Standing Ovations für Marie Kreutzers "Corsage“: „Schön soll sie bleiben“
Marie Kreutzers Sisi-Porträt „Corsage“ begeistert bei seiner Cannes-Premiere mit einer exzellenten Vicky Krieps als Kaiserin Elisabeth
Das Bild von Kaiserin Elisabeth von Österreich ist eng mit dem von Romy Schneider verbunden. Als Ernst Marischka im Jahr 1955 die erfolgreiche Theaterproduktion „Sissy“ zu seinem farbenprächtigen Dreiteiler „Sissi“ verfilmte, landete er im deutschsprachigen Raum einen enormen Kassenschlager. Nur der „Förster vom Silberwald“ war erfolgreicher.
Danach gab es kein Halten mehr – und bis heute erinnert sich die Welt des Heimatfilms an die blühende Romy Schneider als junge Kaiserin an der Seite von Karlheinz Böhm als Kaiser Franz Josef.
Marischkas Fortsetzungen machten sogar auf den Filmfestspielen von Cannes Station: „Sissi – Die junge Kaiserin“ (1956) lief im Wettbewerb, ebenso wie der dritte Teil, „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ (1957).
Nun kehrt die Kaiserin nach Cannes zurück. Zwar nicht im Wettbewerb, aber in der renommierte Nebenschiene „Un certain regard“ läuft Marie Kreutzers Spielfilm „Corsage“ (Kinostart: 7. Juli) – und wirft ein komplett anderes Licht auf die Monarchin.
Elisabeth, genannt Sisi, feiert ihren 40. Geburtstag: „Schön soll sie bleiben, dreimal so schön“, singen die Gäste, während die Kaiserin mit ihrem Alter hadert und den Verlust ihrer legendären Schönheit fürchtet. Ihre rigiden Selbstdisziplinierungen im eng geschnürten Korsett sind bekannt. Zwei Scheiben Orangen zu Mittag, ansonsten herrscht Zigaretten-Diät.
Regisseurin Marie Kreutzer inszeniert Sisi als einsame Gefangene zwischen den Zeiten. Ihr Drang nach einem selbstbestimmten Leben kollidiert mit der Lust am Privileg und der Obsession mit der eigenen Selbstinszenierung. Sisi täuscht Ohnmachtsanfälle vor, Franz Josef zieht sich nach einem öffentlichen Auftritt die aufgeklebten Koteletten vom Gesicht. Die Zimmer im Königspalast sind prächtig, doch die Verbindungsgänge sehen aus wie neonbeleuchtete Bunker, in dem die Diener billige Sessel stapeln.
Standing Ovations
Die exquisite Luxemburgerin Vicky Krieps spielt Sisi als eine moderne Frau, die im Körperbild des 19. Jahrhunderts feststeckt und ihre Fluchtfantasien mit ruhelosem Reisen kompensiert. Krieps’ Spiel ist verhalten, ihre zurückgenommene Körpersprache beherrscht implodierende Gefühle. Florian Teichtmeister als entschlossener Kaiser steht seiner Frau freundlich, aber mitleidslos gegenüber, während sich Manuel Rubey als Ludwig II. und Sisi-Vertrauter zwischen Empathie und Egozentrik einpendelt. Gekonnt formt Kreutzer ein exzellentes Ensemble zu einem facettenreichen Porträt einer unglücklichen Frau. Das Publikum in Cannes quittierte „Corsage“ mit Standing Ovations.
Alexandra Seibel
Über Alexandra Seibel
Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.
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