Piña colada

Wann die Piña colada erfunden wurde und warum man sie feiern sollte

Die Piña colada wird im Dezember 100. Heißt es. Warum das unwahrscheinlich ist, verrät Barkeeper-Legende Erich Wassicek.

"Am liebsten ist mir immer noch die Piña colada“, sagen gar nicht wenige, wenn sie die Getränkekarte studieren. Da werden puristische Barflys oder auf Coolness bedachte Bartender den Mund verziehen und sich nach kurzem Schock gleich einen Manhattan gönnen. Aber sie könnten auch eine Ausnahme machen und mit einer Piña colada auf den Drink anstoßen. Der wird nämlich im Dezember 100 Jahre alt. Zumindest, wenn die Ausgabe des Travel Magazine als Beleg ausreicht.

Dort taucht unter der Beschreibung eines fruchtigen Tranks auf: „Aber der beste von allen ist eine Piña colada. Der Saft einer perfekt reifen Ananas – schon alleine ein grandioses Getränk – wird in richtigem Verhältnis schnell und kräftig mit Eis, Zucker, Limettensaft und Bacardi Rum geschüttelt.“

Gekühlte Ananas

Für die Wiener Barkeeper-Institution Erich Wassicek stellt das aber nicht die Geburtsstunde einer flüssigen Legende dar. Er betreibt in einem Gürtelbogen die „Halbestadt“ und kennt sich in der Barkultur ausgezeichnet aus. Was er auch gerne zeigt.

„Hier sind wir eher bei einer 'Piña fria', also einer 'gekühlten Ananas'.“ Colada heiße nichts anderes als „gesiebt“. Und wie immer bei Cocktails sei es schwierig, ihren Ursprung und ihre Geschichte genau zu bestimmen.

Barkeeper-Legende Erich Wassicek von der Halbestadt

©Kurier/Gerhard Deutsch

Aber es lohnt sich, es zumindest zu versuchen. Denn es gibt einige unterhaltsame Anekdoten. Eine davon ist, dass schon Seeräuber eine Piña colada bekommen haben sollen, um auf ihren Raubzügen bei Laune zu bleiben. So soll schon der Pirat Roberto Cofresí aus Cabo Rojo (Puerto Rico) zu Beginn des 19. Jahrhunderts seinen Leuten zur Stärkung der Moral Rum gemischt mit Ananassaft und Kokoswasser vorgesetzt haben.

Was an sich nicht unklug war. Ananas enthält immerhin viel Vitamin C und ist somit gut gegen Skorbut. Zähnefletschende Piraten ohne viele Beißer sind eher nicht furchterregend, sondern bemitleidenswert. Und auch Wasser zu trinken war in der Karibik mitunter problematisch, weil unhygienisch. Kokoswasser war ungleich gesünder. Allein: Die schöne Anekdote ist zu schön, um wahr zu sein und wurde von Forschern ins Reich der Mythen verwiesen.

Schon der Pirat Roberto Cofresí soll seinen Mannen Rum gemischt mit Obstsaft vorgesetzt haben.

©Producciones Maravillosas/Wikimedia Commons/jerjes medina albino

Wobei, ganz auszuschließen ist das doch nicht, denn die Kombination Rum, Ananas, Kokos lag auf der Hand. „Man hat früher schon den Rum mit Wasser verdünnt, um ihn genussvoller zu machen – was aber wohl sehr schwer war bei der damaligen Destillationskunst.“ Aber auch an trinkbarem Wasser herrschte Mangel. „Sie werden immer irgendetwas zum Verdünnen verwendet haben.“ Und vielleicht war es auch Obstsaft. Oder wie das Mixology-Magazin schrieb: „Man brauchte dafür damals noch keinen gesonderten Namen, man trank eben, was gerade da war.“

Ohne Creme kein Cocktail

Aber damals küsste eben noch nicht Kokos die Ananas und den Rum. Für Wassicek und auch nicht wenige Cocktail-Historiker ist klar, dass die Piña colada, so wie wir sie kennen, relativ spät erfunden wurde. „Dafür brauchte es Coco Tara oder Coco López, also eine fettige Kokosnusscreme.“ Erst da konnte das fruchtige Kokosbusserl in seiner heutigen Form serviert werden.

 Alle Zutaten für eine Piña colada

©Kurier/Gerhard Deutsch

Es heißt, ein Puerto Ricaner hätte die in den 1950ern kreiert. Dann aber beginnen die Streitereien. „Ob das jetzt ein Barkeeper im Hotel war oder einer auf dem Kreuzfahrtschiff, wer weiß das so genau?“, sagt Wassicek. Die einen meinen, es war Bartender Ramon Perez in den 1950ern, der laut Mixology „Piña colada“ im Caribe Hilton in Puerto Rico ausgeschenkt hat. Er habe das mit Eis im Blender zu einem viskosen, eiskalten Drink vermixt. Das Hilton in San Juan beansprucht bis heute „the birthplace of the Piña colada“ zu sein. Dem widerspricht man im La Barrachina in Old San Juan vehement. „Es war 1963“, erzählte Barkeeper George einmal Travelbook, „die Firma López hatte eine neuartige, cremige Kokosnussmilch in der Dose auf den Markt gebracht und schrieb einen Rezeptwettbewerb aus“.  Der damalige Barkeeper, der Spanier Don Ramon Portas Mingot habe einfach nur Ananassaft und Rum dazugegeben. Tadaaa! Ein neuer Drink war geboren. So steht es auch auf einer Steintafel vor dem Restaurant.

Im Jahr 1979 wurde dem Drink noch ein Denkmal gesetzt. Mit einem Lied. Von Rupert Holmes, einem Mann, der jetzt nicht unbedingt aussah, als würde er entspannt am Strand Piña coladas trinken. Und dabei heißt dieses Lied gar nicht Piña colada, sondern einfach nur Escape. Während die Melodie beschwingt dudelt, singt der biedere Typ mit Brille und Vollbart aber eher traurig davon, wie frustriert er als Langverheirateter ist und per Annonce ein amouröses Abenteuer sucht.

Rupert Holmes setzte der Piña colada musikalisch ein Denkmal

©Getty Images/Gary Gershoff/Getty Images

Als ob das Lied nicht schon Lobhudelei genug war, schon ein Jahr davor, 1978, hat Gouverneur Rafael Hernández Colón die Piña colada zum Nationalgetränk Puerto Ricos gekürt.

Obstsalat im Glas

Spätestens ab Ende der 80er erlebte die Barkultur neue Höhenflüge. Der Vietnamkrieg und „weil sich die Leute bewusstseinserweiternde Substanzen einwarfen“ hätten ihr ab den 60ern etwas zugesetzt. „Von der dunklen Ära für die Trinkkultur“ hätte sie sich eine Weile nicht mehr erholt. Neue Bars eröffneten, die Gäste feierten das Leben – unter anderem mit der Piña colada. Nur die Geschmackspapillen hatten eher wenig Freude, meint Wassicek. „Ein Großteil der Rezepturen waren damals schon sehr mutig. Die würde man heute kaum mehr wem zumuten.“

Dass die Piña colada nur aus drei Zutaten besteht, dürfte damals eher irritiert haben. „Man dachte sich, das trinkt heute keiner mehr – deshalb hat man die erweitert.“ Ein Cocktail nach allen Regeln der Kunst – oder eher Unkunst – bestand aus weißem und braunem Rum, Ananassaft und dünnem Kokosnusssirup. Für eine gewisse Tiefe musste Kaffeeobers herhalten. „Und ganz gruselig“, erhebt der Barmann die Stimme, „Batida de Côco“. Der Likör sorgte noch einmal für ungeheure Süße. „Das wurde geshakt oder gemixt und kam in ein Glas mit 17 Garnituren. Das war fast wie Obstsalat.“ Und irgendwann war der Drink durch. „Das hat einfach nicht geschmeckt. Man hatte genug von Fancy Drinks.“

Die Barwelt drehte sich weiter, veränderte sich. Die Zutaten wurden qualitätsvoller. „Mixologen“ oder „Götter in Weiß“, wie Wassicek bierernste Standeskollegen nennt, schütteln manchmal immer noch den Kopf und weigern sich, eine cremig-süße Piña colada zu mixen. Aber es gibt auch andere – Wassicek zum Beispiel. „Das ist ein großartiger Drink.“ Wenn er richtig gemacht wird. Und das sehen offenbar auch viele Barbesucher so. „Gerade junge Menschen trinken die Piña colada sehr gerne.“

Und so mixt Wassicek seine Piña colada:

Rezept Piña colada

Zutaten:

  • 5 cl brauner Rum (Wassiceks Tipp: Bacardi 8 YO Reserva Ocho Rare Gold, 40 % vol.)
  • 5cl Kokosnusscreme (Tipp: Coco Tara Cream of Coconut)
  • 12 cl Ananassaft

Garnitur:

  • Ananas vierteln 
  • Ananasblatt
  • Physalis

1. Die drei Zutaten mit Eis shaken. Wassicek gibt Eiswürfel in einen Leinensack und zerschlägt sie mit einem Klopfer zu Crushed Ice.
2. Den Drink ohne Abseihen in einen kühlen Tonbecher füllen und garnieren.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er werkt dort seit Dezember 2020 und darf sich mit Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle befassen. Also mit allem, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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