Film "Meine Stunden mit Leo": Emma Thompson bekommt Sex-Nachhilfe im Hotel

Thompson spielt mit Witz und Würde eine 63-jährige Pensionistin mit Orgasmusproblemen.

Die Stunden mit Leo sind teuer. Für eine pensionierte Lehrerin wie Nancy Stokes ist jede Minute mit dem schönen Callboy kostbar. Am liebsten möchte sie mit ihm schnell zur Sache kommen, nicht viel dabei reden und dann gesenkten Hauptes das Hotelzimmer verlassen.

Aber so schnell geht es dann doch nicht. Leo stellt seiner Kundin Fragen, Nancy verhaspelt sich in ihren Antworten. Bevor er ihr noch einen Blusenknopf öffnen kann, möchte sie den Termin am liebsten schon wieder absagen. Ältere Frau mit viel jüngerem Mann, der noch dazu bezahlt wird – es ist ihr einfach alles zu peinlich!

Wenn jemand mit Witz und Würde eine 63-jährige Pensionistin mit Orgasmusproblemen spielen kann, dann die britische Schauspielerin Emma Thompson. Gekonnt siedelt sie die Sex-Misere ihrer Figur wortreich zwischen Komik und Resignation an. Das streckenweise etwas überpointierte Drehbuch stammt von der britischen Comedian Katy Brand, Regie führte die Australierin Sophie Hyde. Die gesamte Handlung vollzieht sich fast ausschließlich in einem Londoner Hotelzimmer und verstärkt den Eindruck eines theaterhaften, wenngleich weitgehend mitreißenden Zwei-Personen-Stücks.

Bei den Proben zu den Dreharbeiten hätten sie sich alle – die Schauspieler und die Regisseurin – nackt ausgezogen und den eigenen Körper erkundet, erzählte Thompson in Interviews. „Body Positivity“, also die Akzeptanz des eigenen Körpers, egal ob er als „dick“, „dünn“ oder „alt“ empfunden wird, steht im Mittelpunkt der geschwätzigen Sex-Komödie. Der Akt selbst wird nur andeutungsweise gezeigt, aber Nancy lernt im Zuge dessen, sich ihrem nackten Spiegelbild zu stellen.

Sexheiliger

Die patente Thompson und der hübsche Daryl McCormack ergeben ein temperamentvolles Screwball-Paar mit dynamischem Geschlechterverhältnis: Nancys gestörte Beziehung zum eigenen Körper wird ebenso zum (nervenden) Dauerthema wie die unbefriedigenden Ehejahre mit dem verstorbenen Mann oder die verkommene Moral ihrer ehemaligen Schülerinnen.

Bereits beim zweiten Treffen zieht sie eine Liste an sexuellen Stellungen und Handlungen aus der Tasche, die sie alle möglichst flott mit Leo „durcharbeiten“ möchte, Blowjob inbegriffen.

©Filmladen

Auch die Sexarbeit selbst macht Nancy zum Brennpunkt der Diskussion: Fühlt sich Leo ausgebeutet? Ekelt ihm vor den Kunden und Kundinnen? Weiß seine Mutter von dem Job?

In dem Bestreben, alle Themen rund um Sexarbeit möglichst von allen Seiten zu beleuchten, wird Leo zu einer Art Sexheiligen stilisiert. Mit Engelsgeduld hört er sich die Tiraden seiner Klientin an und beteuert, wie gerne er anderen Menschen gegen Geld Vergnügen bereitet – Alter egal. In seiner Darstellung bekommt Prostitution so etwas wie Wellness-Charakter mit therapeutischer Wirkung. Für Nancy Stokes jedenfalls sind seine Bemühungen sehr ... befriedigend.

©Filmladen
Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

Kommentare