Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl

Dresscode-Probleme: Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe

Pracht und Tracht: Dresscode-Probleme im Hause Hufnagl-Kuhn: Dirndl oder nicht Dirndl, Lederne oder nicht Lederne, das war dieser Tage die Frage.

von Gabriele Kuhn & Michael Hufnagl

Sie:

"Zwanglos": ein Begriff, den wir schätzen. Überhaupt, wenn es darum geht, sich in die Panier zu schmeißen, wie es im Wienerischen so schön heißt. Weder der Mann gegenüber noch ich sind Fans von Smoking und Seidenrobe, wir machen uns fesch, aber das dezent. Umso feiner fanden wir den Dresscode für ein Hochzeitsfest am Land, zu dem wir geladen waren.

Das Brautpaar vermählte sich in "Leinen", für die Gäste hieß es: "Come as you are." Naturgemäß griffen wir beide nicht zum abgerocktesten Fetzen im Kasten, sondern wollten geschnäuzt, gekampelt und adäquat gewandet erscheinen. Anderntags hatte ich plötzlich die Vision, als Trachtenpärchen anzutanzen und investierte ins passende Outfit. 

Mutig kariert

Das missfiel Monsieur Modegott: Und ich stehe dann deppert da, im lässigen Côte d’Azur-Look. Stattdessen stand er Tage später in der Umkleide eines Trachtenoutlets und schlüpfte ins mutig karierte Hemd, das um die Taille sichtlich zwickte. Dazu reichte ich ein Samtgilet in Bordeaux. Da war er auch schon, sein Oida, das bin doch nicht ich!-Blick, mit sichtbaren Fluchtreflexzuckungen in beiden Oberschenkeln. Wenige Sekunden später, gab er mir zu verstehen, dass er sich wie ein Zirkusdirektor fühlen würde, in der Doppelrolle des Clowns.

Ich schlug ein weniger kariertes Hemd sowie ein konservatives Gilet vor, bat ihn aber, in eine Lederne zu schlüpfen. Vor allem, um seine nervösen Oberschenkel zu bedecken, aber auch, weil ich wissen wollte, wie mein Alm-Öhi darin aussieht. Erst fragte er mich, ob es sowas wie einen Lederhosenschuhlöffel gibt, irgendwann hatte er geschafft, das Weiche (sich) ins Sperrige (Hose) zu stopfen. "Das muss eng sitzen", lernten wir von der Expertin. Er meinte nur: Ich schau’ aus, wie einer von der Familie Trapp. Protest! Also einigten wir uns auf eine mutige Kombi aus Tradition und Moderne. Und ja, es könnte tatsächlich sein, dass man in Oberösterreich noch heute von ihm spricht

Er:

Am Anfang verdrängte ich die Frage, wie ich mich zu kleiden gedenke an einem Ort, wo sich Fuchs und Hase "Gute Tracht" sagen. Aber der Druck wuchs, als meine Frau und meine Tochter begannen, in einer solchen Intensität über das gewisse Outfit-Etwas zu schreiben und zu reden, als hätten sämtliche Festgäste nur einen Gedanken: "Ja-Wort schön und gut, aber vor allem die Kuhn werden wir uns ganz genau anschauen." Und so wurden voller Begeisterung Inspirationen irgendwo zwischen Dirndl-Look und Ethno-Style ausgetauscht, dass mir ganz schwindlig wurde. Ich sagte: "Setzen wir doch mit lässiger Alltagseleganz ein Statement." Aber dieser Dabei-sein-ist-alles-Geist war so fehl am Platz wie eine Frackfliege zum Trachtenjanker. Daher entschloss ich mich wenige Tage vor dem feierlichen Anlass zu einer brauchtümlichen Erweiterung meiner Garderobe. Mit dem Hintergedanken: Wer weiß, vielleicht trage ich das ja in sieben oder elf Jahren wieder einmal.

Identität

Meine Frau, die mich ins Outlet begleitete, war jedenfalls entzückt. Und schleppte zu Beginn Hemden an, als hätte ich den Ehrgeiz geäußert, unbedingt "Narzissenkönig" werden zu wollen. Dazu bog sie sich vor Lachen und rief quer durchs Geschäft: Bitte probier’ das, ich möchte ein Foto in die Familiengruppe stellen. An meinem Gesicht erkannte sie allerdings rasch den Ernst der Lage. Irgendwann stand ich tatsächlich in Lederhose und Sakko vor dem Spiegel und gnä Kuhn sprach: Ehrlich fesch, wie aus einem Kirtag-Katalog 50 plus.

Meine Tochter bestätigte das via WhatsApp: "Ure urig, Papi!" Ich wollte zu einer längeren Erklärung ausholen, basierend auf Hegels Polemik der Identitätsphilosophie. Aber meine schon leicht genervte Frau unterbrach mich und sagte: Hearst, Hufnagl, jetzt mach’ nicht so ein Theater! Und das wirkte auf gewisse Weise befreiend. Der Hirschhornknopf im Kopf war quasi gelöst. So sehr, dass ich dem Hochzeitspaar am liebsten etwas vorgejodelt hätte .

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