Warum heißt es "Katzentisch" und weshalb mag dort niemand sitzen?

Besonders beliebt bei Hochzeiten und anderen Festivitäten. Was die Kirche damit zu tun hat.

Es soll ja – junge – Menschen geben, die gar nicht mehr wissen, was das eigentlich bedeutet: Katzentisch. Kommt ja auch ziemlich random daher, liegt obviously schon länger zurück, dass der Begriff getrendet hat, und ein bissl cringe ist er schon. Dinieren an dem Tisch die Samtpfoten des Hauses? Mit Messer und Gabel vielleicht, bei Kerzenschein und Mozart-Sonaten?

Nun, nicht ganz. Gemeint ist etwas anderes. Zuallererst ist da die Standortbestimmung. Der Katzentisch liegt nämlich vor allem eines: abseits. 

Er ist so etwas wie der unbeliebte Abkömmling der Haupttafel. An der nehmen die Hauptdarsteller und Häuptlinge Platz, die Mover and Shaker. In der Hierarchie stehen sie ganz oben. Dann gibt es ein paar Nebentische, und dann gibt es noch den Katzentisch: Hier werden jene zusammengesetzt, mit denen man nichts so recht anzufangen wusste. 

Vom Haupttisch liegt der Katzentisch schön abgelegen, vielleicht wenn man Glück hat, noch in Sichtweite. Bei Hochzeiten zeugt er vom entfernten Verwandtschaftsgrad zum Brautpaar oder vom Grad der Verachtung für einen. In Lokalen sitzt man neben der Toilettentür, beim Fenster, wo’s zieht, oder sonst wie ungünstig gelegen. Bei Feiern mit allgemeinem Anlass sitzt man anderen zum Beispiel am Weg zum Buffet, nun ja: im Weg.

Ungezogene Mönche

Man reißt sich also nicht drum, am Katzentisch zu sitzen, und so sollte das ursprünglich auch sein. Wie viele schöne Wörter, die allmählich verschwinden, stammt auch dieses aus dem Wienerischen, genauer gesagt aus dem Klosterleben. Im 17. Jahrhundert fungierte der Katzentisch als Bestrafung für schlimme Mönche: Sie mussten dann, abgelegen vom gemeinsamen Tisch, ihr Mahl am Boden kauernd zu sich nehmen – oft in Gesellschaft der Klosterkatzen, wie das Werk "Alt-Wienerisch" von Mauriz Schuster weiß.

Das muss nicht immer schlecht sein. Erst einmal im Kreis der per Sitzplan Gedemütigten aufgenommen, feiert es sich erst recht völlig ungeniert. Was soll einen davon abhalten? Die Drohung, noch mehr in Ungnade zu fallen? Zusammengewürfelt mit anderen Parias ergibt sich vielleicht ein unerwartet lustiger Abend – vergnügter sogar als am Haupttisch.

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schrieb für 110%, das Sport- und Lifestyle-Magazin von Die Presse. Seit 2020 Redakteur der KURIER Freizeit mit Reportagen, Kolumnen, Texten zu Kultur, Gesellschaft, Stil, Reise und mehr. Hunderte Interviews, von Beyoncé und Quentin Tarantino über Woody Allen und Hugh Grant bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio sowie in der deutschsprachigen Kulturszene. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Liebt Kino, Literatur und Haselnusseis.

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