Huhn in der Blase: Poularde aux Vessie von Max Stiegl
Der Haubenkoch kocht auf Gut Purbach aus alte Rezepte und neue Delikatessen. Hier sein Rezept für Huhn in der Blase.
Überblick
3 Stunden
schwer
Max Stiegl
Hier geht's nicht um die Zutaten (obwohl die Qualität da natürlich stimmen muss), sondern um die Technik. Auf Gut Purbach lässt Max Stiegl alte Kochtechniken wieder aufleben.
Wollten Sie immer schon einmal ein Huhn mit Gänseleber und Trüffeln zu stopfen und es dann in einer Schweinsblase stundenlang sanft zu garen? Haben Sie sich dann aber doch dagegen entschieden, weil einfach zu viel Arbeit? Kein Problem, Ihnen kann geholfen werden. Max Stiegl erledigt das für Sie diesen Herbst im Gut Purbach im Burgenland . Der Hauben- und einstige Michelin-Stern-Koch hat "Poularde en Vessie" auf die Karte gesetzt, wie das Gericht im Original heißt.
Das Rezept geht auf einen der größten Köche aller Zeiten (wortwörtlich und im übertragenen Sinn) Köche zurück: Fernand Point, fast zwei Meter groß und mit einem Bauch, der den Spitznamen "Magnum" trug, gilt als Vater der Nouvelle Cuisine und war der Lehrer von Paul Bocuse, Francois Bise oder Jean und Pierre Troisgrois. Er entwickelte die Technik des in der Blase Garens wohl in den 1930er Jahren in seinem legendären Restaurant Le Pyramide in Vienne, wo es heute noch auf der Karte steht - und von wo es auch seinen Weg nach Purbach fand. Christophe Dechaux Blanc, Sous-Chef im Gut Purbach, lernte im Le Pyramide sein Handwerk und garte dort zahlreiche der berühmten Bresse Hühner in Blasen. Er zeigte Stiegl die Technik und ist nun auch für das burgenländische "Poulard aux Vessie" zuständig.
Wer es bestellt, erregt unweigerlich Aufsehen im Gastraum: Die aufgeblasene Blase wird dampfend und prall an den Tisch gebracht (hier brandet gelegentlich Applaus an den Nebentischen im Gastraum auf) und vor den Gästen aufgestochen. Ein Schwall trüffeliger Hühnersuppe spritzt heraus, es duftet nach Pilz und Huhn und Gänseleber. Der Vogel wird am Tisch zerlegt, sein Süppchen und die Füllung muss noch kurz zurück in die Küche und wird dort mit Obers zu einer sämigen Foie Gras Sauce passiert und reduziert. Schließlich kommt alles gemeinsam mit vergleichsweise puristischem Eierschwammerl-Risotto auf den Tisch.
Der Kritiker mag hier "altbacken", "dekadent", "effekthascherisch" oder "zu fett" schreien. Wenn er einen Bissen kostet, muss aber selbst der größte Nörgler zugeben: das schmeckt ganz umwerfend gut. Die Sauce ist so geil und köstlich, dass selbst ein fades Teilstück wie Hühnerbrust in ihr gebadet zum dekadenten Genuss wird. Das ganze Huhn ist dank zarter Schmortechnik und Luftabschluss herrlich saftig und geschmacksintensiv. Und die teuren Zutaten erweisen dem Huhn einen Grad an Respekt und garantieren eine Sorgfalt in seiner Zubereitung, die für es selten geworden sind. War das Geflügel noch bis in die 1960er Jahre wegen der aufwendigen Haltung und Verarbeitung viel teurer als Rind oder Fleisch, wurde es dank industrialisierter Haltung seither zu einem meist grausigen Billig-Produkt degradiert.
Der Prozess beginnt mit der Schweinsblase: die wird erst gründlichst gewaschen und dann mehrmals aufgeblasen und gedehnt. Das Huhn wird mit reichlich schwarzen Trüffelscheiben gespickt, die Trüffel-Abschnitte kommen zusammen mit einer ordentlichen Portion Foie Gras in den Bauchraum des Tieres. Die Blase wird aufgeschnitten und das Huhn wie in einen Sack hinein gepackt. Dann kommt je ein ordentlicher Schuss Cognac, Weißwein und eine Hühnersuppe dazu. Auch eine weitere Trüffel nachzuwerfen schadet nicht.
Die Blase wird mit Küchengarn verzurrt und in Wasserbad gelegt - weil sie luftdicht ist und sich die Luft in ihr dank der Hitze ausdehnt, geht sie auf wie ein Luftballon und schwimmt. Die nächsten eineinhalb, zwei Stunden gart das Hendl in ihrem Inneren ganz sanft bei etwa 70 Grad in seinen eigenen und all den anderen guten Säften und Dämpfen. Dabei ist Vorsicht geboten: Um Risse in der Blase zu vermeiden, muss sie immer wieder sanft mit der Garflüssigkeit begossen werden. Und wird das Wasserbad zu heiß, platzt die Blase, und all die Mühe war umsonst.
"Sicher, du könnest das Hendl auch in ein Vakuumsackerl packen und im Kombidämpfer garen", sagt Gut Purbach Chef Stiegl. "Das Schöne an dem Huhn in der Blase ist für mich aber die handwerkliche Herausforderung und dieses Festhalten an Traditionen. Wenn du nach Frankreich fährst, dann siehst du diese alten traditionellen Gerichte noch oft auf der Karte. Bei uns gibt es diese Wertschätzung für Klassiker nicht. Welches Gericht der feinen Küche aus den 1930ern ist denn noch erhalten, außer vielleicht dem Wiener Schnitzel?"