Akustikökologe Gordon Hempton „Die Stille schenkt uns Antworten“

Gordon Hempton hat über Jahrzehnte mit seinem Mikro die Naturgeräusche der Erde eingefangen. Lärmfreie Zonen, die gefährdet sind – dabei ist Ruhe für die Menschen wichtiger denn je.

Stille ist für den Akustikökologen Gordon Hempton keine Frage von Dezibel. Für ihn kann ein Ort ruhig auch einmal richtig laut sein – vorausgesetzt, dieser „Lärm“ ist nicht von Menschen gemacht. Im Gespräch mit der freizeit erzählt er, was diese Ruhe für jeden Einzelnen von uns bedeutet und wie er sie schützen möchte.

Mister Hempton, was bedeutet Stille für Sie persönlich?

Gordon Hempton: Nun, ich war gerade selbst aufgefordert, tief in meine Stille einzutauchen, aufgrund einer sehr schwierigen familiären Situation. Immer dann, wenn es darum geht, klar zu denken und das Richtige zu tun, hilft es, in einem ersten Schritt ganz ruhig zu werden. Um eine Stufe der Stille zu erreichen, und sie mit anderen zu teilen. Ich praktiziere Stille anders als ich es noch vor fünf, zehn Jahren tat. Damals ging es vor allem um Forschung und Erkenntnisse zur Ruhe in der Natur. Heute weiß ich aber auch, wie ich meine eigene Batterie mit Hilfe von Stille aufladen kann. 

Finden Sie  die Stille, die Sie brauchen?

Ich lebe mit meiner Frau mittlerweile in Seattle, abseits der Wildnis. Bin daher in einer ähnlichen Situation wie so viele andere Menschen  auf diesem Planeten,  in einer Stadt ohne unmittelbaren Zugang zu einer ruhigen Umgebung. Dennoch versuche ich, Stille zu finden. Da helfen mir  viele Erinnerungen und Erlebnisse draußen in der Natur, und was ich fühlte, als ich diese Orte der Stille erleben durfte. Diese Geräusche stehen für bestimmte, tiefe Gefühle, sich an sie zu erinnern, hilft mir oft. Die Stille gibt immer die richtigen Antworten, weil sich der Mensch dabei selbst näher kommt. 

Ein unersetzbarer Wert?

Ja, auf jeden Fall. Stellen Sie sich vor, Sie sind draußen in der Natur,  die Sonne geht auf. Lauschen  Sie bewusst  den entferntesten und den nächsten Geräuschen. Die Bandbreite dessen, was Sie da alles wahrnehmen könnten, wäre groß – viele, viele Kilometer, in jede Richtung. Doch in Großstädten wie Wien oder eben Seattle wird das immer schwieriger, denn hier erleben wir die Lärmverschmutzung unserer Zeit, verursacht durch Autos, Jets, Züge. Das macht uns konfus und belastet.  Selbst der bekannte Flieger Charles Lindbergh sagte einst: „Wenn ich die Wahl hätte,  zwischen dem Geräusch von Vögeln und dem Geräusch von Flugzeugen, ich würde immer die Vögel wählen.“ Das fasst es zusammen. 

Flugzeuglärm ist bekanntlich die Nummer eins in Sachen Lärmverschmutzung. Sie setzen sich dafür ein, natürliche Plätze davor zu schützen.

Eine Landschaft purer Stille: die Makgadikgadi-Salzpfannen im Kalaharibecken, des Nordostens Botswanas 

©Getty Images/iStockphoto/2630ben/iStockphoto

Ja, deshalb habe ich  vor drei Jahren „Quiet Parks International“ gegründet – unter anderem, um zu erreichen, dass es an bestimmten Plätzen der Welt „No Flight Areas“ gibt – also Orte, die nicht von Flugzeugen überquert werden dürfen. 

Es gibt solche Plätze in den USA, in Frankreich, in Großbritannien, Belgien, Spanien. Könnte sich auch Österreich dafür qualifizieren?

Das Land liegt im Herzen Europas, mit vielen Flugrouten – es wird schwierig, sich da als „Wilderness Quiet Park“ zu qualifizieren. Aber Wien als Stadt hätte sehr gute Chancen, sich als „Urban Quiet Park“ zu etablieren. Ein guter Grund für mich, Österreich wieder einmal zu besuchen. 

Stille liegt mehr denn je im Trend, auch beim Reisen. Warum ist das so?

Das hat vor allem mit der Pandemie zu tun, die  unsere Bedürfnisse stark verändert hat. In Südafrika wurde erhoben, welche Schlüsselfaktoren zu einer Erholung der Reisebranche nach Covid führen würde. Das war interessant. Es wurden vier Faktoren identifiziert, einer davon ist die wachsende Sehnsucht nach natürlicher Stille. Die Menschen wollen reisen, um der Natur zuzuhören und das Universum zu sehen. Um ihren Platz darin zu finden und sich mit etwas Größerem verbunden zu fühlen. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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