Kolumne

Flaschenpost: Zart und gefühlvoll?

Vermutlich bringt Winzerinnen nichts mehr auf die Palme, als die Frage, ob ihre Weine anders schmecken als die der männlichen Kollegen.

Winzerinnen bleiben bei solchen Fragen höflich, aber man sieht die Verzweiflung im Gesicht. Es ist anzunehmen, dass ihnen diese Frage unzählige Male gestellt wurde, möglicherweise jedes Mal, wenn jemand ihre Weine kostet. Freilich gibt es immer noch wesentlich mehr Männer als Frauen, die das Winzerhandwerk ergreifen (dürfen) – bäuerliche Gebräuche sind schwer aus den Angeln zu heben.

Winzerinnen im 21. Jahrhundert aber immer noch als wundersame, exotische Wesen zu begreifen und anzunehmen, ihre Weine würden zarter oder gefühlvoller – irgendwie femininer schmecken, ist schlicht erbärmlich.

Da wird es wohl noch ein paar Jahrhunderte brauchen, bis Väter ohne Murren ihren Weinbaubetrieb an die Töchter weitergeben. Winzerinnen im 21. Jahrhundert aber immer noch als wundersame, exotische Wesen zu begreifen und anzunehmen, ihre Weine würden zarter oder gefühlvoller – irgendwie femininer schmecken, ist schlicht erbärmlich. Sollte sich auch nur ein Verkoster finden, der dank einer außerordentlichen sensorischen Begabung festzustellen vermag, ob besagter Wein von zarten Frauenhänden stammt, möge er sich melden. Auf der Website des heimischen Winzerinnen Netzwerks „11 Frauen und ihre Weine“ wird man jedenfalls eines Besseren belehrt: „Wir pflügen nicht ordentlicher und schneiden die Trauben auch nicht akkurater vom Stock.“ Man darf annehmen, dass sie auch nicht ihre Beeren streicheln oder die Fässer in den Schlaf singen. Auch wenn die Vorstellung dem einen oder anderen gefallen mag.

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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