Erst daten, dann schmusen: Warum der erste Kuss alles entscheidet

"It started with a Kiss", heißt ein Song von "Hot Chocolate". Ja: Der erste Kuss hat's ganz schön in sich, in jeder Hinsicht.

Der Typ sah richtig gut aus – er war witzig und klug. Nach dem vierten Date dann der erste Kuss. Große Enttäuschung. Denn der hielt nicht, was der Rest des Mannes versprach. Er küsste hart, er küsste schmal, er küsste, als müsste er einen Abdruck seiner Lippen auf dem „Walk of Fame“ im Asphalt hinterlassen. An diesem Punkt endete die kurze Romanze wieder.

Aber lässt sich vom ersten Kuss tatsächlich auf die erotischen Qualitäten eines Menschen schließen? Der Philosoph Platon war überzeugt, dass sich mit einem Kuss die Seele auf die Lippen verlagert, um aus dem Körper zu gelangen. Ein schönes Bild, das im besten Fall zu einer Art Vereinigung führt und dem Gefühl, man könne sich in einem anderen Menschen küssend verlieren.

Tatsächlich sagen Lippenbekenntnisse mehr aus als man vermuten würde. Je nachdem, wie man’s gerne hat (ja, auch beim Küssen gibt es individuelle Vorstellungen und Wünsche, von hart bis zart), wirkt diese erste Annäherung vielfältig. Und das ist auch eine Sache der „Chemie“. In dem Moment, in dem ein Mensch den anderen intensiv küsst, wird eine Kaskade an neuronalen Botenstoffen ausgelöst, die zahlreiche Informationen vermitteln. Berührungsempfindungen ebenso wie „Spannung“. Und von den 12 bis 13 Hirnnerven, die mit der Gehirntätigkeit in Zusammenhang stehen, sind beim Küssen immerhin fünf aktiv. Dazu kommen Informationen über Geschmack, Geruch, Temperatur und die physikalische Qualität des Lippenbekenntnisses. Im Gehirn wird das alles zu einem großen Ganzen zusammengefügt – zumal die Lippen auf unserer sensorischen Landkarte des Empfindens einen besonders großen Raum einnehmen, was vor allem mit den unzähligen Nervenendigungen zu tun hat, die in den Lippen zu finden sind. Zudem ist die Haut der Lippen hauchdünn, und daher so empfänglich-empfindlich.

Wer küsst, wird geflutet – von Stoffen wie Dopamin, Oxytocin, Serotonin und Adrenalin. Deshalb will man mehr davon (Dopamin), fühlt sich dem anderen ganz nah (Oxytocin) und ist seltsam berauscht-zufrieden (Serotonin). Dazu kommt dieser gewisse Kick (Adrenalin). Eine sehr große Rolle spielt der Geruch – die so genannten „olfaktorischen Informationen“. Wenn die nicht passen, geht gar nix, denn in diesem komplexen Schnupperprozess wird auf unbewusster Ebene klar, ob zwei Menschen tatsächlich zusammenpassen. Im besten Fall wird mehr daraus – im Zuge eines guten Kusses steigert sich die Erregung ins Unermessliche: mehr von dir! Alles wird richtig gut durchblutet, Penis, Klitoris, Vaginalwände und auch die Schamlippen. 

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Doch auch die reine Kuss-Haptik mag entscheidend sein, ob man jemanden attraktiv findet oder nicht. Diversen psychologischen Erhebungen nach, kann ein erster Kuss tatsächlich ausschlaggebend sein, ob man einen Menschen überhaupt noch attraktiv findet. Küsse haben also das Zeug zum Game-Changer. Wenn sich’s nicht gut anfühlt, ist der Zauber perdu. Im Jahr 2007 hat der Psychologe Gordon G. Gallup von der State University of New York im Rahmen einer Studie an 180 Probanden herausgefunden, was ein Kuss bewirken kann. Mehr als die Hälfte der befragten Männer und knapp zwei Drittel der Frauen gaben an, dass sie sich nach einem Kuss nicht mehr von dem potenziellen Partner angezogen fühlten und sie ihn nicht mehr attraktiv fanden. Was dazu führt, ist meist unklar. Es könnten zu "steif" empfunden Lippen sein, eine Geruchsverwirrung ebenso wie das Gefühl, da rührt jemand völlig orientierungslos wie ein Propeller mit der Zunge in der Mundhöhle eines anderen herum. So betrachtet, ist ein Kuss ein veritabler Partner-Tauglichkeitstest.

Kuss-Rezept

Doch wie geht’s richtig? Beziehungsweise gibt es ein „richtig“ überhaupt? Dazu findet sich in dem amüsanten Buch „KussKuss. Wirklich alles über den Kuss“ (Sanssouci) ein anschauliches „Rezept“:

Zutaten:

Bereitwillige Lippen, ehrliche Absichten (aus vollem Herzen), das Wissen um süße Nichtigkeiten, das Flüstern mit verhaltenem Atem, ein Feuerwerk von Seufzern.

Methode:

„Der Erfolg dieses Rezepts beruht auf der peinlich genauen Zusammenstellung der Zutaten; das zweitbeste ist nicht gut genug. Wenn alle Elemente zusammengetragen wurden, folgt der einfachste Vorgang – das bloße Zusammentreffen der Lippen, das köstliche Gefühl, wenn Ihre Lippen in einem Augenblick der Glückseligkeit auf die des anderen treffen. Ein vollkommener Kuss sollte alle Sinne reizen; sein berauschender Duft die Zunge erfreuen, die Lippen kitzeln, den Körper zum Klingen bringen und ein Gefühl der Ekstase erschaffen.“

Eh ganz einfach. Möge die Übung gelingen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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