Skandale, Sex & Bestseller: Vor 25 Jahren starb Harold Robbins

Der erfolgreichste Autor der Welt? Harold Robbins. Er verkaufte mehr als 750 Millionen Bücher, da kommt nicht einmal J. K. Rowling ran. Er starb mit 1 Million Dollar Schulden. Ein Porträt.

Acapulco, Beverly Hills,  St. Tropez – Harold Robbins hatte Villen, wo sich andere nur hinträumen konnten, dazu eine 30-Meter-Yacht und eine Affäre mit einer italienischen Gräfin an der Côte d'Azur. Und der Gattin eines CEOs des amerikanischen TV-Riesen ABC, der Ehefrau von Sammy Davis jr., mit Schauspielerinnen, Models und einer Legion namenloser Starlets und Möchtegern-Sternchen, die den Autor anhimmelten. Oder sich ganz pragmatisch von ihm bezahlen ließen, Robbins war nicht kleinlich und peinlich war ihm schon gar nichts.

Umringt von leicht bekleideten Schönheiten – so sah Robbins sich selbst am liebsten

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In den 1960ern häufte er ein kolportiertes Vermögen von 50 Millionen Dollar an, war tatsächlich der reichste Schriftsteller, den die Welt bis dahin gesehen hatte – und lebte das Leben der Helden aus seinen Büchern, die ihm dazu verholfen haben.

Der Mann, der den Sex erfand

Die Playboys, Die Unersättlichen, Der Clan, Die Bosse, Der Pirat – die Titel seiner Romane waren so kurz, wie die Verkaufszahlen hoch. Und sie lösten in den 60er- und 70er-Jahren bei einem weltweiten Publikum augenblicklich Assoziationen aus: Machtspiele, Intrigen, Geld – und jede Menge Sex. Auf Partys, zu denen Normalsterbliche nie eingeladen werden, in sündteuren Autos, auf Luxus-Yachten, Film-Sets, aber auch in Gegenden, die zu gefährlich für einen touristischen Ausflug sind. „The Man Who Invented Sex“ heißt nicht umsonst eine Biografie, die zu seinem zehnten Todestag erschien.

Schon sein erster Roman brachte die Polizei auf den Plan.  „Die Wilden“ erschien 1948  und wurde sofort von der Sittenpolizei beschlagnahmt. Genau wie der aktuelle Roman von William Faulkner. Ein glorreiches Debüt für den damals 32-jährigen Robbins, zumindest aus marketingtechnischer Hinsicht. Denn die Anwälte seines Verlages brachten das Verbot zum Kippen – und die skandalträchtige Story  um den Aufstieg eines New Yorker Gangsters kletterte prompt ganz nach oben auf die Bestseller-Listen.

Der Meister und seine Maschine. 40 Seiten täglich tippte Robbins – auf zwei Fingern – wenn er einmal in Schwung war

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Ausgangspunkt für diesen Erfolg war weniger künstlerische Getriebenheit als eine profane Wette: Robbins arbeitete zu der Zeit erfolgreich in der Finanzabteilung von Universal Pictures und ärgerte sich, für welchen „Schrott“ an Romanen die Filmfirma horrende Summen ausgab. „Das kann ich besser!“, meinte er arrogant und setzte 100 Dollar auf sich selbst. Der Einsatz wurde ihm mehr als zurückerstattet – Universal Pictures verfilmte seinen Erfolgsroman mit Steve McQueen und John Barrymore (Vater von Drew) in den Hauptrollen.

Der erste, aber bei weitem nicht letzte Film, der eine seiner Geschichten erzählt. Gleich zwölf seiner Romane wurden verfilmt, und wer Martin Scorseses „Aviator“ (2004) gesehen hat, wird nicht umhin kommen zu vermuten, dass der Regisseur Robbins „Die Unersättlichen“ mehr als einmal gelesen hat. Denn darin beschreibt er den Aufstieg und den sich abzeichnenden Fall des mysteriösen Multimillionärs Howard Hughes auf beeindruckend lebendige Weise. Und seine Story kommt sogar aus erster Hand: „Wir waren gut befreundet, hatten viel Spaß zusammen. Zumindest als Howie noch Spaß hatte“, erklärte er gerne in Interviews.

Aber wie kam es dazu, dass der kleine dicke Mann aus einer miesen Gegend Brooklyns, der nie eine Universität besucht hatte, überhaupt mit einem der reichsten Männer der Welt Party machte?

Der Geschichtenerzähler

Auch wenn er selbst es erst mit 32 Jahren merkte: Harold Robbins war ein begnadeter Geschichtenerzähler. Das machte auch vor seiner eigenen Lebensgeschichte nicht halt. Er sei als Baby abgelegt vor einer Kirche gefunden und in einem katholischen Waisenhaus aufgezogen worden, hieß es lange. Bis er mit elf Jahren von der jüdischen Familie Rubin adoptiert wurde, die er liebte, von wo er aber mit 15 ausriss, um schließlich als Flieger und Spekulant mit 20 seine erste Million zu machen, die er in den Wirren vor dem Zweiten Weltkrieg wieder verlor. Eine Story, die verfilmt werden könnte, man sieht sie praktisch vor sich. Auch weil Robbins sich quasi in eines seiner eigenen Bücher geschrieben hat, oder vielleicht auch einen seiner Helden in sein Leben – denn nichts davon ist wahr, wie sein Biograf Andrew Wilson  recherchierte.

Robbins kam als Sohn der gutbürgerlichen Familie Rubin zur Welt, er schloss die Highschool ab und landete schließlich bei Universal. So weit, so normal – und untypisch für Robbins. Es entsprach nicht dem Bild, das er in seinen Büchern von seinen Helden zeichnete. Echte Macher, die sich ein Imperium aufbauen, hart, skrupellos, aber auch unwiderstehlich. Sie nehmen sich, was sie wollen – weil sie es können. Also hat Robbins den ersten Teil seines Lebens kurzerhand umgeschrieben. Und lebte im zweiten seine eigene Fiktion. Und zwar in einem Ausmaß, die sogar  Kaliber wie „Hustler“-Herausgeber Larry Flynt erstaunten: „Ich war auf einigen seiner Orgien“, sagte er, „es war der Stoff, von dem du liest – von dem du dir aber nicht vorstellen kannst, dass du ihn selbst erlebst.“

Flynt war einer der wenigen, die zugaben,  dabei gewesen zu sein. Wer von seinen anderen Partygästen, dürfen wir raten: Brigitte Bardot, Gunter Sachs, Alain Delon, Charles Bronson, Henry Fonda, Glenn Ford,  Diana Rigg, Michael Caine, Rita Hayworth,  Bette Midler, Tony Curtis, Diana Ross, Ryan O’Neal, Ringo Starr, Adnan Khashoggi – „man freute sich über eine Einladung wie über einen Lottogewinn“, erinnerte sich Carroll Baker, Star aus den „Unersättlichen“. Verbürgt ist, dass es mit Sammy Davis jr., dessen Ehefrau  Altovise und Robbins Frau Grace zu einer kleinen Privat-Orgie kam, wie sie in ihrer Autobiografie: „Cinderella And The Carpetbagger“ beschreibt.

Kritiker & Kaviar

„Sogar wenn Harold Robbins aufhören würde zu schreiben, wäre ihm allein mit diesem Buch ein Platz in der Literaturgeschichte sicher“, schrieb das Life Magazine über seinen dritten Roman, „Ein Stein für Danny Fisher“ (1951). Hätte Robbins nur aufgehört – zumindest wenn’s um seinen Platz in der Literaturgeschichte geht. Denn die Kritiker hassten seinen späteren, immer schablonenhafteren Stil. Ihm war’s wohl egal, als Hemingway ihn fragte, was er sich von einer Literatur-Karriere erträume, meinte er lapidar: „Reichtum.“  Genau das hat er geschafft. Und immerhin: Welcher Schriftsteller  kann von sich schon behaupten, dass der Papst bei ihm gebeichtet hätte? „Ich habe zwei Ihrer Bücher gelesen. Aber das ist alles, was ich zu Ihrem Werk sagen werde“, erklärte Papst Paul VI. Harold Robbins bei einer Audienz.

Ein Stein für Danny Fisher wurde als "Trouble" bzw. "King Creole" mit Elvis Presley verfilmt. Und gilt als die einzig gute Rolle, die der "King" je gespielt hat.

Autorenkollegen schätzten ihn hingegen durchaus. William Faulkner tröstete Robbins damit, dass die Rezensionen seiner Bücher noch schlechter seien, Mario Puzzo war oft bei Robbins zu Gast, mit John Steinbeck verband ihn eine lange Freundschaft. Worum sich ihre Gespräche drehten? „Weiber“, erklärte Robbins in einem Interview mit dem New Yorker. Robbins pflegte den Stil eines derben Selfmade-Typen. Im New Yorker Four Seasons traf er einen Produzenten zum Essen und  schaufelte sich löffelweise Kaviar auf seinen Salat. Der Produzent fragte ihn, wie das Gericht heiße. „Geld“, sagte Robbins und stopfte sich einen Löffel Kaviar in den Mund.

„Das Leben mit ihm war eine Zeit lang wie ein Traum“, erinnert sich Ehefrau Grace Robbins in ihrem Buch. Auch wenn er ihr mit seinen  Affären einiges zumutete –  der Lifestyle machte doch viel wett, wie sie freimütig zugibt. Und genau dem zollte Robbins schließlich Tribut. Schlaganfall, gebrochene Hüfte, Rollstuhl mit 66. Die Frau weg, das Geld auch nach und nach.

Am 14. Oktober 1997 starb Robbins mit einer Million Dollar Schulden in Palm Springs. Aber vielleicht erlebt ja zumindest sein Werk ein kleines Revival. „Die Serie Mad Men hat alle Elemente einer Robbins-Story“, verweist sein Biograf auf die Aktualität des Schriftstellers. Und man könnte noch einen Schritt weitergehen und fragen, ob „GoT“ ohne ihn je passiert wäre:  Denn es war die „Robbins-Formel“ mit der George R. R. Martin die Fantasy-Welt revolutionierte: Machtspiele, Gewalt, Intrigen – und Sex.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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