Man sollte auf alles im Leben vorbereitet sein: Kiti Mánver (li.), Juana Acosta und Carlos Areces beim Probeliegen in einer Sargfabrik
Filmkritik

"Vier Wände für Zwei": Mit den Waffen der Frauen

Die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen. Erzählt mit feinfühligem (spanischen) Humor und einem Hauch von echtem Drama

Von Gabriele Flossmann

Der Immobilienmarkt ist hart, aber diese Anzeige verstößt dann doch gegen jede Political Correctness: „Wohnung mit Mitbewohner zu verkaufen“.

Der spanische Dramatiker Juan Carlos Rubio las diese Annonce in einer Zeitung – und machte daraus ein erfolgreiches Theaterstück. Gemeinsam mit dem Filmemacher Bernabé Rico wandelte er es nun in eine Filmkomödie um, die sich wohltuend vom üblichen Sommer-Blockbuster-Angebot abhebt. Von jenen Superhelden-Filmen, gegen die jüngst erst Martin Scorsese ausholte und die er als „Kino-Kunst-Killer“ anprangerte.

Echte Menschen

Mit der aktuellen Filmwoche hätte der Hollywoodregisseur seine Freude, laufen doch „nur“ Filme an, die ohne Superhelden und -heldinnen auskommen.

Und das recht gut, wie das Beispiel von zwei ungewöhnlichen Frauen zeigt, die sich innerhalb ihrer vier Wände behaupten müssen.

Ihre Geschichte beginnt in Sevilla zur Vorweihnachtszeit: Eine junge Frau starrt auf eine Blumenwand. Verblichen wie die Tapete wirken in den etwas heruntergekommenen vier Wänden auch die Fotos und die Möbel.

Während der redselige Makler Oscar die Immobilie in höchsten Tönen anpreist, merkt man am gequälten Gesichtsausdruck der jungen Frau, in welchen Zwiespalt sie dieses triste Gemäuer wirft. Denn die Wohnung ist ein einmalig günstiges Angebot: 100 Quadratmeter mit Blick auf die Altstadt von Sevilla. Die junge Frau heißt übrigens Sara und ist eine erfolgreiche Top-Managerin in einer Versicherung.

Privat kommt die stets perfekt gekleidete 39-Jährige den Risiken des Lebens gerne zuvor. Niemand – vor allem nicht ihr Ehemann – soll wissen, dass sie eine Zweitwohnung sucht. Für den Fall, dass ihre unglückliche und öde Ehe irgendwann endet. Aber die in Frage kommende Immobilie hat auch einen Haken. In Gestalt von Lola, der Vorbesitzerin. Sie ist eine, die man hierzulande eine „echte Düs’n“ nennen würde.

Leibrente

Lola braucht Geld und will deshalb ihre Wohnung verkaufen. Aber sie will sich im Kaufvertrag das lebenslange Wohnrecht sichern. Zwar hat sie schon mehrere Bypässe und steht kurz vor ihrem 75. Geburtstag, aber man sieht ihr an, dass sie mit großer Zähigkeit am Leben hängt und in dieser Wohnung am liebsten auch noch ihren 100er feiern würde. Sie wirkt wie ein Energiebündel, das das Leben noch vor sich hat. Sie raucht wie ein Schlot, pfeift auf Konventionen und tut, was ihr Spaß macht.

Gegensätze

Dass die beiden einander in die Haare geraten, ist also vorprogrammiert.

Zwar ist das Konzept von den einander anziehenden Gegensätzen alles andere als neu, aber man beobachtet als Zuschauer und Zuschauerin recht gern, wie aus den beiden Frauen langsam, aber sicher, Freundinnen werden.

Zwei Frauen, die sich zusammen raufen: Kiti Mánver (li.) und Juana Acosta in „Vier Wände für Zwei“ 

©FILMladen

Die gemeinsam durchlebten Höhen und Tiefen – vom Ehebruch über einen Herzinfarkt bis hin zum Beratungsgespräch im Fachgeschäft für Särge, inklusive Probeliegen in mehreren Modellen – vermitteln Lebensweisheiten, an denen man gerne Anteil nimmt.

Man versteht, dass der Drehbuchautor Juan Carlos Rubio zusammen mit dem Regisseur Bernabé Rico zu einer Gruppe von jungen Filmschaffenden gehört, die dem spanischen Kino – ähnlich wie einst Pedro Almodóvar – zu einem neuen Höhenflug verhelfen wollen.

Und Almodóvar-Veteranin Kiti Mánver, bekannt aus dessen Film „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, trägt das Ihrige dazu bei, dem Film zu einem Publikumserfolg zu verhelfen. Indem sie im geblümten Morgenrock und mit runder „Krankenkassen-Brille“ aus der kiffenden Lola eine charmant schrille Entertainerin macht, die ihre Lebensweisheit mit bestechender Unlogik vermittelt.

Männer

Eine Frau, die sogar dem Tod komische Seiten abgewinnen kann. Lola bringt die stets kontrollierte Business-Frau Sara sogar dazu, fast alles in ihrem erfolgreichen(?) Leben zu hinterfragen. Sie zitiert dazu unter anderem John Lennon: „Das Leben ist das, was dir passiert, wenn du gerade andere Pläne hast.“

Dieser Film über eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft kann (und will auch nicht) ohne Männer auskommen. Aber sie sind und bleiben nur meist komische Randfiguren.

Wovon es einer dieser Männer sogar schafft, zu einem lustigen Running Gag des Films zu werden.

INFO: Spanien 2020. 94. Min. Von Bernabé Rico. Mit Kiti Mánver, Juana Acosta.

"Vier Wände für Zwei": Ungewöhnliche Frauenfreundschaft

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