Der Weinglas Guide: Welches Glas zu welchem Wein

Nie gab es so ein breites Angebot an hochwertigen Weingläsern wie heute. Aber wer die Wahl hat, hat auch die Qual: Denn, welches Glas zu welchem Wein passt, unterliegt längst nicht mehr den einfachen, starren Regeln von einst.

Ausgerechnet die großen Weinnationen Frankreich und Italien bewiesen bei Weingläsern lange so gar keinen Geschmack: Erstklassige Gewächse aus Bordeaux und Burgund landeten genau wie exquisiter Barolo oder Brunello in klobigen Gläsern, kaum größer als Eierbecher. Letztlich war es der Tiroler Claus Riedel, der die Glaskultur revolutionierte: Er zeigte, dass unterschiedliche Weine in verschiedenen, auf die Rebsorte abgestimmte Glasformen erst ihr wahres Können entfalten.
Riedel gilt als Pionier hochwertiger Kristallgläser, nach dem Prinzip „Form follows Function“. Was aber macht ein gutes Weinglas aus?  Transparent und dünnwandig soll es sein, zart und doch auch robust. Als Meister der Weinglaskunst hat sich in den letzten Jahren auch die Waldviertler Manufaktur Zalto herauskristallisiert, deren mundgeblasene Serie inzwischen weltweit als eine der besten gilt. Hauchdünne und feine Gläser, in Form und Größe perfekt auf den jeweiligen Weintyp abgestimmt.

Jedem Wein sein Glas

Inzwischen gibt es eine Unzahl an verschiedenen Gläsern in allen erdenklichen Varianten – von Experten- und Produktdesignern in endlosen Degustationen ausgetüftelt, um die besten Eigenschaften edler Gewächse herauszukitzeln. Als Laie steht man zunehmend ratlos vor der Frage, welches Glas denn nun das Richtige für den jeweiligen Wein ist. Starre Regeln gibt es nicht mehr: Hieß es früher, Weißweine aus kleinen und Rote aus großen Gläsern zu trinken, verhält es sich heute komplizierter: Frische, leichte und wenig strukturierte Gewächse trinkt man tendenziell aus schmäleren Gläsern, während kräftige, dichte Weine in breiteren mehr Geschmack entwickeln – egal, ob es sich dabei um Weiß- oder Rotweine handelt. Wie die unterschiedlichen Formen eines Kelchs den Geschmack beeinflussen, erklärt Enrico Bachechi, Önologe und Eigentümer der Naturweinbar „Vinifero“: „Je größer ein Glas, desto leichter können sich die Aromen entfalten, weil der Wein mit viel Sauerstoff in Kontakt kommt“ – das sei bei dichten, strukturierten Weinen hilfreich, während der Geschmack leichter, einfacher Weine in breiten Gläsern rasch verloren gehe.     
Selbst Schaumwein sperrt man nicht mehr in schmale Sektflöten – auch hier gilt: je komplexer ihre Struktur, desto größer darf auch das Glas sein. Gereifte Jahrgangschampagner etwa haben in Flöten nichts verloren – um ihr gesamtes Aroma zu entfalten, brauchen sie ein richtiges Weinglas.
Statt sturer Vorschriften, entscheidet aber auch zunehmend der persönliche Geschmack: Mag man üppige, fruchtige Aromen oder bevorzugt man Mineralität und Säure, liebt man es samtig weich oder eher widerspenstig? Die Form des Glases entscheidet, welche Aromen verstärkt wahrgenommen werden. Hat man hingegen weder Platz noch Lust für eine Armee an Gläsern, ist man mit Universalgläsern gut beraten: Die Multitalente können einfach mit allen gut – vom filigranen Sprudel bis zum muskulösen Rotwein. Dann hat sich das mit der Qual der Wahl auch erledigt.

 

Sektflöten adé

Zarte Champagnergläser statt Sektflöten für alles, was sprudelt – von hochwertigem Prosecco über natürlich produzierten Pet Nat bis Sekt und elegantem Champagner. Um seine Aromen entfalten zu können braucht Schaumwein ein Glas, das sich nach oben öffnet und so eine gewisse Sauerstoffzufuhr ermöglicht. Keine Angst, die Bläschen gehen dabei nicht verloren!

©Kurier/Gerhard Deutsch

Universalgenie

Von Sommeliers ebenso geschätzt wie von Weintrinkern mit Platznot daheim. Fehlt die Möglichkeit oder die Muße, eine Galerie an verschiedenen Weingläsern zu horten, reicht das hochwertige Universalglas. Alle, wirklich alle Weine sind dort bestens betreut! Auch hochwertiger Sekt oder Champagner zeigt sich im Universalglas von seiner besten Seite, kommt doch der Charakter des Grundweins besser zur Geltung.
 

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Size Matters

Komplexe strukturierte Rotweine mit ausgeprägten Gerbstoffen sind im Bordeauxglas gut aufgehoben. Sie brauchen viel Luft, um ihre Geruchs- und Geschmacksstoffe auch wirklich entfalten zu können. Auch so genannte „Orange Wines“, also auf der Maische vergorene Weißweine, die eine höhere Gerbstoffstruktur aufweisen als konventionelle Weiße, tun sich in breiten Gläsern zuweilen leichter. Große Gläser sind auch eine sanfte und schonende Variante zum Dekantieren!
 

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Divenpool

Burgundersorten, egal ob weiß oder rot gelten als Diven und wollen Freiheit. Zwar sind Chardonnay, Pinot Noir und Co. überaus elegant – sie besitzen aber auch eine vielschichte, dichte Struktur. Die Weine zeigen ihre Pracht oft erst in breiten, bauchigen Gläsern. Grundsätzlich können aber auch alle komplexen Gewächse in Burgundergläser gefüllt werden – sie betonen die Vorzüge des Weins und kaschieren seine Schwächen.   

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Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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