freizeit.tasting im Palais Freiluft: Nicht nur Piraten lieben Rum

Der Ruf des Rums war über Jahrhunderte nicht der beste. Aber: Die Zeiten haben sich gewandelt, heute ist er auch pur etwas für Genießer.

Singende Piraten mit einer bauchigen Rum-Flasche in der Hand, das ist ein Bild, das wir aus Filmen kennen. Manchmal sogar mit einem Säbel in der anderen, um zwischen zwei tiefen Schlucken gegen ein paar steife englische Marine-Soldaten zu fechten. Und natürlich diese großen bunten Cocktails, die Tiki-Drinks. Kann Rum auch mehr?  Philipp Ernst aus der Josef Bar im ersten Wiener Gemeindebezirk nutzt das freizeit.tasting im Palais Freiluft, um unseren Lesern den anderen, den echten Rum näherzubringen.

Philipp Ernst schenkt den Tasting-Gästen ein

©Kurier/Gerhard Deutsch

Denn: Der Rum ist die aromatischste aller Spirituosen, das wurde inzwischen nachgewiesen. In ihm vereint sich quasi die ganze, paradiesische Üppigkeit der Karibik. Und Philipp Ernst ermöglichte bei diesem letzten Tasting der Saison tatsächlich Geschmackserlebnisse, die bei einigen Teilnehmern ein begeistertes "Wow!" hervorriefen. 

Rum und Rum-Aroma

Im Schau-TV-Talk vor dem Tasting erklärt der preisgekrönte Barkeeper auch Grundsätzliches: Rum darf nur aus Zuckerrohr-Melasse oder frischem Zuckerrohrsaft hergestellt werden. Deshalb heißt unser Rum auch Inländer-Rum, mit Betonung auf Inländer. Da Österreich nie Kolonien hatte, behalf man sich hier seit dem 19. Jahrhundert mit "Apotheker-Alkohol", also einer neutralen Spirituose, der man Aromen beimengte. Die nicht wirklich nach Rum schmecken - und dennoch unser Bewusstsein vom "Rum-Aroma", das für Hunderte Mehlspeisen verwendet wird, prägen.

Echter Rum schmeckt anders. Und das sollten die Teilnehmer anhand von fünf sehr unterschiedlichen Rums, selbst erfahren. Eine der mitgebrachten Flaschen wurde übrigens in Österreich produziert: Der "Ron Johann" von David Gölles. Ein Inländer-Rum, wenn man so will. Aber mit Betonung auf Rum.

Genuss Gespräch mit Philipp Ernst von Josef Cocktailbar

Das Tasting

Fünf Flaschen standen auf dem Tisch, fünf absolut unterschiedliche Rum-Erfahrungen:  "Neo" von Bacardi, "Ron Johann" von Gölles, ein "Zacapa" aus Guatemala, ein "Plantation" aus Barbados und ein "Dictador" aus Kolumbien.

Eine große Überraschung war gleich zu Beginn der beinahe klare "Neo", der mit großer Ausgewogenheit und einer Aromenvielfalt glänzte, die man von einem Bacardi dieser Farbe nicht erwartet hätte. Sein Geheimnis: Er wurde durchaus jahrelang im Fass gelagert, dann aber mit Kohle gefiltert, um wieder klar zu werden. Farbe raus, Geschmack bleibt drin. "Ein hübscher Effekt, außerdem gut für einige Cocktails, da ein dunkler Rum eben die Farbe etwas dämpft", erklärte Ernst. Und überhaupt: Man dürfe Bacardi nicht mit dem 37,5-prozentigen Superior gleichsetzen, den man mit Cola in der Disco trinke. Der "Neo" etwa kommt aus der "Family Reserve", das sind die Fässer mit den besonders guten Tropfen.

Der "Ron Johann" punktet mit Bio-Qualität und der Tatsache, dass überhaupt kein Zucker zugesetzt wurde. Das macht ihn etwas herber. Perfekt für Mix-Getränke, aber auch als Stand-Alone-Drink kam er für einige Gäste in Frage. Beim "Zacapa" mit seinen dunklen Nuss- und Karamell-Noten waren sich praktisch alle einig: "So muss Rum!" Gerne auch pur mit Zigarre vor dem Kamin. Oder auf dem Balkon. Der "Plantation" sieht farblich ähnlich aus, wird auch praktisch gleich hergestellt, entfaltet aber ein wesentlich helleres Aroma, Vanille und Kokos überwogen für die meisten "Taster". Der dunkle "Dictador" bestach durch intensive Röst- und Kaffeenoten und war der erklärte Liebling der einzigen Dame im Team.

Zum Abschluss begeisterte Ernst die Teilnehmer noch mit einem Cocktail, dem von ihm kreierten "Home Office Highball". Der "Dictador" verleiht diesem Drink einen ungewöhnlichen Coffee-Touch, der durch ein Tonic und Grapefruit ausbalanciert wird. Ein Genuss!

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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