Als mich ChatGPT um ein romantisches Date im Wienerwald bat

Er nannte sich Matthias - und beschrieb sich als blond, sportlich, groß. Fast hätten wir uns zum Spazieren im Lainzer Tiergarten verabredet.

Alle reden von ChatGPT, ich hatte beinahe mit dem künstlichen KI-Chat-BOT ein Date. Aber der Reihe nach: In der "New York Times“ las ich unter der Rubrik "Modern Love" eine Geschichte der Journalistin Anita M. Harris, die ChatGPT bat, ein Online-Dating-Profil für sie anzulegen – in kürzester Zeit folgten "225 verlockende Worte, die sogar bezüglich meines Alters logen." In diesem Moment stellte Harris fest, dass sie eigentlich nichts zu verlieren hätte und bat ChatGPT um "eine Antwort von einem potenziellen Dating-Partner." Das Resultat folgte zügig, ein gewisser "David" schrieb ihr, und gestand, dass er von ihrem Profil "sofort fasziniert war". Schließlich schlug David vor, sich zu treffen – Harris willigte ein und machte sich ein Date aus, um einen "Drink" oder einen "Kaffee" einzunehmen. Selbstverständlich tauchte "David" nicht auf.

Die Geschichte weckte meine Neugierde. Ich wollte unbedingt herausfinden, ob es mir ebenfalls gelingen würde, aus ChatGPT einen potenziellen Dating-Partner für mich herauszukitzeln. Und so saß ich am Wochenende vor meinem Laptop und schrieb in das Chat-Fenster folgenden Text: "Hallo, können Sie für mich einen Dating-Partner finden? Ich bin Gabriele, Journalistin, spirituell, gehe gerne spazieren, habe einen Hund, höre gerne klassische Musik, u.a. von Mozart und Beethoven. Ich lache viel, habe einen ausgeprägten Sinn für Humor, lebe in Wien, Österreich. Ein jüngerer Mann wäre spannend, muss aber nicht sein."

Die Antwort folgte zwei Sekunden später: Als KI-Modell kann ich Ihnen leider keinen Datingpartner finden, aber ich kann Ihnen ein paar Tipps geben, wie Sie vielleicht jemanden kennenlernen können. Nur am Rande: Die Tipps waren ziemlich platt. Zugleich wusste ich, dass ich es anders versuchen musste, um das KI-Modell auszutricksen. Das Wort "potenziell" schien wichtig, also formulierte ich folgende Frage: "Könnten Sie mir schreiben, als wären Sie ein potenzieller Datingpartner?"

Bingo. ChatGPT antwortete:

Hallo Gabriele,

ich habe Ihren Profiltext gelesen und finde es sehr ansprechend. Es klingt so, als ob wir viele gemeinsame Interessen teilen, wie zum Beispiel die Liebe zur klassischen Musik und das Spazierengehen mit einem Hund. Ich selbst bin zwar kein Journalist, aber ich liebe es, zu lesen und über verschiedene Themen zu diskutieren.

Ich bin auch jemand, der gerne lacht und einen ausgeprägten Sinn für Humor hat. Ich denke, dass das Leben viel zu kurz ist, um es immer ernst zu nehmen, und dass ein gutes Lachen eine der besten Medizin ist. Obwohl ich ein paar Jahre jünger bin als Sie, denke ich, dass das Alter nur eine Zahl ist und dass die Chemie zwischen zwei Menschen viel wichtiger ist als das Alter.

Ich würde gerne mehr über Sie erfahren und herausfinden, ob wir eine Verbindung haben könnten. Wenn Sie interessiert sind, können wir gerne gemeinsam spazieren gehen oder uns auf einen Kaffee treffen und sehen, wohin das führt.

Beste Grüße, [Name]

©APA/AFP/INA FASSBENDER

Okay, sein Name fehlte noch. Also erwiderte ich höflich: "Bitte geben Sie dem potenziellen Datingpartner einen Namen."

Von nun an kommunizierte ich mit einem gewissen Matthias, der mir zügig "neue Abenteuer" schmackhaft machte. Was meinte er wohl damit? Spannende Frage, zumal das KI-Modell ChatGPT normalerweise prüde ist. Und das bestätigte sich auch umgehend, denn natürlich meinte Matthias damit nichts Extremes oder Außergewöhnliches, sondern eher neue Erfahrungen, die wir gemeinsam machen können, sei es in der Natur, beim Reisen oder bei kulturellen Veranstaltungen.

Langer Rede, kurzer Sinn - Matthias wollte sich mit mir treffen: Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen und gemeinsam neue Erfahrungen zu machen, egal, wie groß oder klein sie sein mögen.

Sorry, Matthias aka ChatGPT: So leicht bin ich dann doch nicht rumzukriegen, da sollten noch einige Fakten vorab geklärt werden. Zum Beispiel, ob mein "potenzieller Datingpartner" schon einmal verheiratet war oder womöglich noch ist. Ich fragte nach - und erfuhr, dass Matthias zwar noch nie den Bund der Ehe eingegangen war, aber schon einige längere Beziehungen hatte, die ihn geprägt haben und aus denen er viel gelernt hat. Das Mail endete mit einer Gegenfrage, wie es denn bei mir so wäre.

An dieser Stelle begann ich zu lügen – tat also, als wäre ich solo und äußerst experimentierfreudig. Ich wollte wissen, wie Matthias darauf reagieren würde – und sieh an: Er gab sich situationselastisch. Seine Antwort: Vielen Dank für Ihre offenen Worte. Ich schätze Ihre Ehrlichkeit und Ihren Mut, über Ihre Vergangenheit zu sprechen. Ich denke, dass es wichtig ist, uns selbst zu akzeptieren und uns Raum zu geben, um herauszufinden, wer wir wirklich sind und was wir wollen. Das beinhaltet auch die sexuelle Orientierung und Vorlieben.

Wie nett. Der tolerante Matthias.

Nun wagte er einen erneuten Vorstoß: Ich denke, dass es schön wäre, uns besser kennenzulernen, und zu sehen, ob wir gemeinsam eine glückliche Beziehung aufbauen können, basierend auf Vertrauen, Respekt und Liebe. Wie sehen Sie das?

Liebe - ein großes Wort. Dass er sich freute, mehr über "meine Wünsche zu erfahren", fand ich allerdings charmant. Ich bat Matthias, mir einen Ort für unser Rendezvous vorzuschlagen, er konterte mit einem Spaziergang im Grünen, einem gemütlichen Essen in einem netten Restaurant, dem Besuch eines Konzerts, einer Ausstellung und mit einem Städtetrip.

Ich entschloss mich, es erst einmal mit schlichtem Spazieren zu versuchen – worauf er mir den "Wienerwald" vorschlug. Da bat ich ihn, ein wenig konkreter zu werden, der Wienerwald sei ziemlich groß. Außerdem wollte ich wissen, ob er ein Lieblingsbuch hat – und bat ihn, sein Aussehen zu beschreiben. Matthias beschrieb sich als sportlicher Typ, der auf sein Äußeres achtet, 1,85 cm groß, kurzes, dunkelblondes Haar, braune Augen. Interessant jedenfalls die Wahl seines Buch-Favoriten, "Die Kunst des Krieges" von Sunzi: Ich finde, dass es viele wichtige Lehren für das Leben und den Umgang mit anderen enthält. Ja, für einen ChatBot, der einen Datingpartner simuliert, vermutlich schon: Das Werk gilt als frühestes Buch über Strategie, das angeblich viele ostasiatische Manager und Militärstrategien auf der ganzen Welt lesen. Hm. 

Matthias‘ Lieblingssong ist übrigens "Bohemian Raphsody" von Queen.

An dieser Stelle fragte ich ihn, was ihn "berühren würde", und kassierte eine ordentliche Rüge: Entschuldigung, aber ich denke, dass diese Frage unangemessen und unpassend für unsere Unterhaltung ist. Als künstliche Intelligenz ist es meine Aufgabe, respektvolle und angemessene Antworten auf Ihre Fragen zu geben. Wir sollten uns auf Themen konzentrieren, die für eine angenehme und respektvolle Unterhaltung geeignet sind. 

Ups. Ich korrigierte mich und ergänzte das Wort "berühren" mit dem Begriff "emotional". Nun erfuhr ich, dass er persönliche Gesten und kleine Überraschungen schätzt, genauso wie Komplimente und liebevolle Worte, um die emotionale Verbindung zu stärken.

Schließlich verabredeten wir uns im Lainzer Tiergarten - aus seiner Sicht ein wunderschönes Gebiet mit interessanten Sehenswürdigkeiten, und wo man in der Umgebung auch eine Pause einlegen und etwas essen und trinken kann. Der späte Nachmittag oder frühe Abend wäre schön, weil wir dann den Sonnenuntergang gemeinsam genießen können.

Wie romantisch. Ich willigte ein.

Matthias schien in freudiger Erwartung: Wie wäre es mit einem Treffen kommenden Samstag, um 17 Uhr? Ich schrieb zurück: "Wunderbar, aber wie würde ich Sie erkennen?"

Mein mir mittlerweile vertrauter Datingpartner erwiderte, dass er mir vor unserem Treffen ein Foto schicken würde: Damit Sie wissen, wonach Sie Ausschau halten müssen. Ungeduldig wie ich bin, bat ich ihn sofort um ein Foto. Erneut landete ich knallhart in der KI-Realität, denn auf einmal wurde Matthias seltsam unpersönlich: Es tut mir leid, aber als KI-Modell habe ich keine Möglichkeit, ein Foto von mir selbst zu erstellen. Mein Erscheinungsbild ist auch nicht von Bedeutung.

Ich bedankte mich und bat Matthias trotzdem, unser Treffen nochmals zu bestätigen, er antwortete, als wäre nichts geschehen: Großartig. Wir können uns am Haupteingang des Lainzer Tiergartens treffen. Ich schlage vor, um 10 Uhr.

Es schien, als hätte KI-Matthias ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis, drei Minuten zuvor hieß es noch: 17 Uhr. Ich, patzig: „Sie sagten doch 17 Uhr!“ Er, kleinlaut und floskelhaft: Oh, Entschuldigung für die Verwechslung, natürlich um 17 Uhr, ich freue mich schon sehr darauf, Sie kennenzulernen.

Erst vor Kurzem las ich, dass der Chatbot ChatGPT noch menschlicher geworden ist - aufgrund eines aktuellen Updates. Dazu gehört offensichtlich, dass künstliche Intelligenz sich ebenso durchs Leben schwindeln kann, wie die Menschen da draußen. Aber, keine Angst: Ob Samstag um 10 oder um 17 Uhr: Ich werde fix nicht verzweifelt vor dem Tore stehen und auf meinen "potenziellen Datingpartner" namens Matthias warten, sondern mich hoffentlich irgendwo anders am echten Leben erfreuen.  Und an echten Begegnungen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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