Christof Widakovich

Spitzenkoch Christof Widakovich: "Jetzt ist Koch zu sein sexy"

Küche und Gastronomie haben sich verändert. Auch Regionalität gehöre neu definiert, sagt der ehemalige "Steirereck"-Koch.

Kulinarisch hat sich die Südsteiermark im vergangenen Jahrzehnt stark entwickelt, viele Spitzenköche siedelten sich an. Mit Christof Widakovich kam dann noch etwas ganz Neues in die Region: Mit dem starken Fokus auf Fisch überraschte man das Publikum, in Gamlitz wird Räuchersaibling (siehe S. 16), Branzino und Bachforelle auf höchstem Niveau serviert. Der freizeit erzählt der Küchenchef von seinen Ideen, Inspirationen und davon, worum es auf dem Teller wirklich geht.

Von Graz nach Wien und retour. Was haben Sie aus Ihrer Zeit im „Steirereck“ mitgenommen?

Widakovich: Das Restaurant ist eine gewachsene Idee, die es sich zum Ziel gesetzt hat, stets anders als die anderen und Vorreiter zu sein. Es war mein ganzes Leben lang ein großes Vorbild und Heinz Reitbauers Philosophie brauchte ich für die Entwicklung unserer Konzepte. Da geht es darum: Dem Gast zu geben, was er will.

Aber Spitzengastronomie dieser Kategorie zu bieten, bedeutet ja auch immensen Druck. Ist Ihnen lieber, was Sie nun tun?

Ja, weil ich nun wahren Werten hinterhereifere: Die Gäste glücklich machen, aber auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Man braucht auch Mut, Lokale rechtzeitig zu korrigieren, sollten sie nicht mehr zeitgemäß sein.

Was ist denn zeitgemäß?

Derzeit ist es eine Wohlfühlküche, in der nicht nur unsere Sinne angesprochen werden, sondern die Emotionen im Kopf weckt.

Wie gelingt das?

In der Südsteiermark hat es mit Urlaub zu tun. Das beginnt beim Namen: „Urmeer“ ist ein Signalwort, wenn man von Muschelkalk und Korallen spricht, die unter den Weingärten liegen, fühlt man sich in die Region hinein.

Zur Person

Zur Person

Christof Widakovich lernte im Hotel Weitzer in Graz und kochte später im Steirereck in Wien. Dort entwickelte er seinen eigenen Stil und wurde 2008 Geschäftsführer des Restaurants Schlossberg. Inzwischen ist er für die kulinarische Linie der Grossauer-Lokale verantwortlich, darunter das „el Gaucho“, das mittlerweile fünf Standorte in Wien, Graz, Baden und München hat.  

Klingt nach der großen Kunst des Erzählens.

Ja, in den Steakhäusern sprechen wir über die ursprüngliche Zubereitung von Beef Tartare, von Cuts die noch nie jemand gesehen hat, von einem Griller der mit bis zu 550 Grad arbeitet und von unseren 32 Gewürzmischungen, die das Fleisch noch heben.

Interessieren sich die Gäste für all das mehr als früher?

Sie sind mündiger geworden, da sie sich mehr mit dem Kochen beschäftigen. Als ich kochen lernte, war das kein sexy Beruf. Jetzt ist Koch zu sein sexy, die Leute wollen uns kennenlernen. Sie haben erkannt: Du bist, was du isst. Und: Gutes Essen ist Luxus. Es werden auch immer mehr Momente mit Kulinarik verbunden, etwa der Prosecco an der Rialtobrücke in Venedig. Ohne Essen und Trinken wäre vieles nur die Hälfte wert.

Das neue Bewusstsein für Qualität kostet. Können sich das viele noch leisten?

Das ist sicher eine Herausforderung, über deren Weg die Sozialpolitik in den nächsten Jahren entscheiden wird. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Work-Life-Balance entwickelt, bei der die Menschen mehr ausgehen und mehr ausgeben. Das finde ich einerseits gut, sehe es andererseits aber kritisch, weil die Schere weiter auseinandergeht. Eigentlich bedeutet Work-Life-Balance: Wer viel Work hat, kann auch viel Balance haben. Aber heute braucht man nicht immer viel Work für viel Balance. Heute kann sich quasi jeder etwas leisten. Und darüber hinaus fehlen nun zunehmend Mitarbeiter, die in der Gastronomie tätig sein wollen.

Darüber klagen viele Gastronomen und Hoteliers, besonders seit Corona.

Weshalb man die Löhne wohl erhöhen muss. Es werden Top-Jobs werden müssen, in der Küche und im Service. Ich denke, das muss nochmal um ein Drittel raufgehen. Das muss schließlich aber der Gast bezahlen, es wird also nicht billiger werden. Wem 20 Stunden Arbeit reichen, der wird es sich dann zum Glück nicht mehr leisten können, denn eines ist klar: Arbeit muss sich auszahlen, aber nichts zu arbeiten, darf sich auf keinen Fall auszahlen. Um das zu erzielen, müssen Politik und Privatwirtschaft zusammenarbeiten und Lösungen überlegen.

Beim biologischen Fußabdruck muss man die Kirche im Dorf lassen.

Christof Widakovich Küchenchef
Herausfordernd wird aber auch werden, den Geschmack von morgen zu treffen. Nachhaltigkeit ist immer stärker Thema, im Wein geht es um biodynamischen Anbau. Wie schwierig ist es, all das zu bieten?

Es ist machbar, regional einzukaufen, die Gäste sind bereit, das zu bezahlen. Aber auch internationale Ware ist gefragt. In unseren fünf Steakhäusern brauchen wir in Summe zwei Tonnen Fleisch pro Woche – hier werden internationale Cuts auch seitens des Gasts gewünscht. Regionalität ist wichtig, aber nicht alles, das aus der Nachbarschaft kommt, ist auch gut. Auf die Summe am Teller kommt es an. Beim biologischen Fußabdruck muss man die Kirche im Dorf lassen: Ein Saibling aus Aussee braucht nach Gamlitz länger als ein Branzino aus Piran.

Die Südsteiermark erlebt einen Hype. Was wird anders gemacht?

Hier wird Regionalität mit Weitblick auf den Teller gebracht, mit internationalen Einflüssen, Stilen und neuen Sorten angereichert. Wir sind mutig und trauen uns auch, weltweit in den Wettbewerb zu treten.

Gibt es ein neues Gericht, an dem Sie derzeit tüfteln? Alles hat es irgendwann schon einmal gegeben. Große Köche haben daher oft nur einen einzigen Signature Dish.

Welcher ist Ihrer? Ein gebackener Grazer Krauthäupl in einer Kernölvinaigrette. Er vereint die steirische Küche mit Nachhaltigkeit. Außerdem ist es vegetarisch, trifft also den Zeitgeist.

Und wäre die jetzige Zeit mit ihrer Stimmung eine Zutat, welche wäre das?

Eine Kiwano. Unbekannt, noch nicht ganz entdeckt, nicht gefährlich, aber keiner weiß, ob er dagegen allergisch ist. Und man muss kreativ mit ihr umgehen.

Franziska und Michael Grossauer: Die Geschwister arbeiten im Familienbetrieb

©Kurier/Jeff Mangione
Fischwirt am Urmeer

Das jüngste Lokal der Grossauer-Familie wurde 2020 eröffnet. Im ehemaligen Tscheppe-Gasthaus im Sulztal  konzentriert man sich auf Saibling, Branzino und Forelle – Ex-Eckstein-Chef Albert Kriwetz fungiert als Restaurantleiter. Operativ wird der „Fischwirt“ von Franziska Grossauer geführt, am Foto mit Bruder Michael Grossauer, der unter anderem das „el Gaucho“ in Baden und München leitet. In Summe betreibt die Familie rund um Franz Grossauer 16 Lokale. grossauer.co.at 

Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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