Auf Besuch in Wiens erstem Fledermausquartier

Seit April gibt es die erste Versorgunsstation für Fledermäuse. Hier werden Tiere versorgt, aufgezogen und gesund gepflegt.

„Linkes Tier fliegt schon super. Tier ohne Markierung bemüht sich, braucht aber noch“, steht auf einem Zettel neben dem Käfig geschrieben. Alles will gelernt sein: Auch fliegen – selbst dann, wenn man eine Fledermaus ist.

Mitte April eröffnete das Wildtierservice der Stadt Wien das erste Quartier speziell für Fledermäuse. Hier werden Jungtiere aufgezogen, verletzte Tiere therapiert und jene Fledermäuse aufgenommen, die etwa aufgrund von Renovierungsarbeiten oder Baumfällungen obdachlos wurden. Sobald sie ihr Idealgewicht haben und fit fürs Fliegen sind, werden sie ausgewildert. (Kontaktinformationen zum Wildtierservice finden Sie unten)

Immerhin 28 verschiedene Fledermausarten gibt es in Österreich, in Wien hat man bisher 22 Arten gezählt. Lange waren sie übel beleumundet; als Blutsauger, potenzielle Corona-Überträger oder zumindest als etwas gruselige Geschöpfe, die sich in den Haaren verfangen. Dabei sind sie ungefährlich und sogar nützlich: Die in Österreich heimischen Fledermäuse ernähren sich ausschließlich von Insekten – auch von den Quälgeistern namens Gelsen.

Anspruchsvolle Gäste

Bei der Betreuung gilt es aber einiges zu beachten: Sie brauchen Ruhe, das richtige Futter, eine bestimmte Temperatur. In den Käfigen im Fledermausquartier stehen Schälchen mit Wasser und Würmern bereit, Tücher bieten Raum zum Verstecken. Derzeit wohnen hier Zwergfledermäuse, Alpenfledermäuse, Weißrandfledermäuse, Graue Langohren und Große Abendsegler.

„Sie haben alle einen eigenen Charakter“, erzählt Tierpflegerin Lisa Holzapfel. „Manche sind ruhiger, andere aktiver. Einige fangen bei den Würmern immer von vorne zu fressen an, andere von hinten.“

Tierpflegerin Lisa Holzapfel beim Füttern einer Fledermaus

©Kurier/Juerg Christandl

Ihr derzeitiger Liebling? Das sei eine Langohrfledermaus, sagt sie, und deutet auf ein dunkelbraunes Fellknäuel, das sich an ein grünes Tuch kuschelt. „Er ist normalerweise sehr frech und aktiv.“ Denn beim nachmittäglichen Lokalaugenschein schlafen die Tiere – ihr Tag beginnt erst, wenn es Nacht wird.

"Hätten Winter nicht überlebt"

Im Schnitt sind die Tiere 14 Tage hier: „Diejenigen, die wir aktuell betreuen, hätten den Winter nicht überlebt“, erklärt Günther Annerl, Leiter des Wildtierservices. „Die meisten wurden bei Fassadenreparaturen oder anderen Bauarbeiten gefunden.“

Günther Annerl, der Leiter des Wildtierservices, zeigt einige Käfige in der Station in Laxenburg

©Kurier/Juerg Christandl

Es gibt auch einen Raum, in dem die idealen Bedingungen für einen Winterschlaf simuliert werden, der in der Natur von November bis April dauert. Hier wohnen nur noch ein paar Weißrandfledermäuse, die nun langsam aufgeweckt werden.

Dafür werden ab Juni vermehrt Jungtiere zu betreuen sein, denn das ist die Zeit, in der Fledermäuse Nachwuchs bekommen.

Die Flügel bestehen aus Flughaut und sehr langen Fingern

©Kurier/Juerg Christandl

Sind die Tiere kräftig genug, dürfen sie in die 30 Quadratmeter große Flugvoliere: ein Raum, der vollständig mit Holz ausgekleidet ist, in dem sich die Tiere nicht verletzen können.

Die Voliere ist eigentlich ein vollständig mit Holz ausgekleideter Raum

©Kurier/Juerg Christandl

Das Flugtraining beginnt zur Fledermaus-freundlichen Zeit um 22 Uhr: Wer es schafft, mehrere Tage hintereinander fünf bis sechs Minuten am Stück zu fliegen, darf wieder in die Wildnis. Jedenfalls muss die Flugmuskulatur kräftig genug sein. Der Grad der Fitness ist leicht erkennbar: „Wenn sie müde sind, hängen sie sich an die Decke. Dann können wir sie herunterpflücken und in die Käfige zurückbringen“, erzählt Holzapfel.

Jedem das Seine: Fledermäuse mögen Würmer und Maden

©Kurier/Juerg Christandl

Wie viele Fledermäuse es insgesamt in Wien gibt, könne man nicht seriös beziffern, sagt Annerl. Bis zu 700 Tiere können im Fledermausquartier jedenfalls pro Jahr versorgt werden – bei Bedarf könne man aufstocken. Damit Abendsegler, Langohr und Co. auch künftig gesund durch die Nacht flattern.

Was tun, wenn man eine verletzte Fledermaus findet?

Wildtierservice Wien: Hier werden grundsätzlich alle in Not  geratenen Wildtiere betreut – ob Fuchs, Ente, Taube oder Biber. Aber eben auch Fledermäuse. Wer ein verletztes Tier findet oder Fragen hat, erreicht das Wildtierservice von 7.30 bis 22 Uhr:  01/4000 49090.

 

Fledermausquartier: Seit April gibt es diese spezielle Betreuungsstation nur für Fledermäuse. Sie befindet sich in Laxenburg in Niederösterreich, südlich von Wien. 

 

22 Fledermausarten gibt es in Wien, 28 in ganz Österreich. Die größte in der Stadt lebende Art ist der Große Abendsegler mit einer Spannweite von  rund 15 bis 20 Zentimetern.
 

 

Johanna Kreid

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