Resetarits-Brüder: Drei Favoritner Buben aus Stinatz
Der Tod von Willi Resetarits zerreißt auch ein für Österreich außergewöhnlich prägendes Brüder-Trio. Aus einfachsten Verhältnissen kommend, fanden sie in ihren Bereichen den Weg an die Spitze
Zwölf Bands waren es, mit denen Willi Resetarits im Jänner 2019 auf der Bühne seinen 70er feierte. Zwölf Bands, mit denen er in seiner Karriere aufgetreten ist. Allein diese Zahl zeigt, dass er wie kaum ein Künstler der letzten Jahrzehnte in Österreich Spuren und schöne Erinnerungen hinterlassen hat.
Er war ein Bub aus Favoriten, wuchs im zerbombten Nachkriegs-Wien auf. Seine Familie wohnte am Humboldt-Platz, wo er auch das runde Leder – damals recht harte Wuchteln – bearbeitete. „Humboldt-Bande“ nannten sich die Buben. Sein älterer Bruder Lukas, der später als Kabarettist und „Kottan“ mit Wuchteln anderer Art zugange war, passte auf ihn auf.
Kroatische Wurzeln
Seine spätere Kunstfigur Ostbahn-Kurti wurde als Wiener Original wahrgenommen, als proletarischer Held urbaner Orte wie dem verrauchten Beisl oder der Tankstö. Doch Willi Resetarits’ Wurzeln liegen am Land, in einer der ärmsten Regionen Österreichs, dem Südburgenland.
Seit mehr als vier Jahrhunderten ist Stinatz von Burgenlandkroaten geprägt. Kaum mehr als 1.000 Einwohner zählt das Straßendorf vulgo Marktgemeinde. Die vorherrschenden Familiennamen lauten Kirisits, Zsivkovits, Grandits, Stipsits, Stoisits und – Resetarits. Viel mehr traditionelle Namen gibt es im Ort nicht, aber es sind besonders klingende Namen in Österreich. Die Anzahl an Akademikern und bekannten Künstlern, die in Stinatz ihre Wurzeln haben, ist verhältnismäßig groß. Auch, weil es viele Familienmitglieder in die große Stadt zog.
Die Familie Resetarits brachte drei besonders prominente Kinder hervor. Unbestätigten Gerüchten zufolge hatte Willi 1948 schon im Mutterbauch kroatische Volkslieder mitgesungen. Bruder Lukas war da schon geboren, als Erich Lukas Kirisits, denn 1947 waren die Eltern noch nicht verheiratet.
Schmalz mit Zucker
Willi Resetarits erinnerte sich an eine frühe Kindheit in bescheidenen Nachkriegsverhältnissen. Schmalzbrot stand auf der Tagesordnung, in den Varianten: mit Salz, ohne Salz, und am verlockendsten: mit Zucker. Mit einem kleinen Toto-Gewinn wurden adrette Anzüge für die beiden Buben gekauft, und es ging in den Nachbarort Stegersbach, für ein frühes Familienfoto.
Die Eltern arbeiteten weit weg in Salzburg, 1952 zog es die Familie dann nach Wien, Willi war dreieinhalb und musste das Wienerisch erst erlernen.
„Wegen der Bildung sind wir nach Wien gezogen“, erzählte Willi Resetarits in der ORF-Doku „Orte der Kindheit“ (siehe Kasten unten). Die Kinder sollten in die Schule gehen können. In der Mittelschule in der Ettenreichgasse gründete er dann aber auch seine erste Band.
Das Feuer
Ihre Studien sollten Lukas und Willi schließlich abbrechen, um sich der Kunst zu widmen. Der 1960 geborene jüngere Bruder, Peter Resetarits, hat es dann aber gerichtet, und schloss sein Jus-Studium, währenddessen er bereits beim ORF begonnen hatte, erfolgreich ab. „Damit die Mama a Freud hat“, sollte Willi einmal kommentieren.
Ungeklärt ist, ob sich Willi Resetarits später auch deshalb in seiner typischen Ironie künstlerische Titel wie „Professor der Kurtologie“, „Obermedizinalrat“ und „Dr. Kurt Ostbahn“ einfallen ließ.
Peter Resetarits begann mit der Jugendsendung „Ohne Maulkorb“, gestaltete dann unzählige ORF–Reportagen und moderiert bis heute mit herausragendem Engagement Formate wie „Bürgeranwalt“ und „Am Schauplatz“.
Mit seinem Programm „Un Ruhe Stand“ zeigte Lukas Resetarits schon 2012, dass an Pension nicht zu denken ist, daher ist der Titel des 28. Solos, „Das Letzte“, eher nicht programmatisch zu sehen.
Auch Willi Resetarits hat das „Feuer“, von dem er selbst oft sprach, nie verlassen. Umso schmerzvoller ist es, dass es nun am Sonntag so jäh erlöschen musste.
„Ein begeisternder Musiker“ und ein „echter Kämpfer für Menschlichkeit“
Willi Resetarits’ unerwarteter Unfalltod sorgt weiter für tiefe Betroffenheit.
„Mit Willi Resetarits haben wir einen begeisternden Musiker und einen faszinierenden Menschen verloren“, schrieb Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf Twitter. Als Mitbegründer von SOS Mitmensch, Asyl in Not und des Integrationshauses habe er sich für die Ärmsten in der Gesellschaft eingesetzt, „er gab ihnen Würde und Hoffnung“.
Resetarits’ plötzlicher Unfalltod „hinterlässt eine schmerzliche Lücke und ist ein herber Verlust“, schrieb Caritas-Präsident Michael Landau. Er habe viele Menschen ermutigt und inspiriert, sich für andere einzusetzen. Resetarits habe damit „sehr viel zu einem friedlichen und respektvollen Zusammenleben in unserem Land beigetragen“.
Caritas-Wien-Direktor Klaus Schwertner erinnerte sich, ebenfalls auf Facebook, an „unzählige und unvergessliche“ Konzerte. Wie unermüdlich er sich zeitlebens für Menschenrechte und Menschlichkeit einsetzte, „ist und bleibt vorbildlich. Er war ein echter Kämpfer für Menschlichkeit.“
ÖVP-Volksgruppensprecher Nikolaus Berlakovich: Resetarits sei nicht nur „ein außergewöhnlicher Künstler“ gewesen, „sondern war als Burgenland-Kroate dem Burgenland zutiefst verbunden und hat sich immer für die Volksgruppen engagiert“ und „gegen Fremdenfeindlichkeit eingesetzt“.
Der Tod Resetarits’ ist „ein schwerer Verlust für uns alle“, schrieb Justizministerin Alma Zadić (Grüne) auf Twitter. „Er hat nicht nur die österreichische Kultur- und Musiklandschaft mitgeprägt, sondern sich stets auch für Menschlichkeit eingesetzt. Seine Stimme wird fehlen.“
Die Streamingplattform Flimmit zeigt in memoriam Willi Resetarits fünf Produktionen, die seine Kindheit und seinen Werdegang beleuchten. Neben der Dokumentation „Vom ewechn Lem“ sind der Spielfilm „Blutrausch“, die ORF-Grätzelgeschichte „Mein Favoriten“ sowie der Besuch von Resetarits im Geburtsort Stinatz aus der ORF-Reihe „Orte der Kindheit“ zu sehen (letztere beiden auch in der ORF-TVThek).
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