Straßenbahn-Geschichte in Wien: Warum Tausende die 13-Bim betrauerten
Pferde-Omnibusse, Dampfloks, Doppeldecker, Straßenbahn: Die Geschichte der Öffis in Wien - Eine Zeitreise mit denkwürdigen Stationen.
Eine Mischung aus Volksfest und Begräbnis: Am 1. Juli 1961 kamen Tausende zum Südbahnhof, um Abschied zu nehmen. Die "schöne Leich" war der "13er".
Speziell diese Tram hatte den Wienern immer schon Emotionen abgerungen: Gehasst, weil sie auf ihrer Berg- und Talfahrt vom 4. Bezirk zur Alser Straße im 8. so viel Radau machte; geliebt, weil sie eben auch Teil des Grätzels und Alltags war. An diesem Abend wollten viele Menschen sie noch einmal sehen, drängten ins Wageninnere oder klammerten sich außen fest.
Im Gefolge der blumengeschmückten Tram fuhr bereits ihr Erbberechtigter mit: ein rot-weißer Doppeldecker, der als "13 A" die Route übernehmen sollte. In den 60ern wurden viele Linien von Straßenbahn- auf Autobusbetrieb umgestellt. Der Abschied vom "13er" aber schien besonderen Wehmut zu wecken.
100 Jahre zuvor, um 1865, war Wien eine florierende Metropole, die mit ihren Vorstädten verschmolz: Am Rand siedelten sich Fabriken an, im Zentrum war die Stadtmauer geschliffen und durch die Ringstraße ersetzt worden. In den Straßen zogen Bauern und Händler ihre Leiterwagen oder spannten Hunde davor. Wer Geld hatte, leistete sich einen Einspänner.
Mit Pferde-Omnibussen ging alles los
Um eine größere Zahl an Menschen auf fixen Routen zu transportieren, etablierten sich von Pferden gezogene Omnibusse. Zudem wurde 1865 der Bau einer Probestrecke für eine Pferde-Eisenbahn vom Schottentor bis Hernals genehmigt. Die Tests überzeugten: Drei Jahre später beauftragte die Gemeinde die "Wiener Tramway Gesellschaft" mit dem Bau eines Bahnnetzes. Ab 1868 pendelte damit der erste Vorfahre der Bim regulär zwischen Schottentor, Ringstraße, Aspernbrücke und Radingerstraße.
Wiener misstrauten der Bim
Die ersten elektrischen Straßenbahnen sorgten für Argwohn und fuhren nur außerhalb dicht verbauter Gebiete. Erst 1895 waren Vertrauen in die Technik, Geld und der politische Wille groß genug: Die "Elektrische" durfte nun innerstädtisch fahren.
Verschobener U-Bahn-Bau: Eine unendliche Geschichte
Als mit dem Ersten Weltkrieg Pferde, Loks und Autos Richtung Front verschwanden, blieb den Wienern nur die Straßenbahn. Nach dem Krieg sollten die Pferde-Omnibusse nicht zurückkehren. Stattdessen nahmen Benzin- und Elektrofahrzeuge ihren Platz ein – ein erstes bescheidenes Busnetz. Auch hatte der Krieg alle Pläne einer U-Bahn zerstört, ihr Bau verzögerte sich um Jahrzehnte. Dafür beschloss die Gemeinde, die Gürtel-, Donaukanal- und Wiental-Linie zu elektrifizieren und ab 1925 schrittweise zu betreiben. Aber: Erneut stoppte ein Krieg den Tatendrang.
Erneuter Aufschwung. Nach dem Zweiten Weltkrieg saß das Geld dank Inflation lockerer, doch es gab wenig zu kaufen. Was es gab: Fahrkarten, um z. B. an den Endstationen der Bim Rodel- und Skipisten, Spazier- und Wanderwege aufzusuchen. Allein 1947 verzeichneten die Verkehrsbetriebe 640 Millionen Fahrgäste.
Ausflugtipp
Remise - Verkehrsmuseum der Wiener Linien
Fruethstraße 2, 1030 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch 9-18 Uhr, Sa und So 10-18 Uhr
Mit dem Siegeszug des Autos wurde die Straßenbahn aber ab den 50ern zunehmend als platzraubendes Verkehrshindernis gesehen. Linien wurden aufgelassen und durch Busse ersetzt. So auch der "13er". Wobei der Doppeldecker, der ihm folgte, ebenfalls nach 29 Jahren eingestellt wurde. Die Wiener, die meist nur kurze Strecken fuhren, stiegen ungern die Treppen hoch, so die Begründung. Das Oberdeck blieb leer, unten staute es sich. Heute pendelt ein Gelenkbus vom Hauptbahnhof (einst Südbahnhof) zur Alser Straße.
Und trotzdem: Mit dem weltweit sechstgrößten Straßenbahnnetz ist die Bim immer noch Fixpunkt im Wiener Stadtleben.
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