Sex, Gewalt und schnelle Autos: Drei B-Movie-Legenden im Porträt

„Hätte ich mich nicht so sehr für Titten interessiert, wäre aus mir vielleicht ein großer Filmemacher geworden“ - zum 100. Geburtstag von Russ Meyer.

Wir feiern schwere Jungs und leichte Mädchen - denn dieser Tage gibt es gleich drei Jubliläen für B-Movie-Fans. Zwei Geburtstage und ein Todesfall quasi.

Russ Meyer mit Ehefrau Edy Williams in New York (1971). Ja, sie war auch eine seiner Lieblingsschauspielerinnen

©Getty Images/Tim Boxer/Getty Images

Russ Meyer ist der Name, den man gemeinhin als ersten mit diesem Gerne verbindet. Schon die Titel seiner Filme sprechen Bände: "Mega-Vixen", "Wild Gals of the Naked West", "Motorpsycho", "Mondo Topless" - und natürlich "Faster, Pussycat! Kill! Kill!" Was allerdings nur wenige wissen: Es war ein Österreicher, der den Weg für Russ Meyer & Co geebnet hat: Edgar G. Ulmer gilt als Vater aller Exploitation-Filme. 1904 in Olmütz geboren, aber eigentlich aus Wien, seine Eltern waren nur auf Urlaub in dem hübschen tschechisch-österreichischen Städtchen mit der großen jüdischen Gemeinde.

Schon als Teenager ging er zum Film und arbeitete als Szenenbildner für Großproduktionen wie "Der Golem, wie er in die Welt kam", "Nibelungen", "Sodom und Gomorrha", "Metropolis". In den 1920ern begleitete er Max Reinhardt nach New York, bekam einen Job in den Universal Studios und wurde schließlich Assistent des großen Friedrich Murnau.

Als Filmemacher wurde er ursprünglich unter Filmkennern als sogenannter "Minderheiten-Regisseur" bekannt, drehte jiddische Melodramen, einen Film über ukrainische Immigranten und das dramatische Musical "Moon over Harlem".

Für die Universal Studios drehte er schließlich den Horror-Streifen "The Black Cat" (1934), in dem zum ersten Mal die beiden Ikonen Boris Karloff und Bela Lugosi gemeinsam vor der Kamera standen. Die Kritik nannte es ein "bizarres Meisterwerk", für Universal wurde es der größte Kassen-Hit des Jahres. Trotzdem sollte es einer der wenigen großen Studiofilme Ulmers bleiben. 

Ulmer drehte hauptsächlich für kleine Studios, oft musste er sich selbst ums Budget kümmern, schrieb die Drehbücher, machte das Casting, sorgte für Kamera und Schnitt. Ein wahrer Autorenfilmer also. Den Horror- und Gewalt-Themen blieb er allerdings auch als früher "Indie-Regisseur" treu. Einige seiner Hits hießen "Girls in Chains",  "Isle of Forgotten Sins", "Ruthless", "The Man from Planet X", "Babes in Bagdad", "The Amazing Transparent Man".

Mit seiner Landsfrau Hedy Lamarr drehte Ulmer den Film "The Strange Woman". Und ja, die Peitsche ist Programm.

©Corbis via Getty Images/Sunset Boulevard/Getty Images

Und wie man schon den Titeln entnehmen kann, spielte er durchaus mit den Möglichkeiten, die sich gerade Autorenfilmern boten, die sich nicht sklavisch an den strengen Moralkodex der großen Studios halten mussten. Stichwort "Nudies", also Nacktfilme.

Pulp fiction fürs Kino, möglichst dirty, weit ab vom üblichen Hollywood-Glamour. Das auch deshalb, weil man nicht für die großen Hollywood-Studios produzierte, sondern um teilweise absurd wenig Geld sogenannte "Grindhouse"-Filme machte, für die dubiosen Double-Features abseits der schicken Straßen, für schräge Bretterbuden und Autokinos.

"Faster, Pussycat! Kill! Kill!" bekam in Deutschland den fragwürdigen Titel "Die Satansweiber von Tittfield"

©FilmPublicityArchive/United Arch/United Archives/Getty Images

Mit eben diesen machte einer von Ulmers Fans sich früh einen Namen: Russel Albion Meyer,  am 21. März 1922 in Kalifornien als Sohn deutscher Einwanderer geboren, bekennender Busenfetischist, Lebemann und Autor einiger der richtungsweisendsten Filme der 60er und 70er. Lange als Schmuddelfilme abgetan, gelten seine Werke heute als Kult-Klassiker. Ganz nebenbei galt er als ausgezeichneter Fotograf und Dokumentarfilmer, er sorgte für die Stills des Oscar-Films "Giganten" ebenso wie für etliche Playboy-Fotostrecken, seine Fotos und Filmreportagen aus dem Zweiten Weltkrieg werden heute noch in Dokus verwendet.

Originalplakat für den Meyer-Klassiker "Vixen"

©LMPC via Getty Images/LMPC/Getty Images

Aber wie Ulmer hatte auch Meyer Schwierigkeiten, sich in das strikte Studioleben Hollywoods zu integrieren und filmte die meisten seiner Streifen als "Auteur", machte also praktisch alles selbst. Von überaus erfolgreichen "Nudies" wie "Mr. Teas und seine heißen Träume" oder "Wilde Weiber im nackten Westen", wechselte er Mitte der 1960er ins Exploitation-Fach und konfrontierte das Publikum mit Tabu-Themen wie Sex, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Liebe - und natürlich jede Menge Gewalt.

Waren seine vollbusigen Frauen Opfer? Die amerikanische Kritikerin und Feministin B. Ruby Rich schrieb schon Ende der 1990er darüber, dass sich ihre Meinung zu "Faster, Pussycat! Kill! Kill!" fundamental gewandelt habe. Nach der ursprünglichen Ablehnung - "sexistischer Scheiß!" - sei sie zum Verständnis gekommen, dass dieser Film, wie einige andere Werke Meyers, vieles vorweggenommen hätte, das heute zum feministischen Standard gehört. Stichwort "Empowerment". Hier nehmen Frauen ihr Schicksal in die Hand, anstatt nur Deko zu spielen oder Opfer.

Aber auch Meyers "seriöse" Werke wie "Lorna" oder das inzwischen hochgelobte "Beyond the Valley of the Dolls" über Aufstieg und Fall einer All-Girl-Rockband zählen zu den Filmen, die internationalen Einfluss auf die Richtung des Kinos hatten.

Nicht umsonst zählt Quentin Tarantino zu seinen größten Fanboys, haben Grunge- und Rockbands wie "Mudhoney" oder "Motorpsycho" sich nach Filmen von ihm benannt, hat der Ex-Musiker und inzwischen preisgekrönte Regisseur Rob Zombie schon auf seiner ersten CD Dialoge von "Faster, Pussycat!" ausgiebig gesamplet. Aber auch ein deutscher Regisseur wie Klaus Lemke wäre ohne Meyer kaum vorstellbar.

Und wie sagte Russ Meyer selbst in einem Interview so schön? „Hätte ich mich nicht so sehr für Titten interessiert, wäre aus mir vielleicht ein großer Filmemacher geworden“.

Bei allem Empowerment - es gab kaum Frauen, die hinter der Kamera in diesem Genre die Fäden zogen. Außer natürlich Doris Wishman, die nicht umsonst als "Queen of Sexploitation" gilt. Die New Yorkerin würde am 1. Juni ihren 110. Geburtstag feiern. Ursprünglich arbeitete sie als Bookerin, verkaufte für Produzent Joseph Levine und andere Arthouse- und Exploitation-Filme, die Genres galten in den USA als durchaus verwandt. Erst als ihr dritter, um 15 Jahre jüngerer Ehemann Jack Abrams 1958 an einem Herzinfarkt überraschend verstarb, begann sie selbst Filme zu drehen. Als Hobby eigentlich, und um zu beweisen, dass sie das auch drauf hatte.

"The Sex Perils of Paulette" war einer von Doris Wishmans frühen "Nudies"

©Getty Images/Movie Poster Image Art/Getty Images

Und wie sie es drauf hatte! Von allen genannten Regisseuren hatte sie die meisten Troubles mit den Zensurbehörden, vor allem ihre geschickte, an russischen Regisseuren orientierte Schnitt-Technik sorgte für hochrote Köpfe bei den professionellen Sittenwächtern.

Ihr zweiter "Roughie" "Bad Girls Go to Hell" (1965) sorgte für Furore, sie nannte sich Louis Silverman, weil man einer Frau derartige "Schweinereien" nicht zutrauen wollte. In den 1970er drehte sie auch einige B-Thriller die Tarantino sicher liebt, falls er sie kennt, bevor sie mit "Satan Was A Lady" (1975) einen Hardcore-Porno drehte, der sich gewaschen hat. Mit dabei, die legendäre Annie Sprinkle, die in großem Ausmaß von Wishman beeinflusst wurde.

Vielleicht hat sie sich ja dem Porno-Genre zugewandt, weil ausgerechnet ihre Filme immer wieder heftig von der Zensur zerschnippselt auf den Markt kamen. Quasi eine "eh scho wurscht"- oder auch "jetzt erst recht"-Reaktion. Auffallend neben ihrer superben Schnitt-Technik ist jedenfalls auch die von ihr gerne verwendete Handkamera, die ihren Filmen eine sogartige Unmittelbarkeit verleihen. Und auch in modernen Produktionen oft exzessive Verwendung findet. Aber erst 1998, vier Jahre vor ihrem Tod, wurde Doris Wishman mit einer Gala im Nuart Theatre in Los Angeles gewürdigt.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

Kommentare