Der gebürtige Stuttgarter Aurel Mertz ist Stand-up-Comedian, Moderator und eine kritische Stimme.

Aurel Mertz: "Erstmal über die Sache lachen"

Der junge deutsche Comedian präsentiert kommenden Sonntag im Wiener Stadtsaal sein neues Programm. Ein Gespräch über Humor-Unterschiede, Hysterie, Wolf Haas und Frank Elstner.

Die deutsche Band Rammstein ist derzeit in aller Munde. Aber nicht, weil sie so tolle Songs schreiben oder so gefühlvolle Texte („Bück dich!, befehl' ich dir!“), sondern weil einige Frauen gegen deren Frontmann Till Lindemann schwere Vorwürfe erhoben haben. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung, aber für Aurel Mertz sieht Till Lindemann so aus wie jemand, „der nach Bifi riecht. Na ja. Verdächtig“, sagte der Komiker unlängst auf der Bühne im Rahmen seiner „Flawless“-Tour, die den gebürtigen Stuttgarter am 18. Juni auch in den Wiener Stadtsaal bringen wird.

An diesem Abend will er „von Pferden über Probleme bis Privates alles verhandeln, was in diesen letzten Jahren der Menschheitsgeschichte die Adrenalinpumpen angeschmissen hat.“ Dazu zählt auch die Plattform Twitter, auf der der 34-Jährige sehr aktiv ist.

Wie viel Zeit nehmen Twitter und Co. täglich in Anspruch? Und wie gehen Sie mit Hasspostings um?

Aurel Mertz: Tatsächlich nimmt das nicht wirklich extra viel Zeit in Anspruch, denn ich setze mich sowieso täglich mit dem medialen und gesellschaftlichen Geschehen in der Welt auseinander. Meine Gedanken dazu in 160 Zeichen zusammenzuschreiben, ist wirklich kein großer Zeitaufwand. Der Ton auf Twitter ist schon immer etwas aufgeheizt und leider auch unterwandert von vielen Accounts, deren scheinbar einziger Auftrag es ist, Menschen zu beleidigen. Grundsätzlich empfinde ich das für mich persönlich aber nicht als besonders dramatisch, da die positiven Nachrichten auf den sozialen Netzwerken für mich überwiegen und ich mein Selbstwertgefühl definitiv nicht an den Nachrichten von Menschen festmache, die Zeit investieren, um Hass zu verbreiten.

Ziehen Sie aus der Social-Media-Welt auch Ideen für Ihre Programme?

Definitiv ist das auf Social Media abgebildete gesellschaftliche Geschehen immer eine schöne Inspiration für Comedy. Ob live auf der Bühne, Twitter oder Podcast – der Social-Media-Diskurs ist spannend und lässt sich immer gut verarbeiten.

Lassen sich ernsthafte Themen besser an den Mann, die Frau bringen, wenn sie mit Humor verpackt sind?

Ich denke ja. Wir werden ja dauerhaft mit Negativem konfrontiert. So ist nun mal die Realität. Wenn man den Leuten jetzt gleich noch einen unterhaltsamen, humorigen Twist dazu serviert, fällt es vielen Menschen einfacher, die Themen anzunehmen und zu verarbeiten.

Besteht mit dem Drüberlachen nicht auch die Gefahr der Verharmlosung, der Verwässerung von wirklich wichtigen Angelegenheiten?

Das kann bestimmt passieren, aber grundsätzlich sehen wir uns aktuell doch so vielen Krisen ausgesetzt, die in irgendeiner Form auch unseren Alltag betreffen, dass wir uns ihnen sowieso nicht entziehen können. Also warum nicht erstmal über die Sache lachen, dem Thema die erste Angst nehmen und sich dann intensiver damit auseinandersetzen.

Im Internet herrscht schnell einmal Hysterie. Jeder gegen jeden, jeder hat Recht, niemand will mehr diskutieren und miteinander reden. Klingt gefährlich, oder?

Das ist absolut gefährlich. Tatsächlich nimmt die Bereitschaft zu vernünftigem Diskurs ab, und das Interesse der Leute, sich zu verstehen, auch. Dabei wäre es doch absolut erstrebenswert, wenn man sich als Gesellschaft zumindest auf Gleichberechtigung für alle einigen könnte, aber die Angst, selbst etwas weggenommen zu bekommen, ist groß. Die letzten Jahre waren einfach für die gesamte Gesellschaft ermüdend und jetzt liegen die Nerven blank.

Sie haben in Wien Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Wie war die Zeit in Wien? Sind die Wiener wirklich solche Grantler und Ungustln, wie es immer wieder heißt?

Ich habe die Zeit in Wien sehr genossen. Für mich war es eine Zeit des Erwachsenwerdens, des von zu Hause Ausziehens, des Stehens auf eigenen Beinen. Wien ist eine wunderschöne Stadt, die trotzdem noch bezahlbare Wohnungen bietet. Die Wienerinnen und Wiener sind dann toll, wenn man sie kennenlernen darf. Soll heißen: Wenn man erstmal die harte Schale geknackt hat, wird es lustig.

Sie waren auf der Moderatorenschule von Frank Elstner. Wie kann man sich das vorstellen? Und was haben Sie von diesem Moderationsurgestein gelernt?

Das war eine sehr absurde Zeit. Dort wurde mir sechs Monate von Frank Elstner und anderen Prominenten erklärt, wie toll ihr Leben ist und wie man die Hände beim Moderieren hält. Danach war ich so verwirrt, dass ich Comedian wurde. Aber Frank Elstner kennenzulernen, war schon cool: Er ist ein wahnsinnig kreativer Mensch, der seinen Ideen immer freien Lauf lässt. Da findet sich unter 20 blödsinnigen Ideen dann eben auch mal ein Diamant, und ich denke, darum geht es auch beim Kreativsein.

Passt man als deutscher Comedian für seine Auftritte in Österreich das Programm an, oder spielt das bei den Überlegungen keine Rolle ?

Da das meine Österreich-Premiere wird, kann ich das nicht beurteilen. Ich liebe den österreichischen Humor, vor allem humorige Krimis wie die von Wolf Haas – meinen Humor dem jetzt aber anzupassen, wäre wahrscheinlich etwas ambitioniert. Ich denke, das österreichische Publikum und ich kommen auch so gut zurecht – und ein bisschen Verständnis vom Land habe ich ja im Rahmen meines Studiums in Wien mitgenommen.

Zur Person: Aurel Mertz ist Comedian,  Moderator, Podcaster und Schauspieler. Geboren in Stuttgart, wurde er 2013 von Frank Elstner (Erfinder von „Wetten, dass..?“) entdeckt und absolvierte dessen Masterclass. Der 34-Jährige arbeitet derzeit u. a. für Sender wie ProSieben und ZDF und steht als Comedian auf der Bühne. In  sozialen Medien sorgt er mit seinem oftmals politischen und sozialkritischen Diskurs immer wieder für Gesprächsstoff. Am 18. Juni (19.30) wird Aurel Mertz in Wien (Stadtsaal) sein Programm „Flawless“ präsentieren.
 

Marco Weise

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