Schlechter Ruf, und trotzdem reizvoll: Ja zur Missionarsstellung

Eine Sex-Position, die als bieder gilt. Doch genauer betrachtet hat die Idee, von Angesicht zu Angesicht zu vögeln, Vorteile.

Fad. Oma-Opa-Stellung. Blümchen-/Vanilla-Sex. Einfallslos und gewöhnlich. „Ventro-ventrale Kopulation“ in der Fachsprache. Etwas für jene, die sich für das Stellungsringelspiel des Kamasutra nicht fit genug fühlen. Der Ruf der „Missionarsstellung“ ist bescheiden. In der Freundesrunde zu erzählen, man fände diese Sexposition richtig gut, kommt so rüber, als stünde man auf Schlager von Conny und Peter statt auf Songs von Beyoncé.

Zu Unrecht! Denn diese, wie viele meinen, konservative Sexposition hat auch viele Vorteile (vielleicht ist sie deshalb so beliebt, auch wenn das meist keiner zugeben mag?). Insbesondere für die Frau, wie nun eine neue Studie, die im Journal Sexologies unlängst erschienen ist, zeigt: Demnach ist der gute alte „Missionar“ eine jener Stellungen, die heterosexuelle Frauen am ehesten zum Orgasmus bringt, neben, zum Beispiel, der Reiterstellung. Warum das so ist? Das hat vor allem mit der Klitoris zu tun, die in manchen Stellungen vernachlässigt wird, wie etwa beim „Doggy-Style“ (sie kniet, er vögelt sie von hinten). Wie die Wissenschaftler zu ihren Erkenntnissen kamen? Erstens durch Befragung, zweitens durch Messungen. Es wurden vor und nach dem Sex Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, um die Durchblutung der Klitoris zu analysieren. Und dabei zeigte sich, dass das Konzept „Mann oben/Frau unten“ am besten funktioniert, weil es dabei am ehesten zu Reibungen und zur Stimulation der Klitoris kommt. Klingt nett. Eine Imagekorrektur. Wissenswertes am Rande: Ein deutscher Verhaltensbiologe hat vor Jahren Flachlandgorillas bei der Paarung beobachtet. Ein Pärchen namens Leah und George verkehrte von Angesicht zu Angesicht, also in der Missionarsstellung, was in der Tierwelt selten ist. Wobei auch Untersuchungen an Afrikanischen Striemen-Grasmäusen zeigten, dass diese Art des Geschlechtsverkehrs sogar bei Nagern vorkommen kann.

Der Ruf der „Missionarsstellung“ ist bescheiden. In der Freundesrunde zu erzählen, man fände diese Sexposition richtig gut, kommt so rüber, als stünde man auf Schlager von Conny und Peter statt auf Songs von Beyoncé.

Konservatives Kopulieren

Zurück zum Homo sapiens, dem diese Form „konservativen Kopulierens“ besonders im Fall von Kreuzproblemen ans Herz zu legen wäre, vorausgesetzt die Frau tut sich ein flaches Kissen unter das Becken. Laut Rückenexperten kann sich das so fein anfühlen, dass die Damen ihre Schmerzen vergessen. Für rückenmarode Männer hingegen ist’s vor allem dann empfehlenswert, wenn das Kreuz beim Dehnen oder Wölben des Rückens Probleme bereitet. Spannend ist außerdem, dass sich Paare dabei in die Augen schauen können, was tiefe Intimität erzeugt. Bei „vis a fronte“ (im Gegensatz zu a tergo/von hinten) ist alles möglich: schmusen, heftig küssen, ineinander versinken, hauchen, flüstern, knabbern. Sogar Plauderpausen wären eine entspannte Option.

Außerdem haben Frauen die Möglichkeit zu „spielen“, um die Erregung zu intensivieren. Zum Beispiel, indem sie zusätzlich mit dem Becken hin- und herschaukeln. Männer hingegen sollten achtsam bleiben: Ihre Stöße können in dieser Position sehr tief gehen und schmerzen. Es gilt daher, Tempo und Stoßtiefe behutsam zu inszenieren und bewusst zu kontrollieren. Hör’ mal, wer da hämmert – nein! Das Beste an der Missionarsstellung ist aber, dass man sich vom Leistungsgedanken verabschieden kann. Vögeln, einfach so. Ohne die Idee, sich’s mit maximaler Verrenkung zu geben, um nachher behaupten zu können: Geil, wieder 500 Kalorien verbraucht. Stattdessen: dem anderen zuschauen, genießen, Spaß haben. Seid umschlungen! Wer’s schärfer mag, kann ja herumspielen und variieren. Denn mit ein paar innovativen Ideen wird auch aus dem „Missionar“ ein kleiner, frecher Abenteurer.

Inspiriert.

Das Kamasutra gilt als Klassiker der erotischen Literatur, der nun in moderner Form   zu neuen Experimenten animiert. Im neuen Buch „Kamasutra für jeden Tag“ finden sich Stellungen wie  „Pfauenschweif“ oder „Tigerkralle“, um 365 Tage jeweils eine neue Sex-Position auszuprobieren. Ein sinnlicher Leitfaden  mit  350 farbigen Illustrationen sowie erotischen Tipps und Tricks zu jeder Stellung. 12,95 €, DK Verlag

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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