Zwei österreichische Dragqueens greifen nach der Krone

In den USA ist "RuPaul’s Drag Race“ längst ein Hit. Seit Kurzem gibt es einen deutschsprachigen Ableger, in dem Dragqueens gegeneinander antreten. Mit dabei: Metamorkid und Pandora Nox aus Österreich.

Macht euch startklar!“ Wenn dieser Befehl ertönt, wird es für die Dragqueens im deutschen Ableger der erfolgreichen US-Show RuPaul’s Drag Race ernst. Die Teilnehmerinnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich müssen dann ihre Kreativität, Schlagfertigkeit und ihren Humor unter Beweis stellen. Unter Zeitdruck entwerfen sie extravagante Kostüme, improvisieren bei Musical- und Comedy-Szenen oder posieren für außergewöhnliche Fotos. Dazu müssen sich stets zwei Queens beim „Lipsync for your Life“ (Playback um dein Leben) messen.

Die Gewinnerin der zwölf Folgen, die auf Paramount+ zu sehen sind, bekommt – wie könnte es für eine Queen anders sein – eine glitzernde Krone und ein Zepter.

In den USA läuft das Original schon seit 2009. Dragqueen RuPaul, die in den Neunzigern einer breiteren Öffentlichkeit vor allem durch die Songs Supermodel und Don't Go Breaking My Heart mit Elton John bekannt wurde, präsentiert das Format. Es begann als Nischenprogramm eines LGBTQIA+-Senders und hat inzwischen 13 Mal den Emmy eingeheimst. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche internationale Ableger. Bei der neuesten Sendung Drag Race Germany wird Österreich durch die in Wien lebende Alien-artige Pandora Nox und die divenhafte Metamorkid vertreten, die sich zuvor in der heimischen Szene einen Namen gemacht haben. „Ich komme aus einem Dorf im Innviertel mit 900 Einwohnern. Da macht eine Dragqueen keine Show im Wirtshaus“, erzählt Metamorkid, die in der Sendung mit ihrer Herkunft kokettierend angekündigt hat, statt des Titels eher Untertitel zu bekommen.

Wo geht’s zum Studium?

Als sie im Internet mit 14 – am Anfang der queeren Identität – zum ersten Mal auf eine Dragqueen stieß, habe sie sich gedacht: Halleluja, was ist denn das? „Da siehst du hin und willst gar nicht mehr wegsehen. Ich wollte verstehen, ob die nun eine Frau sein wollen?“ Dann stolperte sie über RuPaul’s Drag Race aus den USA. Und dann war schon mit 16 klar: „Ich möchte hauptberuflich Drag sein. Aber es gibt natürlich keine Ausbildung und ich konnte in Wien nicht Drag studieren“, sagt Metamorkid, die laut Selbstbeschreibung die Ästhetiken „Punk Dirty Bitch“ und „Burlesque Göttin“ miteinander verbindet. Daher folgte nach der Matura eine Modeschule in der Hauptstadt. Bei einer Party anlässlich einer Ausstrahlung von RuPaul’s Drag Race wurden Dragqueens gesucht – und Metamorkid sprang ins kalte Wasser.

Metamorkids Stil wechselt zwischen „Punk Dirty Bitch“ und  „Burlesque Göttin“

©doris himmelbauer und jakob flash

Auch bei Pandora Nox war schon früh die Faszination da: „Ich habe Drag gemacht, bevor ich wusste, was Drag überhaupt ist. Ich habe mich mit 14, 15 mit dem gefladerten Make-up meiner Mutter heimlich geschminkt. Dann bin ich durch das aufkommende Social Media draufgekommen, dass es einen Namen dafür gibt.“

Viele aus ihrem Umfeld – sie besuchte eine katholische Privatschule – hätten das nicht verstanden. Später habe sie neben ihrem Medizinstudium Tanzauftritte absolviert, die mehr wurden. Nachdem der Abschluss in der Tasche war, machte sie sich selbstständig. Sie tanzt, choreografiert, verbiegt ihren Körper, legt auf und ist Make-up-Künstlerin.

Pandora Nox möchte unmenschlich und weit weg von der Realität wirken, wie sie  sagt 

©Pandora Nox

Gemeinhin gelten Dragqueens als homosexuelle Männer, die als aufgedonnerte weibliche Personas für Unterhaltung sorgen. Aber so stimmt das nicht: „Es gibt kein Regelbuch“, sagt Metamorkid. Auch Trans-Personen oder lesbische Frauen wie Pandora Nox sind Drags. „Drag ist eine Kunstform, in der es ums Aufbrechen der Geschlechteridentitäten geht“, sagt sie.

Dazu sei es absurd, wenn man ihr als Frau verbieten wolle, sich wie eine Frau zu verkleiden. „Und die Inspiration kommt von Frauen. Außerdem ist natürlich eine Transformation da.“ Im Alltag würde sie auch nicht so herumlaufen. Immerhin solle ihr Drag unmenschlich und weit weg von der Realität wirken. Mit einer Standard-Zuschreibung von hübsch und schön können sie nichts anfangen. Metamorkid hat sich von der unguten Modemacherin Cruella de Vil aus 101 Dalmatiner inspirieren lassen. „Die Bösen sehen bei Disney immer aus wie Drags“, meint sie.

Drag verbindet die Szene

Dragqueens haben für die beiden eine wichtige Funktion. Pandora Nox: „Drag verbindet. Früher war die queere Szene separiert. Es gab hier ein Schwulen-Event, dort ein Lesben-Event. Doch bei Auftritten von Dragqueens sind Lesben, Schwule und Heteros vereint.“ Und laut Metamorkid habe eine Künstlerin in voller Montur eine lautere Stimme. „Wenn du als Dragqueen auf einem Platz auftrittst, hast du die volle Aufmerksamkeit. Und die kannst du verwenden, um wichtige Dinge anzusprechen.“

Die Szene sei in den vergangenen Jahren – auch wegen Drag Race – gewachsen. „Wir werden immer mehr von jenen verstanden, die nicht in unserer Szene Zuflucht suchen.“ Denn Drag sei mehr als nur Unterhaltung. „Natürlich machen das Menschen wegen der Ästhetik, es gibt aber auch andere, die damit ein Trauma aufarbeiten“, sagt Pandora Nox. Gerade bei der TV-Show sprechen die Kandidatinnen auch über ihr Coming-out und die Schwierigkeiten dabei.

Partys zur Ausstrahlung

Am Dienstagabend, dem Tag der Ausstrahlung, treffen sich die Fans zu Viewing-Partys. Es wird mitgefiebert, geklatscht, gefeiert. In Wien kommt die Szene etwa in der Felixx Bar zusammen, wo Patron Jacques Patriaque durch den Abend führt. Metamorkid und Pandora Nox selbst sind meist bei der Fete dabei, die zeitgleich mit ein paar hundert Menschen im Jo & Joe am Westbahnhof steigt. Die beiden werden mittlerweile auch auf der Straße erkannt. Wiewohl Metamorkid meint, dass die Zielgruppe eher spitz definiert ist. „Wenn ich in eine Schwulenbar gehe, bin ich Madonna. Wenn ich in den Supermarkt gehe, die Betty aus Offenbach.“

Mit dem TV-Wettbewerb „Drag Race“ wurde RuPaul endgültig zum Superstar. Schon in den Neunzigern mischte sie mit den Hits „Supermodel“ und „Don't Go Breaking My Heart“ mit Elton John die Charts auf  

©IMAGO/Panthermedia/Panthermedia/IMAGO

Wien selbst ist für beide eine der spannendsten Städte im deutschsprachigen Raum, um Drag zu machen. „Die Community ist wirklich groß. Aber sie ist auch sehr familiär. Wir besuchen unsere Events gegenseitig“, sagt Pandora Nox. „Die Girls aus der Show waren wirklich geschockt, wie gut es in Wien läuft“, schießt Metamorkid nach.

Dass die beiden ihre Bekanntheit steigern konnten, ist der eine Vorteil. Dass sie ihre Make-up-Fertigkeiten noch einmal verbesserten, der andere: „Vor Drag Race brauchte ich zwei bis drei Stunden. Jetzt schaffe ich es, wenn es schnell sein muss, in 45 Minuten“, erzählt Pandora Nox, die nur unter diesem Namen in der Szene bekannt ist. „Unsere bürgerlichen Namen werden nie verwendet. Mich spricht nur meine Familie mit dem echten Namen an“, sagt Metamorkid.

©Paramount+/Walter Gomez Urrego

Tipps: Wer die beiden bei Auftritten erleben will: Pandora Nox veranstaltet jeden ersten Donnerstag im Monat im Tokyo Boom einen Abend (Hofmühlgasse 11, 1060 Wien). Metamorkid jeden Mittwoch eine Open Stage Night in der Sargfabrik (Goldschlagstraße 169, 1140 Wien). Dazu hat sie mit Grazia Patricia den Club Couleur im Vindobona. Im Oktober folgt eine gemeinsame Show namens Dollhouse, ebenfalls im Vindobona.

Am 7.11. kommen Stars aus RuPaul's Drag Race in die Wiener Stadthalle. Mehr Infos

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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