Filmkritik zu "Maixabel": Die Kraft der Vergebung und die Kraft, sie aufzubringen
Regisseurin Iciar Bollain führt die Witwe eines Opfers und den Täter zusammen (Von Susanne Lintl).
Das Opfer sitzt ahnungslos beim Essen im Stammlokal. Plaudert mit einem Freund, trinkt Wein, ahnt nichts Böses. Dann geht alles ganz schnell: Zwei Attentäter stürmen mit gezogenen Pistolen ins Lokal, einer geht direkt auf den Politiker zu und schießt ihm in den Nacken. Juan Mari Jauregui ist auf der Stelle tot.
Die spanische Regisseurin Iciar Bollain rollt in "Maixabel – eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung" in dramatischer Verdichtung das Attentat der baskischen Separatistenorganisation ETA auf den sozialistischen Politiker in der baskischen Stadt Tolosa im Jahr 2000 auf. Ein Terrorakt, der große Bestürzung auslöste: Setzte sich Jauregui doch für den Dialog mit den Separatisten ein.
Elf Jahre später sitzen die Attentäter noch immer im Gefängnis, während Jaureguis Witwe Maixabel Lasa zur Direktorin eines von der baskischen Regionalregierung eingerichteten Büros für die Opfer des ETA-Terrorismus geworden ist. Mit immer noch schwerem Herzen, aber ohne Bitterkeit sucht Maixabel das Gespräch. Mit anderen Angehörigen von Terroropfern, mit staatlichen Behörden und mit den Tätern. Trotz aller Widerstände auch in ihrer eigenen Familie setzt sie auf den Dialog. Versucht, die Motive, die Menschen zum Töten bewegen, zu ergründen.
Ein Weg, der Mut erfordert. Gegen den Wunsch der Tochter vereinbart Maixabel ein Treffen mit einem der Terroristen im Hochsicherheitstrakt. Betreut von einer Mediatorin, sitzen einander Opfer und Täter gegenüber. „Monströs“ sei das gewesen, was er getan hat, zumal er das Opfer gar nicht gekannt habe, bekennt Luis. Sie antwortet: „Juan war mein Leben – und das meiner Tochter.“ Ein Gänsehautmoment.
Auch Ibon, den zweiten Attentäter, wird Maixabel treffen. Er wird sich bei ihr entschuldigen und ihr inneren Frieden wiedergeben.
Über die Kraft der Vergebung und vor allem über die Kraft, diese aufzubringen, erzählt dieses – angesichts eines in Europa tobenden Krieges – plötzlich ganz aktuelle Drama. Dass es nur ein gutes Zusammenleben geben kann, wenn Menschen ihren Hass überwinden. Dass Hassgefühle nur abgebaut werden können, wenn man sich trifft, miteinander redet, wenn man einander zuhört.
Die ETA gab im Mai 2018 übrigens ihre Selbstauflösung bekannt. Seither gab es keine Attentate mehr.
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