Flaschenpost: Warum Süßwein aus der Mode gekommen ist

Botrytis Süßweine galten einst als Preziosen - heute ist das nicht mehr so.

Sonst kann es nicht süß genug sein – nicht so beim Wein. Freilich, wird ein Gewächs als trocken deklariert, braucht es keine Rokoko-Stuckatur. Aber auch edelsüße Weine werden gemobbt. Gastronomen klagen, dass das Zeug nicht anzubringen sei und im Handel ist der Absatz alles andere als berauschend. Dabei galten Botrytis Süßweine einst als Preziosen. Wer es sich leisten konnte, trank edelsüß. Kaiser, Könige und Zaren rissen sich um die goldene Essenz – Ludwig der XIV. von Frankreich soll den Wein für Könige gar als „König der Weine“ bezeichnet haben. Vom einstigen Glanz ist wenig geblieben – nur ein paar Schwärmer brechen noch eine Lanze für ihn.

Vielleicht wird ja irgendwo auf dieser Welt einmal statt dem unausrottbaren Dessert-Bestseller „Flüssiger Schokokuchen“ guter, gereifter Tokaji Aszú angeboten. 

Der legendäre Weinkritiker Michael Broadbent verglich sie mit  „ambrosischem Nektar, dessen Geschmack nicht von dieser Welt ist“. Der Brite mit der höchst singulären Begabung, Weine poetisch zu beschreiben, ist inzwischen verschieden – seither ist es still geworden um die edelsüßen Gewächse. Wohl auch, weil nicht nur ambrosischer Nektar, sondern auch trivialer Saft abgefüllt wird, dem es an Säure und Struktur mangelt. Seriösen Weintrinkern ist das zu banal, Anhängern qietschbunter Spaßgetränke zu bieder. Dabei können Botrytis Süßweine etwa aus dem Tokaj, der Sauternes, dem Burgenland oder von der Mosel anmutig sein. Vielleicht wird ja irgendwo auf dieser Welt einmal statt dem unausrottbaren Dessert-Bestseller „Flüssiger Schokokuchen“ guter, gereifter Tokaji Aszú angeboten. 

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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