Rot-weiß war einmal: Wie Spitzenköche Pommes neu erfinden

Demnächst eröffnet in der Wiener Innenstadt ein Pommes-Lokal - Würstelstandbetreiber Sebastian Neuschler weiß, wie die frittierten Stäbchen ohne Fritteuse gelingen.

Erdäpfel, Fett und Salz – mehr braucht es nicht für den Schwimmbad-Snack. Und doch entwickelten sich Pommes frites über die Jahrzehnte vom Fast Food zu einer Delikatesse. Wer schon einmal Urlaub in Belgien gemacht hat, kommt an den Imbissstuben nicht vorbei: Nur perfekt, frittierte Stangenware landet im Stanitzel. Zur Auswahl stehen zahlreiche, hausgemachte Saucen.

Vor sieben Jahren entdeckte die Spitzengastronomie die knusprigen Stäbchen schließlich für sich: Den Anfang machte der Drei-Sternekoch Sergio Herman. Der Niederländer schloss seinen Gourmettempel und eröffnete ein Frites Atelier in Den Haag: Monatelang experimentierte Herman mit Erdäpfelsorten, Frittierfett, Salz und Saucen für das ultimative Ergebnis.

Das New Yorker Spitzenrestaurant Serendipity3 wirbt gar damit, die teuersten Pommes der Welt zu servieren: Für diese braucht es Champagner statt Kochwasser, Gänseschmalz zum Frittieren, Trüffel, Trüffel-Pecorino und Goldstaub. Ob der Wareneinsatz die Kosten von 200 US-Dollar pro Portion rechtfertigt, bleibt dahingestellt.

Woher die Stäbchen kommen

90 Prozent Import
Österreich bezieht industriell hergestellte Pommes frites, Rösti und Kroketten fast ausschließlich aus Holland und Deutschland

Anbau
Spezialsorten für Pommes heißen Fontane, Challanger und Innovator

Nationalgerichte
Die Franzosen essen Fritten mit Miesmuscheln, die Engländer mit paniertem Fisch und die Kanadier mit Käsebruch

1918 Europa
Viele glauben, dass das frittierte Fast Food von den USA nach Europa importiert wurde. Tatsächlich war es umgekehrt: US-Soldaten lernten die frittierte Stangenware bei belgischen Truppenmitgliedern im 1. Weltkrieg kennen

Ursprung
In welchem Land die Pommes erfunden wurden, ist nicht geklärt, denn die Abgrenzung zu Bratkartoffeln ist in alten Rezepten sowie sprachlich nicht eindeutig – möglich, dass die Stäbchenform Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam

So gelingen knusprige Pommes zu Hause

Der Hype um die Kartoffelstangerl ist in Österreich längst angekommen. Demnächst eröffnet in der Wiener Innenstadt Framburi Fries – für das Konzept ist Spitzenkoch Christof Widakovich verantwortlich.

Sebastian Neuschler, Haubenkoch und erfolgreicher Wiener Würstelstandbetreiber, setzt auf Trüffelsalsa und Grana: "Im Prinzip harmonieren alle Zutaten, die wir auch mit Ofenkartoffeln kombinieren würden. Bergkäse und Speck funktionieren genauso wie Sauerrahm. Möglich sind auch asiatische Aromen mit Kimchi-Mayonnaise und Koriander."

Die Faszination für das Fast Food erklärt er nicht nur damit, dass Erdäpfel fast allen schmecken: "Kartoffeln konnte man überall anbauen und sie waren immer leistbar."

Zum Frittieren bevorzugt Neuschler geschmacksneutrales Sonnenblumenöl. "Wir frittieren bei 175 Grad – nach einer Minute und 20 Sekunden sind sie kross." Zweimal frittiert wird nur zu Mittag, wenn die Schlange vor dem Würstelstand sehr lange ist. Der Koch spricht dann mit einem Augenzwinkern von "wiederbeleben".

Wer keine Fritteuse zu Hause hat, sollte keinesfalls auf den Ofen umsteigen: "Lieber ein Bratenthermometer kaufen und Öl in einem Topf erhitzen: Zu Hause reicht eine Temperatur zwischen 160 und 170 Grad. Abtropfen lassen, salzen und in einer Schüssel gut durchschwenken."

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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