Was kindliche Weihnachtswünsche verraten
283 Briefe ans Christkind wurden in einer Studie wissenschaftlich analysiert. Sie zeigen, dass Kinder überzeugt sind, dass sie ein Recht auf Wünsche haben.
„Liebes Christkind!“ So fängt der typische Brief von Kindern ans Christkind an – zumindest war das in der früheren Kindheit so. Aber da gibt es auch andere, wie ein Blick in eine Wunschzettel-Studie zeigt.
„Die sind geschrieben wie Einkaufszettel. Da steht drinnen ‚Ich will ...‘, nicht ‚Liebes Christkind, ich wünsche mir ...‘“, erzählt Martin Waiguny, akademischer Leiter der IMC Fachhochschule Krems – und er muss es wissen, hat er doch 283 solcher Briefe gelesen.
Nicht, weil er das Postfach des Christkinds geplündert hat, sondern weil er im Rahmen seiner „Wunschzettel-Studie“ gemeinsam mit Ann-Marie Kennedy von der Universität Canterbury und Konsumforscherin Maree Lockie Weihnachtswunschzettel österreichischer Kinder analysiert hat. Der Fokus der Studie lag auf österreichischen Weihnachtsgeschichten, Bräuchen, Traditionen und Riten.
Gegensätze
Dabei wurden laut Waiguny immer drei essenzielle Gegensatzpaare aus der Mythenforschung identifiziert. Es sind dies irdisch/materialistisch versus transzendental, eigennützig versus selbstlos und Belohnung versus Bestrafung.
„Normalerweise ist ein Mythos in eine Richtung geprägt – also etwa einmal in die materialistische, einmal in die transzendentale. Hier kommt aber beides parallel vor“, sagt der Forscher. Er wird konkreter: Die Briefe enthalten das Übernatürliche vom Weihnachtsfest – etwa eine Visualisierung vom Christkind – und die Geschenke, die zum Teil ganz genau beschrieben sind (bei einigen steht sogar, wo es sie zu kaufen gibt). Letzteres ist meist klar eigennützig. Selbstlos sind dann etwa Inhalte, wo sich die Kinder wünschen, dass jemand aus der Familie wieder gesund wird „oder Weltfrieden. Wobei diese auch genutzt werden, um auf die Tränendrüse zu drücken und andere Wünsche besser durchsetzen zu können“, so Waiguny.
In kindlichen Weihnachtsmythen sei Weihnachten allmächtig – es belohnt und bestraft, je nach dem Grad des guten Verhaltens. Ein braves Kind hat sich daher eine „Belohnung“, also ein Geschenk, oder gleich mehrere (laut Studie im Schnitt 4,2), verdient. „Die Kinder leiten daraus ein Recht darauf ab, dass sie etwas bekommen“, erläutert der Forscher. Dadurch kommen dann die eingangs erwähnten „Einkaufszettel“ zustande.
Wünsche ändern sich
Die analysierten Wunschzettel von Kindern zwischen rund drei und zwölf Jahren wurden 2010 und 2020 verfasst. Einige enthalten deswegen nur Visualisierungen, andere wiederum nur Geschriebenes, einige beides.
Sie wurden für die Studie anonymisiert gesammelt, teils über Schulen, teils über Eltern und durch Abfragen in sozialen Netzwerken.
Deutlich wird durch den Vergleich der älteren mit den jüngeren Wunschzetteln, dass sich die materiellen Wünsche der Kinder ändern – da schlagen sich laut den Studienautoren aktuelle Konsumtrends und Werbung nieder. Die Motive, Visualisierungen und die Geschichten, die sie enthalten, bleiben allerdings gleich.
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