Pétanque Summerstage Wien

Das Trendspiel Pétanque ist auch in Österreich ein großer Wurf

Beim Pétanque müssen Kugeln zum Schweinchen. Das Boule-Spiel gefällt auch in Österreich immer mehr Menschen. Die Vereine freuen sich über Interessierte. Nur Boccia sollten diese nie dazu sagen

Bei diesem Satz von neugierigen Vorbeikommenden rollen bei gestandenen Pétanque-Spielern nicht nur die Kugeln, sondern auch die Augen: „Schau, die spielen Boccia.“ Da rückt jemand aus, um die Fehldiagnose richtigzustellen.

„Boccia ist ganz anders als Pétanque. Die Boccia-Kugeln sind aus Holz, größer und es wird auf Sand gespielt“, klärt Birgit Pedevilla Auer auf. Wiewohl der Begriff Boule für beide richtig wäre, denn das meint auf Französisch nur Kugel. Pedevilla Auer ist die Vizepräsidentin des Wiener Pétanque Verbands. Gemeinsam mit anderen Boulisten kommt sie zur Wiener Summerstage (andere Plätze siehe Infokasten unten), um den Präzisionssport auszuüben, bei dem ständig ein „Klick-Klack“ ertönt.

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In Südfrankreich gehören Pensionisten, gerne mit Baskenmütze auf dem Kopf und Metallkugeln in der Hand, zum Ortsbild. Dort sprechen sie die Aktivität als Petank – mit Betonung auf k – aus. Passenderweise klingt am Donaukanal gerade Gilbert Bécauds rauchige Stimme aus einer Box eines nahen Lokals.

Die Spielteilnehmer losen auf der Summerstage die Zusammensetzung der Teams aus.

©Kurier/Juerg Christandl

Auch in Österreich wird Boule ständig beliebter – und das nicht nur bei älteren Männern. Wohl weil man es beinahe auf jedem Gelände spielen kann. „Überall dort, wo eine Kugel rollt, etwa auf Schotter, auf einem Feldweg, im Park“, sagt H. Peter Friedl, der Präsident des Wiener Pétanque-Verbands.

Halle unter Fußball-Tribüne

Selbst in zentrumsfernen Parks holen Menschen die Kugeln aus ihren alten Socken hervor und polieren sie vor dem Einsatz mit einem Tuch. Rund 200 Menschen sind bei den fünf Vereinen in Wien gemeldet. Die Dunkelziffer der nicht Gemeldeten dürfte weit höher liegen. In Kürze entsteht unter der blauen Tribüne des Wiener Sport-Club-Platzes eine überdachte Trainingsmöglichkeit für den Winter. „Das ist historisch“, sagt Friedl.

Die Führung des Wiener Pétanque Verbandes beim Debattieren: H. Peter Friedl und Birgit Pedevilla Auer

©Kurier/Juerg Christandl

Dazu sind Materialeinsatz und Regelwerk überschaubar. Was es braucht, sind Metallkugeln und eine Sau. So nennen die Deutschen die kleine Zielkugel, der die metallenen möglichst nahekommen sollen. In Wien hält man sich an Originalbegriffe. „Ich habe verboten, dass die so heißt“, sagt die Pariserin Valérie Avedikian, die Anfang der Neunziger den ersten Verband Österreichs gegründet hat, damit ihr Partner an internationalen Wettkämpfen teilnehmen konnte. Auf Französisch heißt die Kugel „Cochonnet“, das Schweinchen.

Eine Frage der Technik

Diese wird sechs bis zehn Meter ausgeworfen. Gewertet wird jene Kugel einer Mannschaft, die näher am Schweinchen liegt, als die beste der anderen Mannschaft. Wer zuerst 13 Punkte hat, gewinnt. Beim Tête-à-tête geht es eins gegen eins, bei der Doublette und Triplette dürfen mehr ran.

Die Metallkugeln müssen möglichst nahe zum Cochonnet, dem Schweinchen

©Kurier/Juerg Christandl

Wie die 13 Punkte zustande kommen, ist eine eigene Philosophie. Legen, rollen oder schießen, das ist hier die Frage. Schon bei Asterix’ „Tour de France“ halten Männer vor einer Taverne die verfolgenden Römer mit der Debatte über die ideale Technik auf. Wer legt, will möglichst nahe zur Cochonnet. Wer schießt, will die gegnerische Kugel beseitigen. Mitunter fliegen die Kugeln bis zu sechs Meter hoch. „Du kannst aber auch rollen, das hat aber den Nachteil, dass sich die Kugel am Untergrund verspringt“, gibt Friedl zu bedenken.

Sophia Yahyai und die metallenen Pétanque-Spielkugeln

©Kurier/Juerg Christandl

Am Donaukanal sieht jeder Wurf elegant aus. Und leicht. Aber das ist es nicht. Egal welche Technik, die Füße bleiben am Boden. Das Heben ist verboten. „Pieds tanqués“ heißt übersetzt geschlossene Füße. Daher der Name des Spiels. „Jahrhundertelang haben Menschen in Südfrankreich das Jeu Provençal gespielt. Dabei nimmt man Anlauf und wirft bis 30 Meter weit“, erklärt Friedl. „Doch ein Spieler hatte Arthritis und konnte nicht mehr. Da hat ein Freund neue Regeln erfunden“, ergänzt Avedikian. Die sozialen Wurzeln zeigen sich heute noch. „Wir wünschen uns ein schönes Spiel“, sagt Friedl. Dazu ist es in Südfrankreich Brauch, dass Gewinner den Verlierern den Pastis zahlen.

Fakten

Pétanque: Der Name des Sports geht auf die Abwurfposition zurück: geschlossene Füße heißt auf Französisch „pieds tanqués“

800 Gramm kann eine metallene Spielkugel wiegen. Mindestgewicht sind 650 Gramm. Der Durchmesser liegt zwischen 70,5 und 80 mm

20 Vereine gibt es in  Österreich mit 600 gemeldeten Spielerinnen und Spielern. In Wien sind  fünf Vereine mit 200 Mitgliedern aktiv

13 Punkte: Wer die zuerst erreicht, gewinnt

3,5 Kilometer legen Spieler pro Turniertag zurück

Spielorte in Wien: Augarten (jeweils Sa und So ab 13 Uhr), Summerstage,  Weghuberpark, Museumsquartier Vorplatz, Jesuitenwiese,  Auer-Welsbach-Park, Kongresspark, Währinger Park,  Donaupark,  Seestadt,  Bartlpark/ Rosenhügel

Infos: boule.at  

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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