Wie sich der Kürbis vom Viehfutter zum Superfood entwickelt hat
Marktgeschichten, Folge 5: Kürbisse begeistern sie durch Geschmack und unglaubliche Vielfalt.
Frühmorgens spaziere ich auf meinem Weg ins Café über den Markt, zarte Nebelschleier liegen noch vor der Sonne und der herbstliche Wind wirbelt die bunten Blätter über die Straße. Ich bleibe bei Erol stehen, um ihm einen guten Morgen zu wünschen, als mein Blick auf die verschiedenen Kürbisse fällt, die schön geordnet in ihren Kisten liegen.
„Jede Kürbissorte hat ihren besonderen Reiz“, erzählt mir der Marktstandler. „Meine Kunden verwenden den Gartenkürbis wie Zucchini und frittieren Scheiben davon, der Butternuss ist ein Klassiker, den Hokkaido lieben sie ob seiner leuchtenden Farbe und der praktischen Größe. Mein Liebling aber ist der Muskatkürbis, er ist besonders aromatisch!“.
Viehfutter bis ins 20. Jahrhundert
Ich betrachte die Vielfalt und bin wieder einmal dankbar, dass es bei uns in Österreich alle Jahreszeiten gibt. Wie schön ist der Anblick eines Kürbisfeldes im goldenen Herbstlicht, mit den vielen orangen Früchten, die wie scheinbar vergessen auf dem Boden herumliegen. Bis ins 20. Jahrhundert vor allem als Viehfutter verwendet, wird der Kürbis heute gar als „Superfood“ gehandelt, steckt er doch voller Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Seinen Kernen werden in der Naturheilkunde sogar heilende Kräfte zugesprochen, herrlich knuspern tun sie außerdem. Das Kürbiskernöl ist eine steirische Spezialität, das mit seinen nussigen Aromen viele Speisen verfeinert.
Zurück zum Marktstand. Ein bärtiger Mann mit Brille erzählt, dass er am Abend gefüllten Kürbis mit Faschiertem für seine Kegelrunde zubereiten will, als mich eine Dame anlächelt: „Also, bei mir muss es nach der Arbeit schnell gehen beim Kochen! Ich schneide den Kürbis einfach in Spalten, ein bisschen Thymian dazu, dann ab ins Backrohr!“. Eine andere Dame ruft: „Ja, so mache ich es auch. Aber letztens habe ich den gebackenen Kürbis noch püriert und mit Mehl und Dottern vermischt. Dann habe ich Nockerl abgestochen, garen lassen und mit Salbeibutter vermischt. Meine Kreation war ein voller Erfolg!“
"Mit Butz und Stingel“ verwenden
Beeindruckt von all dieser Kreativität gehe ich ins Café, um das Wochenmenü mit unserem Koch Daniel zu besprechen. Wir planen ein Kürbisrisotto mit Speck und Maroni, und ich kann kaum erwarten, es zu verkosten. Für die darauffolgende Woche schwebt uns ein Kürbischutney mit Apfel und Zwiebel vor, zu einer herzhaften Quiche Lorraine serviert. Zuhause beim Suppekochen schnipsel ich den Hokkaido-Kürbis in Würfel und freue mich, dass ich ihn quasi „mit Butz und Stingel“ verwenden kann, weil ich die Schale einfach dranlasse.
Während der Kürbis mit dem Zwiebel friedlich vor sich hinschmurgelt, kommt mir die Idee, wie ich aus der Suppe etwas ganz Besonderes machen kann: Pimenton de la Vera, das spanische geräucherte Paprikapulver, wird zum Star des Abends. Ich rühre das Pulver unter das Gemüse und glaube, in einer Räucherkammer zu sein, so intensiv ist das Aroma – jetzt verstehe ich, warum dieser Paprika mit seinen Rauchnoten auch „Speck der Vegetarier“ genannt wird.
Während ich zufrieden die Suppe löffle, freue ich mich schon auf unser traditionelles Kürbisschnitzen im Café, wo der Freund meiner Tochter die schönsten Fratzen zaubert, die im Kerzenlicht über den Markt scheinen. Und wenn die Kinder als gruselige Gespenster verkleidet kichernd „Süßes, sonst gibt’s Saures!“ rufen und sich glücklich ihre Zuckerl abholen, hat der Herbst endgültig Einzug gehalten.
Tipp
Wenn der Kürbis beim Draufklopfen hohl klingt, ist er reif.
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