
Ferrari: Schön. Schnell. Laut. Neue Bilder, Storys, Einblicke
Er war kein einfacher Mann, aber einer mit Prinzipien: Enzo Ferrari. Ein neues Buch feiert diese Legende in beeindruckenden Bildern.
"Klein“ war das Wort der Stunde im Nachkriegs-Italien der 40er-Jahre. Sparsam. Und: billig. Das brachte teilweise geniale und heute ikonische Innovationen mit sich.
In Pontedera, mitten in den grünen Hügeln der Toscana, entstand die erste Vespa des Unternehmers Enrico Piaggio, in Mailand folgte Lambretta und am idyllischen Comer See wurde von Moto Guzzi die erste Guzzino gebaut. Während Fiat voll auf den kleinen 500er als Volksauto setzte, liebevoll Topolino, also Mäuschen, genannt.
Ein Mann schwamm allerdings ohne viele Worte gegen den Strom: Enzo Ferrari. Er glaubte nicht an Kleinmut. Nicht an das Sparen, nicht an das „gerade gut genug“.
Während Italien auf Massenproduktion setzte, träumte er von Vollkommenheit – von Geschwindigkeit, Kraft, von der makellosen Linie aus Stahl. Wo andere Räder bauten, schuf er Skulpturen auf Asphalt.
Er hatte noch Geld aus einer Abfindung, die er von Alfa Romeo bekommen hatte, nachdem er dort als Rennsportleiter ausgestiegen ist, und ein Schleifmaschinenwerk, das den Krieg halbwegs überstanden hatte. Das sollte ihm dabei helfen, zu erreichen, wovon er träumte: Rennwagen, Perfektion, Legende.

Die Scuderia Ferrari 1932 auf der Messe in Bologna, mit Autos, Reifen, Treibstoff und Plakaten ihrer Partner
©Credit NachtragenAls Rennfahrer war er keineswegs der Schnellste – doch sein Gespür für Motoren, Präzision und Strategie machte ihn bald zum Teamleiter. 1929 gründete er die Scuderia Ferrari, zunächst für Alfa Romeo-Fahrer. Motoren aufmotzen, Fahrer auswählen, Trainingspläne entwickeln – Ferrari war ein Stratege.
1938 wurde er Rennleiter bei Alfa, doch Konflikte mit dem Staatsbetrieb und der Bürokratie waren unvermeidlich. Enzo erkannte: Er musste seinen eigenen Weg gehen.
Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
- Mit wem Enzo Ferrari sich "anlegte"
- Die traurige Geschichte des Ferrari Dino
- Wer ist nun der schönste im ganzen Land?
Das neue Buch Ferrari (Taschen, 688 Seiten, 135 Euro) von Autor Pino Allievis ist eine wahre Fundgrube für alle, die diesen Traum noch immer im Herzen tragen. Es zeigt den großen Dickkopf aus Modena nicht als Mythos, sondern als Mann mit Vision, Starrsinn und einem feinen Gespür für Schönheit. Mit bislang unveröffentlichten Fotos – etwa der Schauspielerin Anna Magnani neben ihrem Ferrari – und handschriftlichen Skizzen aus dem Werk von Maranello.
Ferrari verstand die Bedeutung von Ästhetik sofort. Pino Allievi schreibt: „Ferrari war überzeugt: Autos sollten zuallererst schön sein, dann schnell – und natürlich sollten sie auch gut klingen.“ Damit fasst er perfekt zusammen, was Millionen Männer sich seit Jahrzehnten von einem Auto erträumen.

Radikal: der „SP1“ ist von den „Barchettas“ der 50er inspiriert. V12 Motor, 6,5 L, 810 PS, in 2,9 Sekunden von 0 auf 100. Der Einsitzer wurde von 2019–2022 produziert
©Ferrari S.p.AFerrari hat diesen Traum wahr gemacht. Und auch wenn ihn sich die wenigsten leisten können – so zaubert er uns doch fast automatisch ein Lächeln ins Gesicht – das durchaus ein wenig verklärt geraten kann.
Ferrari ließ es krachen
Dass es nicht immer friktionsfrei abläuft, wenn ein Mann seinen Träumen hinterherjagt, lernt man aus dem Leben des „Commendatore“, wie Enzo Ferrari in seiner Heimat ehrerbietig genannt wurde. Denn wenn ein Mann sich der Welt mit Zitaten wie Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der so stur ist wie ich, Der Kunde hat nicht immer Recht oder Der Zweite ist der Erste der Verlierer vorstellt, dann sind Reibungen vorprogrammiert.
Auch wenn sein Spruch über den „Verlierer“ durchaus mehr dem ursprünglichen olympischen Gedanken entspricht als „Dabei sein ist alles“.
Seinen Bruch mit Alfa kommentierte Enzo Ferrari später mit dem Satz: „Besser ein eigenes Rennen führen, als jemand anderem zu gehorchen.“ Mit Battista „Pinin“ Farina, dem berühmten Designer, der fast ebenso stur wie Enzo sein konnte, arbeitete er zwar sehr lange zusammen – gekracht hat es jedoch immer wieder. Ferrari wollte, dass ein Auto „perfekt“ aussieht, und oft gingen seine Vorstellungen weit über die Originalskizzen von „Pininfarina“ hinaus.
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Einige der schönsten Ferraris, die je gebaut wurden: Vorne der 250 LM, dahinter von links nach rechts: 330 GT 2+2, 500 Superfast, 275 GTS, 275 GTB (alle 1965)
©Credit NachtragenEinmal hat er den Chefdesigner persönlich ins Atelier gerufen und mit ihm eine Stunde über die Rundung des Kotflügels diskutiert, während der Rest des Teams draußen wartete. Farina soll gelächelt und gesagt haben: „Dieser Mann ist unmöglich – aber genau deshalb entstehen Legenden.“ – „Ich habe Pininfarina immer geliebt für das, was er zu schaffen verstand“, sagte Enzo Ferrari über seinen Partner in Crime. „Er begründete einen Stil, eine Linie. Er war der erste wahre Schneider der Automobilwelt – derjenige, der ihre Haute Couture sichtbar machte.“

Sie hatte nie Probleme mit Enzo Ferrari: Anna Magnani schickte ihm sogar ein signiertes Bild von ihr vor einem 212 Inter Coupé Vignale, den sie abgöttisch liebte
©Credit NachtragenHollywoodstars und Jetsetter liebten Ferrari. Doch wer sich wie ein Schnösel benahm, bekam das Auto nicht sofort. Es wird erzählt, dass Ferrari einen berühmten Schauspieler, der ein Auto reserviert hatte, eine Woche warten ließ, weil er den Mann bei einem Event unhöflich fand. Enzo soll dabei nur gesagt haben: „Meine Autos sind wie meine Kinder – man wählt aus, wem man sie anvertraut.“
In die USA, einen seiner wichtigsten Märkte, reiste Enzo Ferrari in seinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal – und das lag nicht nur an seiner Aversion gegen das Fliegen. In den 1950er-Jahren wurde ihm sein Pass verweigert, angeblich wegen bürokratischer Hürden. Darauf meinte er: „Die Amis sollen sehen, wie man ein Auto baut, ohne dass ich dort auftauche.“
Und so belieferte er den amerikanischen Markt aus der Ferne – mit genau der Mischung aus Distanz und Mystik, die Ferrari heute noch ausmacht.
Vater von Legenden
Als Ferraris Sohn Dino 1956 mit nur 24 Jahren an einer Muskeldystrophie starb, trauerte Enzo, der als zurückhaltender, disziplinierter Vater galt, der aber auch voll stiller Bewunderung für seinen talentierten Sohn war, im Verborgenen.
Gut zehn Jahre später brachte er den „Ferrari Dino“ auf den Markt, einen Sechszylinder statt der Zwölf- und Achtzylinder, die der Commendatore eigentlich bevorzugte. Aber es war der Lieblingsmotor seines Sohnes – und der Wagen sollte ebenfalls zur Legende werden.

Natürlich rot, beide mit einem 5L V12-Motor: Der 410 S Coupé und der einsitzige Spider aus dem Jahr 1955
©Schlegelmilch Photography/Rainer W. Schlegelmilch/Motorsport ImagesWie so viele Autos aus der Werkstatt in Maranello. Der 250 GTO etwa, von dem zwischen 1962 und 1964 nur 36 Stück gebaut wurden – die heute natürlich Fabelpreise erzielen. Oder der 288 GTO, der ab 1984 zum Inbegriff des Straßensportwagens wurde (und nein, Magnum konnte sich den nicht leisten, er fuhr einen 308 GTS mit V8-Motor!).
Und natürlich die Berlinetta, in der sich Pininfarinas ganze Designkunst widerspiegelte – die Berlinetta Lusso (1962–1964) ist für viele heute noch das schönste Auto aller Zeiten.

Die Privatfahrer Salvatore Calascibetta und Pietro Lo Piccolo wurden 1970 mit ihrem Dino 206 elfte auf der Targa Florio.
©Schlegelmilch Photography/Rainer W. Schlegelmilch/Motorsport ImagesHeute wirkt seine Haltung fast anachronistisch – und genau das macht sie so zeitlos. Wo andere Marken sich neu erfinden mussten, blieb Ferrari einfach Ferrari: kompromisslos, schön, übertrieben, laut. Ein Symbol für den Glauben daran, dass Träume nicht vernünftig sein müssen.
Vielleicht ist das ja das Geheimnis dieser Legende: Ferrari hat nie versucht, die Welt zufriedenzustellen – er wollte sie übertreffen. Und wer vor einem Ferrari steht, glaubt instinktiv daran, dass Größe besser klingt als Kleinmut.
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