
Wir haben uns für den Food Report 2025 mit einer neuen Methodik, dem Trendradar, in der Top-Gastronomie umgesehen. In dem Bereich läuft es immer noch relativ gut und Sterneköche sind die Pioniere des Wandels der Esskultur. Nicht nur was Rezepte angeht, auch was neue Konzepte betrifft. In Zukunft werden sich die Profile von Lokalen sicher noch klarer zuspitzen. Man kann und will es nicht mehr jedem recht machen, auch weil man dann austauschbar wird.
Ohne Nachhaltigkeitsstrategie wird man auch sicher nicht mehr auskommen. Einige verschreiben sich der Kreislaufwirtschaft, andere der Regionalität. Der Gast erwartet zunehmend auch eine offenere Kommunikation. Man möchte wissen, woher Gemüse oder Fleisch bezogen wird.
Es wird also weniger elitär, dafür transparenter?
Es geht um klare Prioritäten, Authentizität und ja, Transparenz. Die Küchen werden einsichtiger als früher, die Hierarchien flacher. Durch den Personalmangel seit der Corona-Pandemie gibt es auch immer mehr Quereinsteiger, die den Beruf nicht gelernt haben, aber die gleiche Philosophie des Restaurants oder des Kochs vertreten. Es geht weg von den elf Gängen und drei Grüßen aus der Küche, hin zu weniger mit mehr Fokus. Auch was Zutaten angeht.
In der Top-Gastronomie wird im Sinne der Umwelt mehr gespart, an weißen Tischdecken, an den unzähligen Gläsern. Was die Zubereitung angeht, dreht sich viel um archaische Themen wie Feuer, Räuchern und Fermentieren. Es wird noch saisonaler gekocht, was neue Kenntnisse und Kreativität erfordert und auch das Personal muss da mitwachsen.
Welche Rolle spielen moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz und Robotics in der Zukunft der Ernährung?
KI ist ein Riesenthema, ebenso wie Präzisionsfermentationen, mit der etwa Milch mithilfe von Mikroorganismen nachgebaut werden kann. KI kann dabei viele Prozesse erleichtern und beschleunigen. Beim 3-D-Drucker ist Österreich in der Entwicklung sehr weit vorne. Auch in Sachen Cultured Meat, also In Vitro ist sehr viel passiert seit ich vor elf Jahren das erste Burger-Fleischlaibchen verkosten durfte, das im Reagenzglas gezüchtet wurde.
China hat Cultured Meat auf seinem Fünfjahrplan gestellt. Auch um nach Schweine- und Geflügelpest die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Wenn China das in Angriff nimmt, wird dies auch große Auswirkungen auf die europäische Fleischproduktion haben.
Verlegt sich das Essen immer mehr vom Genussfaktor auf einen Gesundheitsfaktor?
In unserem Kulturraum beobachte ich hier Ambivalenzen. Essen ist ja mehr oder weniger ein Teil der nationalen Identität. In Italien und Frankreich muss Essen schmecken, um als gesund wahrgenommen zu werden. In Deutschland orientieren sich beim Essen mehr Menschen daran, was sie für gesund halten. Aber auch hier verändert der Diskurs die Wahrnehmung und das Verhalten. Wir in Österreich können genießen, auch wenn wir uns etwas weniger Zeit dafür nehmen als in Italien oder Frankreich.
Es sind die jüngeren Generationen, die hier nach neuen, ganzheitlicheren Esslösungen suchen. Es geht ihnen um gesunden Genuss ohne Kompromisse. Sie trinken auch weniger Alkohol und machen mehr Sport als die Generationen vor ihnen. Sie entwickeln unsere Esskultur weiter und übernehmen nicht alle Esstraditionen. Über 50 Jahre war in Österreich das Schnitzel die Lieblingsspeise, aber seit der Jahrtausendwende hat sich das verändert. Spaghetti und Pizza wurden erstmals zu Lieblingsspeisen der unter 40-Jährigen.
Und wie werden sich die Jungen in Zukunft ernähren?
Aktuell verliert das Fleisch die Rolle der Leitsubstanz. Gemüse wird wichtiger und zunehmend experimenteller und vielfältiger zubereitet. Das Wissen über gesunde Ernährung ist sicher ausbaubar, aber das Interesse am Kochen und Backen hat tendenziell zugenommen.
Wenn der Arbeitsalltag Spielraum zulässt oder Kinder da sind, setzt man sich intensiver mit der eigenen Ernährung auseinander. Gleichzeitig wird die zunehmende Individualisierung der Ernährungsstile sichtbar. Essen ist auch Ausdruck der eigenen Identität.
Viele wissen inzwischen nicht mehr, was wirklich gesund ist, weil es immer mehr Informationen über Nahrungsmittel gibt. Dass Supermarkt-Trauben sehr pestizidbelastet sind, Avocados extrem viel Wasser bei der Züchtung verbrauchen. Wie kann man sich helfen?
Fragen rund um das Thema Lebensmittelqualität kamen im Zuge der Industrialisierung auf, die gemeinsam mit den Supermärkten zu einer Entfremdung von der Lebensmittelproduktion beigetragen hat. Heute können wir aus zigtausenden Produkten wählen und das ist einerseits eine neue Freiheit, zugleich aber auch ein Stück Arbeit. Das kann leicht überfordern. Hier bedarf es eigentlich eines gutes Basiswissens, um pragmatisch an die Sache heranzugehen. Denn wir essen täglich mehrmals - und das sollte kein täglicher Stressfaktor sein.
Fleischersatz gibt es jetzt in vielen Supermärkten, ist aber hochprozessiert. Ist es die Lösung für die Reduzierung von Massentierhaltung?
Es ist ein Beitrag zur Lösung. Bei Fleisch-, Wurst- und Milchersatzprodukten - Plant based food - ist der Handel sehr früh mit günstigeren Handelsmarken eingestiegen. Das ganze Segment ist aber noch in Entwicklung - es kann noch besser, weniger verarbeitet und nachhaltiger werden. Das braucht Zeit, Geduld und auch Geld.
Der aktuelle Preisdruck macht mir Sorgen, denn der hemmt die Entwicklung besserer Qualitäten. Auch die normale Fleischproduktion konnte nur so günstig werden, weil jahrzehntelang in die Struktur investiert wurde. Es war ein politisches Ziel, Fleisch für alle Teile der Gesellschaft zugänglich, also leistbar zu machen. Auch auf Kosten der Qualität und des Tierwohls. Im Moment sind wir mithilfe verschiedener Low-Tech- und High-Tech-Methoden auf der Suche nach Alternativen. Ich kann mir Österreich ohne Fleisch nicht vorstellen, aber mit weniger und besserem Fleisch.
Wie kaufen Sie ein?
Ich lebe in Wien, vor knapp zehn Jahren habe ich mir einen Wunsch erfüllt und bin nach Ottakring in die Nähe des größten Straßenmarktes gezogen. Das hat die Qualität meines Einkaufens erhöht. Im Supermarkt bin ich oft ohne Salat und Gemüse raus, weil ich nicht zufrieden mit dem Angebot war. Wir haben in Österreich eine sehr hohe Dichte an Supermärkten, aber nicht unbedingt mehr Auswahl und ich bin ungern Einkaufen gegangen. Die Wochen- und Bauernmärkte hier sind dagegen eine wahre Freude, ein Erlebnis. Ich habe meinen Käsestand, meinen Gemüsestand. Das ist für mich ein Stück Lebensqualität.
Foodtrends von Hanni Rützler aus dem Food Report 2024
Plant-based Food, Vegourmets, Carneficionados und Real Omnivores: Plant-Based Food ist es gelungen, sich als wichtiger Trend zu etablieren. Zugleich ruft das Gegentrends als Reaktion auf den Erfolg hervor: Das Aufkommen neuer Fleischqualitäten, die gezielte Auswahl und der bewusste Genuss von Fleisch verdichten sich in einem neuen Food-Trend "Carneficionados".
Lokal, glokal, brutal und exotisch: "Regional schlägt bio" lautet einer der markanten Slogans der jüngeren Vergangenheit. Die Regionalisierung von Lebensmitteln hat bereits eine langjährige Zuspitzung und Ausdifferenzierung erfahren – von einer "brutal lokalen" Ausrichtung der Avantgarde-Gastronomie bis hin zur Züchtung bzw. zum lokalen Anbau von exotischen Tieren und Pflanzen.
Regenerative Food: Nicht mehr die Frage, was wir auf den Tellern haben, sondern auf welche Weise wir Lebensmittel produzieren, steht im Zentrum dieses Trends. "Regenerative Food" legt den Fokus auf den Ackerboden als entscheidenden Schlüssel für ein gesundes Ökosystem.
Female Connoisseurs: Die Change Maker in der Food-Branche sind immer öfter weiblich. Sie stellen häufiger und deutlicher als Männer soziale und ökologische Kriterien in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und verändern damit auch die Unternehmenskultur. Frauen übernehmen bei Bio die Führung und mischen auch die Gastronomie auf.
Von Re-use Food über Zero Waste bis Circular Food: Food Waste ist trotz zahlreicher Initiativen und Verpflichtungen noch immer ein großes Thema. Der Trend zum "Circular Food" bietet einen neuen Ansatz: Es geht nicht mehr nur um die Reduzierung oder Vermeidung von Abfällen.
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