Menorca: Junger Spitzenkoch, Rezepte mit Geschichte und viel Tradition
Pau Sintes ist einer der besten jungen Köche Europas. Bei seinen Kreationen setzt er auf Vergangenes.
Es ist nur Brot mit Butter und Salz. Und gleichzeitig ist es so viel mehr, das Pau Sintes kredenzt. Er wurde 2022 zum besten jungen Koch Europas gekürt. Das Salz, schön kristallin, schmeckt nach Meer, nach Urlaub, nach Freiheit – und ist gewürzt mit einer Prise Vergangenheit. Wie so vieles auf Menorca.
"Archäologie ist hier überall", erklärt einer der Maho, wie die Einwohner Menorcas genannt werden. Jede Tonscherbe am Boden, und derer gibt es viele, erzählt eine eigene Geschichte.
So gut wie jedes Gespräch mit den Inselbewohnern dreht sich ab einem gewissen Punkt um die Vergangenheit. So auch mit Sintes, der selbst aber auch für die Zukunft steht.
Kampf der Pizza
Seit er sechzehn Jahre alt ist, arbeitet der mittlerweile 25-Jährige als Koch und kämpft dafür, dass der menorquinische Geschmack nicht zur historischen Anekdote verkommt: "Wir müssen uns gegen all die Sushis und Pizzen behaupten und traditioneller kochen."
Sintes hat ein zurückhaltendes, fast schüchternes Auftreten, wenn er aus der Küche des Hotels Cristine Bedford geholt wird, in dem er arbeitet. Seine Kreationen auf den Tellern, jedenfalls diejenigen, die nach dem Brot-Gang gebracht werden, sind mit dieser Schüchternheit allerdings gar nicht in Einklang zu bringen.
"Wir müssen uns gegen all die Sushis und Pizzen behaupten und traditioneller kochen"
Das Shrimps-Carpaccio mit einer Orangen-Knoblauch-Reduktion, die von der Konsistenz einer Marmelade ähnelt, zeugt von Selbstbewusstsein des Kochs (und schmeckt großartig).
Die Rezepte sind moderne Adaptionen von jenen, die im 18. Jahrhundert Klosterbruder Fra Francesc Roger niedergeschrieben hat.
"Ich bin sehr stolz darauf, diese Rezepte in die Jetztzeit übersetzen zu können", so Sintes. Veränderungen sind allerdings notwendig. Früher wurde mit – aus heutiger Sicht – absurd viel Zucker gekocht. Der junge Koch benutzt stattdessen Honig.
Selbst ist er von seiner eigenen Historie geprägt. Seiner Oma gehörte der einzige Holzofen des Dorfes – die anderen Bewohner kamen, um sich dort ihr Essen zuzubereiten. Sein Vater hatte einen kleinen Garten, durch den das ganze Jahr über saisonales Gemüse zur Verfügung stand. Zudem besaß die Familie ein "llaüt", ein traditionelles Boot, mit dem Sintes oft fischen ging.
Dieser Erfahrung und der Naturverbundenheit ist es wohl zu verdanken, dass er bei der Auswahl seiner Zutaten auf regionale Produkte setzt. Mit einer scheinbar simplen Spezialität hat er auch den Kochbewerb gewonnen: mit gefüllter Melanzani.
Info
- Anreise
Im Sommer gibt es Direktflüge von Wien nach Menorca, etwa mit austrian.com. Die Insel ist aber zu jeder Zeit eine Reise wert. -Kompensation: 24 € via atmosfair.de - Ruhiges Pflaster
Menorca ist die ruhigste Insel der Balearen – es geht dort beschaulicher zu als auf Mallorca oder Ibiza. Es gibt mit Ciutadella und Maó zwei größere Städte, sonst viel ungestörte Natur. Die Amtssprachen sind Katalanisch und Spanisch - 3Tage Party
Wer ein ausgelassenes Fest erleben möchte, sollte sich um den 24. Juni in Ciutadella aufhalten. Da feiern bis zu dreißigtausend Menschen die Fiestas von Sant Joan und die Stadt ist im Ausnahmezustand - Auskunft
Ausflugstipps und mehr auf spain.info und menorca.es
Wo Salz geschöpft wird
Möglichst wenig Weg sollen die Zutaten zurücklegen und damit auch möglichst wenig Kohlendioxid verursachen, bevor Sintes sie verkocht. Ein Umweltbewusstsein, wie es in vielen Restaurants auf Menorca gelebt wird.
Kein Wunder, die Insel hat schließlich selbst viel zu bieten. Das Salz stammt von den Salinen. Diese wurden seit 1853 zur Gewinnung von Meersalz genutzt.
Vor vier Jahren wurde das Areal saniert, um das "Sal de Menorca" wieder herzustellen. Die Becken, in denen das Meerwasser immer weiter reduziert wird, bis das Salz – allen voran das blumenartig kristallisierte Fleur de Sel – nach alter Handwerksart mit einer Art Schaufel abgeschöpft wird, kann man auch besichtigen.
Was beim Menü von Sintes nicht angeboten wird, ist Pomada, ein erfrischender Cocktail aus Gin und selbst gemachter Zitronenlimonade. Das mag auch daran liegen, dass manche den Mix gleich in der Früh trinken. Es hält sich der Mythos, dass dies der Gesundheit zuträglich sei.
Lokaler Gin, den es in Österreich nicht gibt
Als Gin wird besonders gern Xoriguer verwendet, eine Spirituose, die in Österreich noch nicht vertrieben wird. Wenn Einheimische in eine Bar gehen, würden sie zuerst nachsehen, ob Xoriguer vorhanden ist, heißt es.
Dass es auf Menorca Gin gibt, liegt an den Briten. Die "Gin Acts" genannten Verbote sollten im 18. Jahrhundert den Alkoholismus in Großbritannien reduzieren. Reichere Briten wichen zum Trinken auf Menorca aus – und um deren Durst zu stillen, lernten geschäftstüchtige Maho, wie man das Getränk herstellt.
Inspiration aus anderen Ländern wäre auch etwas für Sintes. Er kann sich vorstellen, im Ausland auf Ideensuche zu gehen, denn "wenn man aufhört zu lernen, kann man nicht kreieren".
Dass man auf Menorca viel auf eigene Kreativität setzt, zeigt sich auch in der Xoriguer-Destillerie: Die Wacholderbeeren werden zwei bis drei Jahre getrocknet, teilweise bei offenem Fenster. Die salzige Luft soll den Geschmack so außergewöhnlich machen.
Das Salz hier, das macht eben alles besonders.
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