Tattoos: Gezeichnet fürs Leben

"Genialer Werbeeffekt“ oder schwer zu entfernender Makel? Wofür Peckerl stehen, warum sie immer beliebter werden und wovon Tätowierer abraten.

Erinnerungen an ein gutes Musikfestival sind für immer, manche gehen sogar unter die Haut. Ein paar junge Menschen sind vom Frequency-Festival in St. Pölten am vergangenen Wochenende mit einem "Klimaticket“-Tattoo (und einem gratis Klimaticket) zurückgekehrt. Eine Werbeaktion des Klimaschutzministeriums, die heftige Kritik auslöste (siehe li.).

Monika Weber hat von der Aufregung nichts mitbekommen. Die Wienerin arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Tätowiererin und führt eines der beliebtesten Studios der Stadt ("Happy Needles“). Neu ist die Idee, mit Gratis-Tattoos Aufmerksamkeit zu generieren, nicht: Vor vielen Jahren war Weber selbst an einer solchen Aktion beteiligt. "Damals bekam man einen Jahresvorrat Tequila, wenn man sich das Logo der Marke tätowieren ließ“, erzählt sie. "Das Logo war aber optisch so ansprechend und klein, dass die Aktion wegen des großen Erfolgs gestoppt werden musste.“ Die Empörung rund um die Klimaticket-Tattoos kann sie nicht nachvollziehen. Man müsse ohnehin mündig sein, um sich "pecken“ lassen zu dürfen. "Junge Menschen lassen sich heute so vieles tätowieren, da ist das auch schon wurscht. Und der Werbeeffekt ist jedenfalls genial.“

Ob als Marketinginstrument oder zur privaten Körperverzierung: Tattoos garantieren Aufmerksamkeit, weil sie eben (fast – siehe unten) für immer sind. Ein Ehering lässt sich abziehen, ein eingebrannter Name kann nur noch mühsam und kostspielig weggelasert werden. Dennoch steigt die Tattoo-Nachfrage vor allem in der vermeintlichen "Generation unverbindlich“ stetig an: Jeder vierte Österreicher hatte im Jahr 2019 zumindest eine Tätowierung, bei den unter 35-Jährigen fast jeder Zweite.

Akzeptanz

Damit bröckelt auch das gesellschaftliche Stigma. Sogar die Polizei hat mit Anfang Juni ihre Tattoo-Vorschriften gelockert. Die Körperverzierungen seien heutzutage ein "Bestandteil der Lebenskultur“, sagte der Innenminister, und diesem Umstand wolle man nun Rechnung tragen.

Der Hauptgrund ist freilich, dass auch die Polizei unter Personalmangel leidet und sich tätowierte Arme als Ausschlussgrund nicht mehr leisten kann. Denn: "Gerade die junge Generation neigt zu exponierten Körperstellen“, berichtet Weber. "Als ich begonnen habe, hieß es noch: Bitte versteckt. Jetzt sind Tattoos Statussymbole, die man herzeigen will. Die Hemmschwelle ist gesunken.“ Selbst im Gesicht steche sie heute "wesentlich öfter als früher“.

Flo Weiss, Inhaber des Studios "Dots and Daggers“, empfiehlt Neu-Kunden, stets sichtbare Körperstellen wie Hals oder Handrücken zu überdenken. "Mit 18 meint man immer, man hat gute Ideen – aber man weiß nie, wo es einen noch hinführt. In manchen Branchen ist das immer noch nicht so gerne gesehen.“ Auch von Beziehungstattoos rät Weiss ab, "es sei denn, man ist schon fünfzig Jahre verheiratet“.

Apropos: Mittlerweile legen sich auch 60-, 70-, und 75-Jährige bei ihm unter die Nadel. Vom verruchten Gefängnis-Image der Tattoos sei eben nicht mehr viel übrig, sagt Weiss. "Es gibt heute viel mehr Offenheit. Je mehr Tattoos man sieht, desto mehr Leute wollen eines.“

Freiheit

Derzeit angesagt sind ohnehin feine, fast unsichtbare Motive, so genannte Fineline-Tattoos. Als wandelnde Vorlagen dienen Stars wie Megan Fox und Hailey Bieber, die ihre zarten Körperkunstwerke auf Instagram zur Schau stellen. Das Innere wird nach außen getragen: Lebensmottos, Schriftzüge, ein bedeutsames Datum. Oder eben die Einstellung zum Klimaschutz. "In einer Zeit, die für die Jugend durch Verbote geprägt ist“, sagt Weber, "ist die Gestaltung des eigenen Körpers eine Bastion der Freiheit.“

Mit allen Konsequenzen: Gerade arbeitet Weber an einem "Cover-up“, der Umgestaltung eines Rammstein-Tattoos. Nach dem Skandal um die Band hatte es sich ein einstiger Fan dann doch anders überlegt.

PR, die unter die Haut ging

Für das Klima

Besucher des Frequency- oder Electric-Love-Festival konnten für ein Klimaticket (ca. 1.000 € für ein Jahr) mit einem entsprechenden Tattoo bezahlen. Der Körper als Werbefläche? Die Kritik an der Aktion von Ministerin Leonore Gewessler war groß, die   SPÖ stellt nun sogar eine parlamentarische Anfrage.  

Für die Kirche

Im April konnten sich Gläubige im Stephansdom ein christliches Motiv stechen lassen. Die Idee kam von der Ordensgemeinschaft "Quo Vadis“: Man wolle "Tattoos nicht dem Körperkult oder der Esoterik überlassen“.

Für die Medizin

Die Zahl der Organspender ist zu niedrig. Um  Bewusstsein zu schaffen, entwickelte der deutsche Verein Junge Helden  ein spezielles Symbol (aus O und D), das sich potenzielle Spender kostenlos tätowieren lassen können. Die Resonanz sei bisher sehr gut.

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