Welt-Literatur am Traunsee: Eine Wanderung mit legendären Autoren

Mehr als nur Sommerfrische: Seit dem Barock zog die Gegend um den Traunsee die Schriftstelle an. Eine literarische Wanderung mit Adalbert Stifter, Rainer Maria Rilke, Thomas Bernhard & Co,

"Ich dichtete mir einst am Traunsee ein schönes Tusculum!“, schrieb Adalbert Stifter im Jahr 1840, nachdem er sich während einiger Besuche in Gmunden und Traunkirchen in die Landschaft, die kleinen Dörfer und hübschen Häuser verliebt hatte. Auch wenn es verführerisch wäre, dürfen wir deshalb nicht gleich so weit gehen, das Salzkammergut als die Toskana Mitteleuropas zu bezeichnen. Der „größte deutsche Erzähler des Waldes“, wie Walter Muschg Stifter bezeichnete, bezog sich damit nämlich nicht auf die beliebte Region Italiens, sondern auf die antike Stadt Tusculum in den Bergen südöstlich von Rom, wo die reichen Hauptstädter vor mehr als 2.000 Jahren ihre Sommer-Villen unterhielten. 

Denn genau so lernten er und viele andere Künstler, Literaten, Schauspieler und Musiker das Gebiet um den Traunsee kennen und lieben: als Ort der Muße. Wo sie sich von der Umgebung inspirieren ließen. Stifter selbst etwa für seine Erzählung „Der Hagestolz“ von Traunkirchen, er fühlte sich dort „in ein Götterleben“ versetzt, „am Traunsee, der so reizend aus schönem Hügelland ins Hochgebirge zieht“. Klingt ja dann doch ein bisschen nach Toskana, nicht?

Adalbert Stifter (1805–1868)

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Schon lange vor Stifter und seinen Zeitgenossen wie Nikolaus Lenau und Friedrich Hebbel lobte der Barockdichter Johann Beer in „Die kurzweiligen Sommer-Täge“ (1682) nicht nur die „gesunde Luft“ sondern auch die „reizende Landschaft“, die den müßigen Adel zu allerlei Verirrungen anstiftet, und setzte darin auch dem Traunstein  ein dichterisches Denkmal. Lenau und Hebbel wurden dann praktisch zu Wahl-Gmundnern. Der aus dem hohen Norden Deutschlands stammende Hebbel war bereits vier Wochen nach seinem ersten Besuch in Gmunden Besitzer des Hauses Ort Nr. 31 (heute: Hebbelstraße 1) und zeigte sich von der „erhabenen Gebirgs-Welt“ begeistert: „es giebt wenig Puncte auf der Deutschen Erde, die sich mit Gmunden vergleichen lassen“.

Mußestunden und pralle Mieder

Der in Ungarn geborene Nikolaus Lenau wurde 1830 von einem Urlaub in Gmunden derart inspiriert, dass er bald darauf den Gedichtzyklus „Wanderung im Gebirg“ herausbrachte, immer wieder kam und Werke wie die „Schilflieder“, „Dein Bild“ und 1839 schließlich „An die Alpen“ verfasste. Den Gipfel des imposanten Traunsteins bezwang der abenteuerlustige Lenau bei seinem zweiten Besuch in Gmunden im Juli 1831: „Schon am Fuße des Berges hat mich eine Art Freudenrausch ergriffen [...] in drei Stunden waren wir oben. Welche Aussicht! Ungeheure Abgründe in der Nähe, eine Riesenkette von Bergen in der Ferne und endlose Flächen. Das war einer der schönsten Tage meines Lebens; mit jedem Schritte bergan wuchs mir Freude und Muth.“

Inspirierend: Traunkirchen und der mächtige Traunstein

©Christof Wagner

Zwischen mondänen Salons in Paris und Florenz zog es auch Rainer Maria Rilke immer wieder ins beschauliche Salzkammergut, Gmunden mochte er und Traunstein, wo er gerne in einem prachtvollen Anwesen logierte, das heute gemeinhin als Russenvilla bekannt ist. Zu Rilkes Zeiten hieß sie  Villa Pantschoulidzeff, benannt nach der schönen russischen Fürstentochter, die sie beim damaligen Stararchitekten Theophil von Hansen in Auftrag gegeben hat. Ob und wie viel von seinen Werken, den Malte Laurids Brigge vielleicht oder den Cornet Christoph Rilke, er dort geschrieben hat, ist nicht bekannt. Aber wer weiß schon, wovon Zeilen wie diese inspiriert sind: „Gott gab Hütten; voll von Schafen Ställe; und der Dirne klafft vor Gesundheit fast das Mieder ...“ 

Rainer Maria Rilke (1875–1926)

©Henri Martinie / Roger Viollet / picturedesk.com/Henri Martinie/Roger Viollet/picturedesk.com

Im Stadttheater Gmunden gingen  Arthur Schnitzler, Ludwig Anzengruber, Hermann Bahr, Franz Grillparzer, Gerhart Hauptmann, und Ferdinand Raimund ein und aus, während in der Spitz-Villa in Traunstein ein weltweiter Bestseller des 19. Jahrhunderts entstand: Hier schrieb  Karl Rudolf von Slatin, bekannt als Slatin Pascha, seine abenteuerliche Autobiografie „Feuer und Schwert im Sudan“. Er war 1881 Gouverneur des Sudan geworden, geriet später in Gefangenschaft und lebte zwölf Jahre als Sklave des Kalifen Abdallahi ibn Muhammad ...

Die größten Namen des 20. und 21. Jahrhunderts sind zweifelsohne Thomas Bernhard und Christoph Ransmayr. Bernhard, der jahrelang in Gmunden lebte und sich literarisch an der vor allem jüngeren, dunklen Geschichte Österreichs abarbeitete, bezeichnete seine Wahlheimat als „günstige Gegend, weil hier eine Mischung von Menschen ist aus allen Schichten, vom Bauern, vom Knecht und vom Fabrikarbeiter alles zusammen bis zum Hochadel“. Ransmayr wiederum wuchs in Roitham bei Gmunden auf – und setzte der Landschaft in seinem grandiosen Roman „Morbus Kitahara“ ein Denkmal.

Und auch in seinem preisgekrönten Werk „Die letzte Welt“ scheint man den massiven Fels des Traunsteins wiederzuerkennen, der sich so beeindruckend und inspirierend beinahe direkt aus dem See erhebt.

Lädt förmlich zum Sitzen und Schreiben ein: Terrasse des Hotels "Das Traunsee"

©Christof Wagner
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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