
Warum teilen manche Mitmenschen so ungern ihr Essen?
Die Pommes Frittes vom Nebentisch locken. Doch nicht jeder ist bereit, sie zu teilen. Eine Psychologin erklärt, warum.
Herrlich schauen sie aus, wie sie der Kellner auf den Tisch stellt. Goldgelb. Frisch. Knusprig. Sofort hingreifen möchte man, auf den Teller, und sich eines dieser Pommes Frittes angeln und herzhaft hineinbeißen. Das einzige Problem ist nur: Der Teller ist nicht unserer. Er wurde unserem Gegenüber X zum Mittagessen als Beilage serviert. Und wenn man eines weiß, dann dieses: Säße Y uns jetzt gegenüber, wäre eine kurze Kostprobe kein Problem. Doch X, diese Person goutiert es gar nicht, ihr Essen mit jemand anderen zu teilen. Finger weg von meinem Teller!
Besitzdenken statt Gemeinschaft
Unser Essverhalten ist komplex, das weiß auch Christina Kotnik, klinische Psychologin aus Kärnten. Sie macht dafür vor allem kulturelle Unterschiede fest und wie wir in puncto Essen erzogen wurden – „und das sind in kollektivistischen Kulturen wie China oder Lateinamerika andere Gepflogenheiten als in unseren Breiten.“
Während anderswo verschiedene Speisen geradewegs in die Mitte des Tisches gestellt werden, sich alle davon nehmen und Teilen die Norm ist, tendieren Österreicher oder Deutsche eher zur Abgrenzung – und die heißt Tellerrand.
Der gemeinschaftliche Gedanke ist geringer ausgeprägt, Autonomie und Selbstbestimmung werden höher eingestuft, ein gewisses Besitzdenken ist geläufiger: meins ist meins. Wird dagegen verstoßen und jemand greift beim Nachbarteller zu, kann das also durchaus als Grenzüberschreitung interpretiert werden, so Kotnik. Als Eindringen in die Privatsphäre, was mit Unbehagen quittiert wird.
Wobei hier gerne hierarchische Unterschiede gemacht werden: Beim Partner oder Verwandten stiehlt man besagtes Pommes Frittes leichtfertiger, beim Firmendinner mit Kollegen hingegen verstößt dasselbe Verhalten gegen die Regeln der Höflichkeit und des Respekts – und auf den Teller des Chefs hinzugreifen würde man sich ungefragt besser ohnehin nie getrauen. Essen zu teilen kann also eine Frage der Hierarchie sein – oder auch der Ressourcen. Wer bei mehreren Geschwistern am Mittagstisch aufpassen musste, wo er bleibt, ist auch später auf seine eigene Portion bedacht. Mahlzeit!
Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.
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