Rüscherl, Cola-Rot & Co: all unsere frühen Drink-Sünden

Glückliche Millennials, die ihre ersten Erfahrungen in der Welt der Cocktails mit Espresso Martini und Negroni machen. Aber wer kennt heute eigentlich noch Frosch und Flügerl? Und was bitte ist eine "Kalte Muschi"?

Man nehme Cola und Weinbrand - auf keinen Fall Cognac, das wäre nicht nur ein Sakrileg, es würde auch den ursprünglichen Spirit dieses Drinks zerstören -, mische diese beiden Komponenten im Verhältnis 1:1, wobei das Cola durchaus aus einer 2-L-Flasche, die schon ein wenig ausgeraucht ist, kommen kann, um dem Original-Feeling möglichst genau zu entsprechen. Und schon ist man in einem Eck-Espresso im Jahr 1977 oder auch in einer Disco, die vielleicht VIP oder Wildschütz oder irgendwas mit Copa heißt. Wir stoßen an mit einem original Rüscherl - so einfach geht Zeitreisen heute.

Hat das vor 30, 40 Jahren eigentlich wirklich besser geschmeckt? Wahrscheinlich nicht. "Aber Bar-Kultur in dem Sinn wie heute gab es in den 70er und 80ern in Österreich ja noch nicht", erklärt Heinz Kaiser, einer der international höchstdekorierten Barkeeper des Landes und Chef der legendären Dino's Apothecary Bar in der Wiener Innenstadt. "Während junge Menschen heute ganz selbstverständlich Basil Smash oder Paloma trinken, nahm man damals eben, was da war. Und mischte es - oder trank es gleich pur."

Stimmt, die Worte des Barkeepers wecken Erinnerungen an Abende mit Batida di Coco oder Bailey's, alles einfach so, aus der Flasche ins Glas, und das schien einem durchaus herrlich, schmeckte nach großer Welt oder was man sich darunter eben so vorstellte. "Auf meiner ersten Reise mit dem Zug nach Venedig in den frühen 80ern begleitete mich eine Flasche Amaretto. Und gemixt haben wir damals nichts", erinnert sich Heinz Kaiser, Grandseigneur der heimischen Cocktail-Szene und grinst.

Nochmal stimmt, ein verschwommenes Bild vom ersten Jesolo-Urlaub mit Freunden taucht auf, wir saßen am Strand, die Sonne ging langsam auf, und wir hielten uns an den beinahe leeren Flaschen fest, mit denen wir die Nacht verbracht hatten: Apfelkorn und Lambrusco. Und der war damals noch richtig "dolce", nicht so edel und trocken ausgebaut, wie es ihn heute auch gibt.

"Ich hab eine Flasche Asbach Uralt in der Bar, für den Fall der Fälle. Manchmal will jemand tatsächlich noch ein Rüscherl, als Spaß, so eine Erinnerung an früher. Dann mach ich das auch. Natürlich mit ausgerauchtem Cola, so wie damals", sagt Heinz Kaiser und zwinkert vergnügt.

Und ich erinnere mich noch einmal an damals, späte 80er muss das gewesen sein, ein früher Wien-Ausflug mit befreundeten Musikern aus Tirol. Einer von uns, nennen wir ihn T, bestellt an der Bar ein Cola-Rum. Als er wieder bei uns am Tisch steht und trinkt, schüttelt er empört den Kopf. "Das ist doch kein Cola-Rum!", schimpft er und lässt uns kosten. Einer von uns zuckt die Schultern: "Na ja, Bacardi halt. Wahrscheinlich." - "Aber wenn ich Cola-Rum bestelle, dann will ich das auch. Sonst bestell ich gleich Barcadi-Cola, wenn ich das will", sagt T noch immer äußerst erbost. Rum war für ihn ausschließlich Inländer, alles andere war bloßer Firlefanz.

Und hier eine beliebig erweiterbare Liste von Cocktails und Getränken, die man heute kaum noch kennt. Oder zumindest kaum mehr trinkt:

1. Cola-Rot (gibt's natürlich noch immer, erlebte im ersten Jahrzehnt der 2000er sogar ein kleines Comeback im süddeutschen Raum. Dort ist es auch als "Kalte Muschi" bekannt, ein etwas fragwürdiger Name, der vom baskischen Kalimotxo kommt, das von den Spaniern in den 1980ern als Calimocho übernommen wurde. Ja, und daraus wurde dann eben ...

2. Rote Mischung / Weiße Mischung: Rotwein oder Weißwein 1:1 mit Orangensaft gemischt. War DAS Getränk im Salzburger "Half Moon" in den späten 70ern und frühen 80ern.

3. U-Boot: Ursprünglich Schnaps, ab den 80ern auch gern Tequila im Glas in einem Bierglas versenkt. Gab's auch als Atom-U-Boot-Version: Ein Stamperl Bier in einem Tumbler voll Schnaps oder Tequila ...

4. Flügerl: Wodka (vorzugsweise roter) und Red Bull im Verhältnis 1:2 gemischt.

5. Flying Hirsch: Jägermeister und Red Bull, da läuft einem doch noch heute das Wasser im Mund zusammen.

6. Diesel: Cola und Bier im Verhältnis 1:1

8. Frosch: Blue Curacao und Orangensaft aus dem Tetrapak.

9. Schneegestöber: selbst nie getrunken, aber Dank reddit aus der Versenkung geholt. Eine Mischung aus Eierlikör und Fanta. In den späten 70ern angeblich bei Damen sehr beliebt.

10. Apfelstrudel: Wodka mit Apfelsaft

Dazu kamen natürlich die bereits erwähnten Fertig-Getränke wie Batida, Amaretto, Apfelkorn, Saurer Apfel oder Feigling. Und fragwürdige Weine, neben Lambrusco hätten wir da noch den heimischen Riebislwein und Ochsenblut. Mmmmmh ...

Und als Bonus: Die Goaßn-Halbe. Die bekomme ich leider nicht mehr so ganz genau hin. Weißbier, Cola, Kirschlikör, Rum oder Whiskey oder so. Und wenn ich mir die Zutaten eben so durchlese, wundert es mich auch nicht, dass ich sie nicht mehr hinbekomme ...

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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