Was unser Schlafzimmer über den Sex verrät

Tapete, Bettzeug, Kuscheltier: Zeig mir, wie dein Schlafgemach ausschaut, und ich sage, wie es um die Lust steht.

So ein Schlafzimmer kann ziemlich ernüchtern. Stellen Sie sich vor, Sie lernen eine Frau kennen und fühlen so ein Prickeln. Die Fantasie springt an – alles paletti: das Timbre ihrer Stimme, ihr Duft, das Aussehen, die Art, wie sie sich bewegt. Volltreffer. Jetzt ist es nicht mehr weit Richtung Spannleintuch. Bald stellt sich die Frage aller Fragen: Zu mir? Oder zu dir? Sie entscheiden: Zu ihr!

Mag sein, dass die erste Erregung so manches übermalt – aber nicht diese Tapete in ihrem Schlafzimmer. Ein Relikt aus den 1968er-Jahren, selbstverständlich gibt es dazu eine rührende Geschichte. Man hätte die Wohnung von den Eltern geerbt, hier schlummerten einst Mama und Papa, von vielem hätte man sich getrennt, aber die Tapete, hm …, die ist immer noch schön, oder? Ebenso wie der lahme Philodendron und dieser Heimtrainer, der seit langer Zeit nur mehr als Zwischenstation für gehäkelte, bi-ba-bunte Decken dient. Und sonst? Zu viel Zeugs – von Nippes aus der Nachkriegszeit bis zur Muschelsammlung aus Caorle. Ein guter Moment, um die Dame an der Hand zu nehmen, um auf dem Esstisch zu vögeln. Sollte sich aus diesem Tête-à-Tête allerdings etwas Dauerhaftes entwickeln, müsste man über die Schlafzimmereinrichtung und damit verknüpfte Gewohnheiten diskutieren. Schlafzimmer sind Orte der großen und kleinen Gefühle – und der großen und kleinen Erinnerungen. Da geht’s nicht nur um Sex: Hier lag man mit Grippe, hier wurde geweint, gelesen, geträumt, gestritten und gezeugt. Ganz schön bedeutungsschwer. Umso mehr gehört dieser Raum gestaltet – im Sinne der Gemeinsamkeit, aber auch der Einsamkeit, sprich: Individualität. Weil Geschmäcker verschieden sind und jeder Mensch seine eigene Art von Höhle braucht, um sich wohl und geborgen zu fühlen.

Und sonst? Wenn der Ort namens Schlafzimmer beziehungsfördernd sein soll, gehört der Krempel weg. Das gestochen scharfe S/W-Foto von der Schwiegermutter genauso wie der alte Stich vom Peppi-Onkel. Der Raum sollte vor allem die Beziehung symbolisieren – und deshalb gemeinsam, im Konsens, mit Liebe, gestaltet werden.

Blumig versus Dunkelblau

Sie mag blumige Bettwäsche, er findet sattes Dunkelblau ideal. Sie will weich liegen, er steht auf Brettspiele. Er liest im Bett, sie kuschelt lieber. Sie schnarcht, er auch – und so wecken sie sich gegenseitig auf. Und da wäre noch die Sache mit der Temperatur – er steht auf den Eiskasten-Effekt, sie sehnt sich nach einem Heizkörper zum Schmusen und trägt Socken im Bett. Keine idealen Voraussetzungen für Nonstop-Erotik – aber Hauptsache, die Romantik-Fototapete mit Sonnenuntergang pickt immer noch fest an der Wand. Da stellt sich die Frage, ob es auf Dauer überhaupt sinnvoll ist, sein Bett immerzu und ohne Ausweichmanöver zu teilen.

„Wer jede Nacht im Doppelbett schläft, darf sich fragen, ob dies der Liebe und dem Sex wirklich zuträglich ist“, schreibt der bekannte Buchautor Robert Betz. Er hält diesen symbolträchtigen Ort der Zweisamkeit für einen veritablen Liebestöter, weil man jede Nacht im „Energiefeld“ des Partners verbringt und deshalb nie zu sich selbst kommen kann. Allen, denen es an Räumlichkeiten fehlt, rät er zumindest zu Betten, die man auseinanderrollen kann. Interessant, aber Geschmackssache. Und sonst? Wenn der Ort namens Schlafzimmer beziehungsfördernd sein soll, gehört der Krempel weg. Das gestochen scharfe S/W-Foto von der Schwiegermutter genauso wie der alte Stich vom Peppi-Onkel. Der Raum sollte vor allem die Beziehung symbolisieren – und deshalb gemeinsam, im Konsens, mit Liebe, gestaltet werden. Damit jeder hat, was er braucht, um gut zu schlummern und sich sinnlich zu fühlen. Schnelle Erotik-Maquillage hilft da nicht – die schwül-rote Wand, die puffige Satin-Bettwäsche, Moschus-Raumduft … nein. Vielmehr sollte der Raum persönliche Schlafzimmer-Geschichten erzählen – von Sex und Intimität. Und Umarmungen aus 1001 Nacht.

Sommer & Sex

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Kurses der Wiener Sexualberaterin Nicole Siller. Zeit für die weibliche Lust, um zu erfahren, wie man sich liebe- und lustvoll mit sich selbst befasst und die eigene Erotik entfaltet. Es geht um Glaubenssätze, die Erkundung sinnlicher Bedürfnisse und „50 Shades of Entspannung“. Alle Termine und Infos: lebendich.at

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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