Figging: Von Ingwer beim Sex und anderen kuriosen Trends
Dauernd wird eine neue Sau durchs Netz getrieben – und als „angesagt“ verkauft. Wie aktuell „Figging“, mit Ingwer als Sextoy.
Unlängst, in der Gemüseabteilung des nahen Supermarkts: Zwei Frauen wollen Ingwer kaufen, eine davon bin ich. Aber, oje, keiner da. Die Nachfrage bei dem netten Herrn, der gerade Schlagoberspackerln ins Milchregal schlichtet: Jo leider, der is gerade aus, morgen wieder! Aja. Ich bringe das selbstverständlich mit dem erhöhten Ingwer-Bedarf an kühlen Tagen in Zusammenhang und einem allfälligen Ingwer-Globalisierungs-Lieferproblem. Auch ich tu mir, wie so viele andere in der kühleren Jahreszeit, regelmäßig Ingwer in heißes Wasser – weil er mich innerlich wärmt. Und weil der Ayurvedaexperte meines Vertrauens meinte, das sei gut für mich, die Dame mit den kalten Füßen. Einige Tage später blättere ich im Internetz und lese das da: „Figging. Der neue, heiße Trend: Sex mit Ingwer.“ Ich erfahre, dass es dabei um eine Form des „Befeuerns“ geht und die Sexualpraktik eine Spielart aus dem BDSM-Bereich ist. Ein Spiel mit Lust und Schmerz also, den der scharfe Ingwer auslöst. Weil, klar: Wenn so ein geschältes Knöllchen auf genitale Schleimhaut trifft, pritzelt’s ziemlich. So weit so schön – aber Trend? Naja, dazu später.
Irgendwie blöd, weil ich mich seither bei jeder Person, die Ingwer in den Einkaufskorb tut, frage, ob sie das gute Stück abends in irgendwen schieben oder ob sie es doch nur, fein gehackt, im Wok anbraten wird.
Im Wok oder im Bett?
Mein Hirn tendiert in solchen Fällen zum mehr oder weniger ausführlichen Kopf-Kino. In diesem Fall sah ich im Geiste in der Sekunde ein sexuell dramatisch engagiertes Paar vor mir, das sich gegenseitig handgeschnitzte und geschälte Ingwer-Plugs irgendwo reinschiebt. Und schon geht die Post im Gemüse-Fach ab. Man schwitzt, man stöhnt und ist von der tollen Knolle seltsam berührt. So wäre es dann auch logisch, dass sie ihm für den nächsten Einkauf im Supermarkt nicht nur Butter, Brot und Käse auf die Liste schreibt, sondern ein wichtiges P.S.: „Und, Schatz, den Ingwer nicht vergessen – extraviel, zwinkerzwinker*.“ Irgendwie blöd, weil ich mich seither bei jeder Person, die Ingwer in den Einkaufskorb tut, frage, ob sie das gute Stück abends in irgendwen schieben oder ob sie es doch nur, fein gehackt, im Wok anbraten wird.
An dieser Stelle daher eine kurze Betrachtung des Medienphänomens „Sex-Trend“. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht daran, dass die „Bums mit Ingwer“-Spielart wie eine gigantische Erotik-Modewelle unaufhaltsam und mächtig durch die heimischen Schlafzimmer rollt. Vielmehr vermute ich, dass da irgendwo ein Mensch in einer Online-Redaktion saß, und sich sein Hirn zermarterte, mit welcher Story er endlich einmal „Mitarbeiter des Monats“ werden könnte. Vermutlich ist diese Person auf einen Wikipedia-Eintrag zum Thema gestoßen und war sich sicher: Wow, da geht was! Weil er das da las: In kleiner Dosis und einmal aufgetragen, wirkt Ingwersaft in den meisten Fällen orgasmusfördernd. „Na dann!“, wird er sich wohl gedacht haben, um nun daraus mutig einen neuen „Sex-Trend“ zu kreieren. Zumal DIY tatsächlich angesagt ist: Warum teures Zeugs kaufen, wenn man sich sein S/M-Toy im Do-it-yourself-Verfahren selbst schnitzen kann? Aber hallo! Umso mehr muss an dieser Stelle Folgendes gesagt werden: Sorge dich nicht, wenn du noch nie Lust verspürt hast, mit Ingwer zu experimentieren oder noch nie auf die Idee gekommen bist, eine Chilischote ins Vorspiel einzubauen. Es ist total okay, wenn weder Gurken, Bananen oder Karotten in deiner sexuellen Biografie eine Rolle spielten und du deinen Pudding lieber nach dem Hauptgang vom Löffel schleckst, statt liegend zwischen den Beinen der Liebsten. Wie bei so vielen Dingen im Leben gilt auch beim Sex: Tu immer nur das, was du tun willst und nicht, was andere sagen, dass du – Achtung, Trend! – tun sollst.
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Nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer sind gefordert, professionell mit dem Thema Sexualität umzugehen. Es geht auch in der Schule immer wieder um Fragen von Nähe und Distanz, Körpernormen, Intimität, Begehren und Beziehung. Dazu steht nun der neue Band „Sexualität, Körperlichkeit und Intimität“ (M. Thuswald, E. Sattler) zum kostenlosen Download zur Verfügung: transcript-verlag.de
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