Lawrence Bender: Drei Jahrzehnte an der Seite von Quentin Tarantino

Der Produzent ermöglichte Filme von „Reservoir Dogs“ bis „Inglorious Basterds“. Ein Interview über eine Ära legendärer Kinofilme.

Es ist genau 30 Jahre her, dass Quentin Tarantino mit seinem Regiedebüt „Reservoir Dogs“ nicht nur ein eigenes Genre kreierte, sondern auch ein Filmfestival für immer veränderte. Der Film feierte in Sundance Premiere und ebnete den Weg für teure Verleihverträge für Indie-Filme, die ohne großes Studiobudget gemacht wurden. Anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums von „Reservoir Dogs“ sprachen wir mit dem Mann, der sieben Filme lang an Tarantinos Seite war, Produzent Lawrence Bender.

Können Sie sich an die Weltpremiere von „Reservoir Dogs“ erinnern?

Lawrence Bender: Ja, es war in diesem winzigen Kino in Park City, und ein paar Minuten vor Ende der Vorführung, genau zu dem Zeitpunkt, wo alle ihre Pistolen aufeinander richten, brach der Projektor zusammen. Das Licht ging an, ich schwitzte und Quentin meinte „Relax, alles wird gut“. Die reparierten den Projektor, wir spielten ein paar Minuten zurück, und er hatte recht, alles war gut. Dass das 30 Jahre ist, ist komplett irre. Ich verspüre eine Melancholie, nichts Schlimmes, aber die Erkenntnis, dass 30 Jahre wie im Flug vergangen sind macht mich traurig.

Wie sind der Film und Ihre Zusammenarbeit mit Tarantino entstanden?

Quentin hat das Drehbuch praktisch auf einem Stoß von Papierservietten im Kaffeehaus geschrieben. Er kam zu mir und meinte, „Ich gebe dir zwei Monate, um das Geld dafür aufzustellen.“ Ich sagte ihm, dass er wahnsinnig ist, aber ich liebte die Geschichte und ich hatte bereits so lange ums Überleben gekämpft in diesem Business, dass ich diesen Film unbedingt machen wollte. Es gab einen Handschlagdeal zwischen mir und ihm. Dann kam ein Typ auf uns zu mit dem Angebot von einer halben Million, wenn wir seiner Geliebten eine Rolle im Film geben. Quentin war damals so arm, dass er mit dem Bus durch LA fuhr, ich hatte ein Auto, das dauernd zusammenbrach. Wir sahen uns an und entschieden, nein, das ist es nicht wert und lehnten ab.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Film, der Ihre beiden Karrieren startete?

Der Film hat das Sundance Festival für immer verändert. Was interessant ist, denn es hat keinerlei Preise gewonnen, aber ja, es hat einen großen Eindruck hinterlassen. Was auch lustig ist: knapp, bevor wir zu drehen begannen, bekam Quentin das Angebot für einen Regie-Workshop im Sundance-Institut. Ich redete ihm zu und meinte, ich halte hier die Stellung. Sein Mentor war Terry Gilliam, es war eine wertvolle Erfahrung für ihn, und ich glaube, unser Film wurde durch sein Studium dort besser. Nach Sundance kam Cannes, wir hatten eine Mitternachtsvorführung und spazierten den roten Teppich runter. Ich war mein ganzes Leben vorher pleite, und auf einmal bin ich in Cannes! Und das genau zu dem Zeitpunkt, als in LA die Rodney King- Proteste stattfanden. Wir flogen praktisch von einem schrecklichen Erlebnis in einem Atemzug zu einem wundervollen Erlebnis.

„Jackie Brown“ ist 25 Jahre alt. Wie ist es zustande gekommen?

Wir hatten mehrere Elmore Leonard-Romane optioniert, einer davon war „Rum Punch“. Quentin wollte nach „Pulp Fiction“ seine Version eines Blaxploitation-Films machen. Jackie war der Name der Hauptfigur in „Rum Punch“, sie war eine blonde, blauäugige Stewardess. Er gab die Rolle an die Afro-amerikanische Schauspielerin Pam Grier. Ich liebe den Film.

Was war Ihre größte Herausforderung, die Sie je an einem Film hatten?

Filmemachen ist nicht für Weichlinge. Quentin gab mir das Drehbuch für „Inglourious Basterds“ an einem 3. Juli und die erste Frage war „Glaubst du, schaffen wir es den Film für Cannes im nächsten Jahr fertig zu haben?“ Ich holte meinen Blackberry raus und zählte die Wochen. Normalerweise schafft man das nicht in 10 Monaten. Ich gab uns 13einhalb Wochen für die Vorproduktion. Das ist nichts, wenn man bedenkt, dass wir uns Deutschland als Drehort einbildeten, wo ich noch nie zuvor gedreht hatte, ich die Finanzierung aufstellen und Quentin die Besetzung zusammenstellen musste. Er hatte bisher nur Brad Pitt das Drehbuch geschickt. Irgendwie schafften wir es – auch den Theaterbrand in einer Weise, in der auch die Sicherheit gewährleistet war.

Wie bekam Christoph Waltz die Rolle des Colonel Landa?

Drei Wochen nach unserem Zeitplan flogen wir nach Deutschland und begannen zu casten. Wir sahen eine Menge Schauspieler Freitag und Samstag. Ich konnte sehen, dass Quentin nicht happy ist. Sonntag früh rief er mich an und sagte, „das ist die beste Rolle, die ich je geschrieben habe und ich brauche dafür jemanden, der all diese Sprachen spricht und talentiert genug ist, ihn zu spielen. Aber ich glaube nicht, dass so ein Schauspieler existiert.“ Ich schlug ihm vor, dass wir die gesamte folgende Woche nur den Darsteller für Landa suchen. Wenige Stunden später begannen wir damit, am Sonntagnachmittag. Der zweite Schauspieler, der reinkam war Christoph Waltz. Nur wir drei waren im Raum. Waltz ist extrem höflich, aber sobald er zu lesen begann, kickten Quentin und ich uns unter dem Tisch. Nachdem er gegangen war, sagte ich, „warum gibst du ihm nicht die Rolle?“ Quentin meinte, wir hätten eine Woche Zeit vereinbart, aber die ganze Woche kam keiner, der auch nur annähernd so gut war. Es gab nicht mal eine zweite Wahl. Ohne Christoph Waltz wäre „Inglourious Basterds“ als Roman rausgekommen.

Nach sieben Filmen – acht, wenn man „From Dusk til Dawn“ mitrechnet, in dem Quentin Tarantino eine Rolle spielte – trennten sich Ihre Wege. Gibt es eine Chance, dass Sie wieder ein gemeinsames Projekt machen?

Wir haben uns entfremdet. Ich würde sagen, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass wir wieder miteinander arbeiten.

Sie hatten nicht nur eine enge Arbeitsbeziehung und Freundschaft mit Quentin Tarantino, sondern auch mit Harvey Weinstein, der diese Filme alle herausbrachte. Was empfinden Sie, wenn Sie an ihn denken?

Schwierige Frage. Ich möchte in der Öffentlichkeit nicht über seine Verbrechen reden. Ich kann nur sagen, dass wir viele Höhen und Tiefen hatten in unserer Zusammenarbeit. Die höchsten Höhen und tiefsten Tiefen meiner Karriere hatte ich mit Harvey. Was all die Dinge betrifft, für die er ins Gefängnis ging: Ich hatte keinen Schimmer, dass das passierte.

- Elisabeth Sereda

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