Sex in der Freizeit

Meine Damen, da geht was: Warum es für guten Sex nie zu spät ist

Emma Thompson spielt in „Meine Stunden mit Leo“ eine pensionierte Lehrerin, die sich mit einem Callboy auf die Suche nach ihrer Lust macht.

Sie: „Also ich habe eine Liste mit Dingen, die ich gerne abarbeiten würde.“ Er: „Ich denke, wir kommen ein gutes Stück voran.“ Sie: „Gut, das ist gut. Gut.“ Er: „Willst du mit dem Blowjob anfangen?“

So lautet der Dialog zwischen einer älteren Dame und einem jungen Mann im neuen Film „Meine Stunden mit Leo“. Er wird in Österreich zwar erst am 2. September in den Kinos zu sehen sein, steht aber schon jetzt im Fokus. Kein Wunder: Erstens spielt darin die hinreißende Emma Thompson, zweitens geht es um Sex, Intimität und die späte Lust einer Frau, die Mut hat, endlich einmal etwas zu erleben und sich dafür erstmals über ihre persönlichen Grenzen wagt.

Die Handlung: Die pensionierte und verwitwete Lehrerin Nancy Stokes (gespielt von Thompson) hatte in ihrer durchaus soliden, aber langweiligen Ehe nie einen Orgasmus und auch niemals einen anderen Mann. Nun gönnt sie sich eine Nacht mit dem 28-jährigen Callboy Leo Grande (Darsteller: Daryl McCormack) – in einem anonymen Hotelzimmer, außerhalb der Stadt. Weil sie Sehnsucht spürt: nach Nähe, tollem Sex, nach Abenteuer. Aber wie es so ist im Film, kommt alles ein bisschen anders. Callboy Leo überrascht mit Witz, Interesse und Empathie, sie beginnt ihn zu mögen – und er, Überraschung! – sie. Was dann passiert, sehen wir dann in den Kinos im September.

Denn auch im 21. Jahrhundert ist es für viele Frauen (vor allem jenseits der 40) keineswegs selbstverständlich, über ihre Lust zu sprechen und schon gar nicht, sie zu priorisieren.

"Lüstern, sündig, gefährlich"

Das alles klingt zunächst nach einer locker-flockigen Komödie, näher betrachtet, werden wichtige Themen berührt. Sexarbeit, zum Beispiel, die im Film eher als „Sexualcoaching“ daherkommt. Vor allem aber die Lust der Frauen. „Weiß jemand, ob Frauen mittleren Alters sexuelle Befriedigung oder Vergnügen empfinden, oder interessiert sich jemand dafür?“, fragt Emma Thompson in einem Artikel zum Film, den sie für die englische Vogue geschrieben hat. Tatsächlich zweifelt sie daran, ob „die Freuden der Frauen, egal, ob jung oder alt, ganz oben auf der To-do-Liste stehen“. Was sie da formuliert, ist wichtig: Denn auch im 21. Jahrhundert ist es für viele Frauen (vor allem jenseits der 40) keineswegs selbstverständlich, über ihre Lust zu sprechen und schon gar nicht, sie zu priorisieren. Weil sich viele vormachen, es sei nicht (mehr) wichtig genug. Thompson geht in dem Text noch weiter: „Warum fällt es so schwer, über Sex zu sprechen? Weil er ein Tabu ist, weil uns beigebracht wurde, dass er schmutzig oder unanständig oder unter unserer Würde ist, erniedrigend, tierisch, lüstern, sündig, gefährlich – und jenseits der Grenzen der anständigen Normalität.“

Aus meiner Sicht fällt es Frauen immer noch schwer, herauszufinden, was sie wollen und für einen Orgasmus brauchen. Und noch mehr, es zu formulieren. Weil sie ihrem Bettpartner nicht das Gefühl vermitteln wollen, er mache was falsch. Viel eher geht’s darum, zu „gefallen“, im Sinne einer antrainierten Gefälligkeit. Wir funktionieren reibungslos, nur keine Troubles! Frauen sind gut im Bett, weil sie sich das so verordnen – egal, ob es sich für sie gut anfühlt. Umso wichtiger finde ich die Botschaft dieses Films – im Sinne einer Selbstverantwortung und Ermutigung. Nämlich, dass auch jenseits der Ära jugendlicher Knackigkeit Sehnsüchte existieren, dass Begehren gelebt und erlebt werden darf. Exzessiv sogar! Dafür müssen Frauen etwas tun. Sich zuhören, dem Herzen, dem Bauch, den Sinnen, dem Körper. Respekt – für das weite Land der sexuellen Wünsche und, noch einmal, ganz besonders, für die Lust. Damit können wir Frauen gar nicht früh genug anfangen, und dafür ist es auch niemals zu spät.

Anschauen!

„Love me Kosher“ heißt eine neue Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, die sich vom 22. Juni bis 13. November mit Liebe und Sexualität im Judentum befasst. Von der Betrachtung der Liebe und Sexualität in Tora und Talmud über jüdische Hochzeitsrituale und Wien als ehemaliges Zentrum der Sexualwissenschaft bis zur „Dr. Ruth“ Westheimer, der weltberühmten Sexualtherapeutin. Info: jmw.at

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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