Filmkritik zu "Doctor Strange in the Multiverse of Madness": Universum der Gruftis

Benedict Cumberbatch irrt durch Parallelwelten in Sam Raimis unterhaltsamen, psychedelischen Horror-Comic-Trip

Wenn Sam Raimi Regie führt, ist Horror nicht weit. Tatsächlich hat Kevin Feige, Chef der Marvel-Studios angekündigt, mit „Doctor Strange and the Multiverse of Madness“ erstmals das Horror-Fach zu belegen. Zu diesem Zweck erwies sich „Tanz der Teufel“-Regisseur und Comic-Fan Raimi, der bereits drei „Spider-Man“-Filme auf seiner Tanzkarte verzeichnen kann, als treffliche Wahl. Selbst inmitten des üblichen Marvel-Getöses, randvoll mit explodierenden Spezialeffekten im dichten Handlungsdschungel, lässt sich doch so etwas wie eine persönliche Handschrift erkennen – und sei es auch nur Raimis lakonischer Humor (was der trocken-britischen Art von Benedict Cumberbatch sehr entgegenkommt.)

Bereits das erste Monster, das durch die New Yorker Straßenschluchten tobt und wild mit Fahrzeugen um sich schmeißt, ist originell – und ein Hingucker im wahrsten Sinn des Wortes: Es besteht aus einem riesigen Augapfel mit Octopus-Armen und macht Jagd auf eine Teenagerin namens America Chavez.

Doctor Stephen Strange lungert gerade melancholisch auf der Hochzeit seiner Ex-Liebe Dr. Christine Palmer herum, als der Augapfel um die Ecke rollt. Flugs wirft Strange seinen roten Flugmantel über und wirft sich superheldenhaft ins Geschehen.

Stellt sich heraus, dass es nicht nur ein Universum gibt, sondern viele. Sie drohen zu kollabieren und die Gegenwart zu zerstören. Schon fliegt die Brooklyn Bridge durch die Luft. Und weil die junge America Chavez die einzigartige Fähigkeit besitzt, zwischen den Parallelwelten hin- und her wechseln zu können, wird sie von einer bösen Macht verfolgt.

Spoileralarm

Die Repräsentanten von Disney lassen keine Gelegenheit aus, um die Medienvertreter und -vertreterinnen zu beschwören, bloß nichts von der heiligen Handlung zu spoilern. Wer also völlig ahnungslos ins verrückte Multiversum eintauchen möchte, hört hier besser auf zu lesen.

Xochitl Gomez, Benedict Wong und Benedict Cumberbatch in "Doctor Strange and the Multiverse of Madness"

©Courtesy of Marvel Studios/Disney

Allen anderen sei so viel verraten, als dass Benedict Cumberbatch alias Doctor Strange das zweifelhafte Vergnügen erlebt, in den verschiedenen Universen auf Varianten seiner selbst zu treffen – und nicht immer zu seinem Vorteil („Ich trage Pferdeschwanz?!?“).

Sein Sturz durch die Welten gestaltet sich als psychedelischer Rausch zwischen Grusel und Comic-Strip. Mit seinem Freund Wong setzt Strange alles daran, die junge America – übrigens Tochter zweier Mütter, was zum Bann des Films in mehreren Golfstaaten geführt hat – vor dem Verderben zu bewahren.

Jedes Universum im Multiversum sieht anders aus und funktioniert nach eigenen Regeln. In einer blütenreichen Variante von New York etwa tragen alle Menschen Hüte und gehen bei Rot über die Straße. Pizzas werden als kleine Bälle serviert.

Elizabeth Olsen als Wanda Maximoff alias Scarlet Witch

©Courtesy of Marvel Studios/Disney

Sam Raimi wird nicht müde, das blockbuster-müde Auge mit einfallsreichen, oft surrealen Details zu überraschen. In einer Kaffeetasse rauscht das Meer; Musiknoten tanzen zu den Bläsern von Danny Elfmans nervösem Score durch den Raum, und verwandeln sich plötzlich in gefährliche Projektile. Zum Finale hin entfesselt Raimi schließlich eine großartig schaurige Zombiewelt, als würde er düstere Dämonen aus alten Gemälden reißen. Vielleicht hat er aber auch nur an seinen Horror-Schocker „Drag Me To Hell“ gedacht. Benedict Cumberbatch sah jedenfalls schon mal besser aus als halb verfault im Universum der Gruftis.

INFO: USA 2022. 126 Min. Von Sam Raimi. Mit Benedict Cumberbatch, Elizabeth Olsen.

Reisen durch Parallelwelten: "Doctor Strange and the Multiverse of Madness"

©Jay Maidment/Disney
Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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