Moritz Bleibtreu im Interview: „Das hätte sehr gefährlich werden können“
Der ROMY-nominierte Schauspieler im Gespräch über "Faking Hitler", Serien und warum er Fans nicht zum Voting aufrufen würde.
Es war eine Sensation: Anfang der 80er veröffentlichte das deutsche Magazin Stern Auszüge aus Hitlers privaten Tagebüchern. Das Problem: Sie waren gar nicht echt, sondern von einem Kunstfälscher verfasst. Für den Stern wurde der vermeintliche Coup zum Medienskandal.
zum Voting
Alle Infos zu den Nominierten und das Voting gibt es auf ROMY.at
Nach Helmut Dietls „Schtonk!“ (1992) hat RTL den Stoff in eine Serie verpackt, die seit Herbst unter dem Titel „Faking Hitler“ beim hauseigenen Streamingdienst verfügbar ist: Mit Lars Eidinger in der Rolle des Journalisten Gerd Heidemann, Moritz Bleibtreu mimte den Kunstfälscher Konrad Kujau.
„Ich glaube, gerade Kunstfälscherei wird als eine Form von Gentleman-Delikt wahrgenommen“, sagt der ROMY-nominierte Schauspieler über die Faszination, die Geschichten von Hochstaplern und Betrügern ausüben. „Die Kunstblase ist für den normalen Menschen nicht ganz nachvollziehbar. Wie Werte von Werken entstehen, entzieht sich vielen.“ Dadurch entstehe der Eindruck, „man schade da auch nicht wirklich jemandem, sondern höchstens Leuten, die eh viel Geld haben. Das hat was von Robin Hood und deshalb auch eine große Komik und eine Form von Sympathie“.
Das sei etwas anderes als Betrug, bei dem Menschen etwa durch Schneeballsysteme Haus und Hof verlieren.
Als Hitler mit den Tagebüchern „auf einmal einen menschlichen Anstrich bekam – das war natürlich absoluter Sensationsjournalismus“, so Bleibtreu. „Ich glaube, es hätte sehr gefährlich werden können, wenn die Fälschung nicht aufgeflogen wäre. Dann hätten wir jetzt ein ganz anderes Bild von Adolf Hitler.“
Selbstgespräche
Der echte Konrad Kujau starb im Jahr 2000. Um sich auf die Rolle vorzubereiten, hatte Bleibtreu aber genügend Tonmaterial zur Verfügung: Im Podcast „Faking Hitler“, den der Stern vor ein paar Jahren selbst veröffentlicht hat, sind die Originalaufnahmen der Telefonate zwischen Heidemann und Kujau zu hören. Und somit auch dessen spezieller Dialekt. „Er kam ja ursprünglich aus Sachsen und ist dann nach Stuttgart gegangen. So hat er sich eine Mischform aus Schwäbisch und Sächsisch angeeignet.“ Um sich das als Schauspieler anzutrainieren müsse man durchaus auch „der Geliebten ein bisschen auf die Nerven gehen, weil man nur noch so spricht“, schmunzelt Bleibtreu. „Es reicht nicht, dass man das im Kopf durchgeht. Da rennt man dann eben manchmal Selbstgespräche führend durchs Haus.“
2020 gab der gebürtige Münchner, der für Filme wie „Lola rennt“ oder „Elementarteilchen“ bekannt ist, mit „Cortex“ sein Regiedebüt – das nächste Projekt als Regisseur ist bereits in Arbeit. „Ich bin da dran, habe meinen neuen Film fertig geschrieben und hoffe, dass ich ihn bald realisieren kann.“ Viel verrät er noch nicht: Es soll eine Tragikomödie im Rotlichtmilieu werden. Zunächst spielt er aber in der Netflix-Serie „Transatlantic“ – eine Fluchtgeschichte aus der Nazi-Zeit – den Philosophen Walter Benjamin. Voraussichtlich im Herbst wird man den Schauspieler dann in der Serie „Blackout“ im ORF sehen.
Instagram-Zuschauer
Selbst ist Bleibtreu kein großer Serien-Fan, das hat sich auch durch Pandemie und Lockdowns nicht geändert: „Das ist einfach nicht so mein Ding als Zuschauer. Ich schaue lieber abgeschlossene Geschichten.“ Alles um die fünf, sechs Stunden – wie ,Faking Hitler‘ – sei okay. „Aber diese Serien, die über vier Staffeln gehen, sind nicht meins“, erklärt der 50-Jährige. „Und ich finde es auch als Schauspieler schöner, zu wissen, dass ich eine Figur jetzt nicht die nächsten zwei Jahre spiele, sondern auch wieder was anderes machen kann.“
Auch sozialen Medien steht Bleibtreu skeptisch gegenüber. Auf Instagram ist er zwar vertreten, Posting findet man aber derzeit keines. „Ich schaue gerne zu, was passiert. Aber ich kann es gerne morgen ausmachen, ist kein Problem.“
Würde er nicht einmal die Fans zum ROMY-Voting bitten? „Ich mache schon auch ab und zu mal eine Story. Aber zum Voting aufrufen, das würde ich nicht tun. Das finde ich irgendwie ein bisschen komisch“, sagt Bleibtreu lachend, der bereits zwei goldene Statuetten besitzt.
„Ich freue mich sehr, dass ich nominiert bin und dass mein eigentliches Heimatland mich wieder einlädt. Wenn die Leute mich wählen wollen, dann werden sie das tun. Und wenn sie es nicht wollen, dann werden sie es nicht tun und damit bin ich auch vollkommen fein. Es ist ein riesengroßes Geschenk, Projekte wie ,Faking Hitler‘ machen zu dürfen.“ Ein Preis sei dann „die Kirsche auf der Torte“.
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