Poetry Slam Meisterin: "Sollte eigentlich eine einmalige Sache sein"

Die 24-jährige Elif Duygu ist zurzeit der „rising Star“ des österreichischen Poetry Slams.

Ihre Performances begeistern durch eine persönliche Note. Ob nun ein Liebesgedicht an Istanbul oder der Abrechnung mit ihrer ehemaligen Hort-Betreuerin. Im Interview spricht sie über ihre Alltags-Inspirationen, welche Sprachen sie wo spricht und warum Poetry Slam nicht unbedingt die Liebe auf den ersten Blick war.

Wie hast du mit Poetry Slam begonnen?

Elif Duygu:  Mit 16 habe ich einen Theater-Workshop beim Diversity Lab gemacht. Da musste am Ende jeder etwas vortragen. Ich habe ein Gedicht über Istanbul geschrieben. Da ich damals auch beim mehrsprachigem Redewettbewerb “Sag’s Multi” mitgemacht habe, habe ich das Gedicht zweisprachig vorgetragen. Danach meinte Asli Kislal, die Workshopleiterin, ich soll doch mal Peotry Slam probieren. Ich sagte: “Ha? Poetry Slam? Noch nie davon gehört”. Und dann hat sie mir ein YouTube-Video von Julia Engelmann geschickt. Und das habe ich mir angeschaut und dachte: Okay, cool. Aber es hat mich jetzt nicht wirklich interessiert. Und irgendwann 2017 war ich voll verliebt und überfordert. Deshalb dachte, ich muss das jetzt alles mal zu Papier bringen. Später habe ich dann auch bei einem Slam mitgemacht. Aber eigentlich sollte es eine einmalige Sache sein. Ich wollte mir nur etwas von der Seele reden. Aber die fanden das wohl cool, was ich gemacht habe. Danach wurde ich immer wieder zu Slams eingeladen. Mir hat es irgendwann auch so Spaß gemacht, dass ich selber zu Slams gegangen bin.

Also hat es sich gleich natürlich angefühlt?

Vor Leuten zu reden, war nie ein Problem für mich. Ich habe auch in der Schule immer gerne Events moderiert. Die Openstage Bühne des Dschungel Wien habe ich auch eine Zeit lang moderiert. Neu war in dem Sinne, das kreative Schreiben zu präsentieren. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut ankommt.

Elif Duygu ist 24 Jahre alt und ist neben ihrer Poetry-Slam Kariere Anglistik-Studentin an der Universität Wien. Sie wurde in Istanbul geboren. Ihre Familie zog, als sie zwei Jahre alt war, nach Österreich. Das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen und Heimaten spiegelt sich auch immer wieder in ihren Texten
Ende September gewann  Elif Duygu gemeinsam mit Mike Hornyik den österreichischen Poetry-Slam-Team-Meistertitel. Bei den derzeit stattfindenden deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften vertritt sie Wien. Im Dezember wird sie bei den Europameisterschaften in Rom Österreich vertreten

©Osman Cetin
Was gefällt den Menschen an deinen Texten so gut?

Ich glaube, dass sie so persönlich sind. Ich versuche oft, auch traurige Themen auf eine lustige Art und Weise rüberzubringen. Meine Hoffnung ist, dass ich Leute zum Lachen, gleichzeitig aber auch zum Nachdenken bringen kann. 

Du sprichst auch immer wieder von Rassismus oder den Problemen in der Kunstbranche. Wie ergeht es dir als junge Künstlerin mit Migrationshintergrund?

Also ich weiß ja nicht, wie es ist, keinen Migrationshintergrund zu haben. Diese Perspektive fehlt mir. Aber ich glaube, es kann beides sein. Es kann sein, dass man es schwieriger hat, aber es kann auch sein, dass man extra dafür gebucht wird, damit man mehr Diversität auf der Bühne hat.

Ein Thema, das immer mehr diskutiert wird.

Und das ist auch gut so. So soll es auch sein. Ich finde es so wichtig, dass vor allem Kids sehen, dass es Menschen auf der Bühne gibt, die ähnlich heißen oder aussehen wie sie. Diese Repräsentation auf den Bühnen braucht es. 

Du trägst Slam Texte auf Deutsch, Englisch und Türkisch. Gibt es Sprachen, in denen du gewisse Sachen besser zum Ausdruck bringen kannst?

Ich würde sagen, dass ich mich auf allen dreien sehr gut ausdrücken kann. Meinem Türkisch merkt man zum Beispiel nicht an, dass ich in Wien aufgewachsen bin. Das ist nicht bei jedem so. Aber dadurch, dass ich meine ganze Schullaufbahn auf Deutsch hatte, fühle ich mich auf Deutsch wohl am sichersten. Mit meiner Familie spreche ich türkisch und machen Freunden auch beides. Das liebe ich besonders, weil wir dann quasi so diese eigene Sprache haben. Da nimmt man einfach das Wort, das einem zuerst einfällt, egal auf welcher Sprache.

Was sagen deine Freunde und Familie zu deinen Texten und Auftritten?

Meine Mama ist auf jeden Fall sehr stolz. Sie war auch Künstlerin in der Türkei. Sie sagt, hier haben es Künstler auch besser. Natürlich ist in Österreich noch viel Luft nach oben. Aber wenn man es mit der Türkei vergleicht und den damaligen Zeiten, ist es sehr cool, dass Kunst hier geschätzt wird.

Woher nimmst du eine große Inspiration aus deinem Alltag?

Es sind oft Sachen, die mir entweder passiert sind, oder die mich einfach aufregen. 

Wie deine ehemalige Hort-Betreuerin, die dich beim Hausaufgabenmachen fragte, ob es an dir liege oder ob alle Türken so langsam sind?

Da habe ich im ersten Moment nicht gecheckt, was los ist. Als Erwachsener finde ich das absolut nicht akzeptabel. Ich würde sie ja gerne finden und ihr den Text, den ich über die Erfahrung geschrieben habe, schicken.

Zum Schluss noch eine Blitzfragerunde. TikTok oder Instagram? 

Instagram. Ich habe kein TikTok.

Buch oder Film?

Film

Istanbul oder Wien?

Beides. Da kann ich mich nicht entscheiden.

Kaffee oder Çay?

Uff. Schwierig. Ich glaube Kaffee.

Schreiben oder performen?

Performen.

Naz Kücüktekin

Über Naz Kücüktekin

Im Juni 2021 zu Kurier und "Mehr Platz" dazugestoßen. Davor: Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie journalistische Tätigkeit für diverse Medien (profil, biber, Wiener Bezirkszeitung) Kritik oder Anregungen gerne an [email protected]

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