Ein Mann in blauer Badehose und eine Frau in orangem Badeanzug stehen auf Steinen am Rand des Wiener Donaukanals - und werden schwimmen gehen.

So aufregend ist das Schwimmen im Wiener Donaukanal

Paris feierte, dass die Seine sauber für Olympia wäre. In Wien schwimmen Menschen im Donaukanal. Das sorgt für Begeisterung – und einen Hubschraubereinsatz.

Vorsichtig tasten sich Menschen in Badekleidung über die Steine zum Wasser. Hinter ihnen bildet sich eine Schlange. Die einen freuen sich auf das Schwimmen im Wiener Donaukanal.

 Die anderen, die zum ersten Mal dabei sind, wirken noch etwas angespannt. Nur einen Rennradfahrer scheint das Bild, das sich nahe der Friedensbrücke bietet, ein wenig kalt zu lassen.

„Der Donaukanal ist ja nicht die Seine“, raunt er seinem Kollegen zu. Stimmt. In der Pariser Hauptstadt war das Baden im verdreckten Fluss ein Jahrhundert lang verboten. 

Schwimmen bei den Olympischen Spiele in Paris in der Seine

Zuletzt wagten sich die Bürgermeisterin und Sportministerin öffentlichkeitswirksam hinein. Sie zeigten damit, dass der Fluss sauber genug sei für Schwimmbewerbe der Olympischen Spiele und später auch für die Bevölkerung.

In Wien haben Studierende der Angewandten bereits vor einigen Jahren den Schwimmverein Donaukanal gegründet. Sie wollten den Fluss als innerstädtische Badestelle wiederbeleben – und den Donaukanal als öffentlichen, konsumfreien Abkühlungsraum verstanden wissen.

Anfängern flößt das Vorhaben etwas Respekt ein. Vom Ufer aus wirkt die Strömung schnell. Und dann ist da noch das vom Donauschlamm trübe, grau-grünliche Wasser, das ins Bräunliche geht. Nur nicht beim Einsteigen ausrutschen, wie es der französischen Sportministerin passiert ist.

Sie scheiterte zunächst vor laufender Kamera an der glitschigen Einstiegsstelle. Kurz durchatmen, Mut fassen – und ab in die Fluten. Das Wasser ist erstaunlich angenehm an diesem schönen Sommerabend. 21 Grad hat es. Die Strömung sorgt für Tempo, etwa so schnell wie ein flotter Fußgänger. Das Wasser wirkt sauber. Die wohl häufigste Frage, die man als Schwimmer hört „Der Donaukanal? Ist der nicht dreckig?“

Wie ist die Wasserqualität im Wiener Donaukanal?

Laut Schwimmverein nicht. Der Donaukanal ist keine offizielle Badestelle. Deshalb gibt es keine Proben von offizieller Seite. „Wir haben intern stichprobenartig die Wasserqualität getestet, die Ergebnisse waren knapp unter Trinkwasserqualität“, sagt Anna Zettl vom Kernteam des Vereins. „Bis auf das ein oder andere aufgekratzte Knie beim Einstieg hatten wir noch keine negativen gesundheitlichen Folgen.“

Eine junge Frau mit Kappe steht angelehnt an Schließfächern am Donaukanal. Im Hintergrund ist es grün

Anna Zettl vom Kernteam des Schwimmverein Donaukanal.

©Kurier/Tobias Steinmaurer

Sie gibt aber zu bedenken, dass sich das nach Regen und Unwettern schnell ändern kann: „Wenn das Wasser braun ist, Äste und Müll darin schwimmen, empfehlen wir, nicht hineinzugehen.“

Eigenverantwortung wird hier groß geschrieben – und unterschrieben. Wer schwimmen will, so wie die rund 20 Personen unterschiedlichen Alters, die diesmal zum StammFISCH des Vereins gekommen sind, muss einen Haftungsausschluss unterschreiben.

In den Donaukanal nur auf eigene Gefahr

Vor dem Einstieg hat Gründungsmitglied Fabian Ritzi, der heutige „Host“, allen noch einmal eingeschärft: „Wichtig ist, wir sind keine Rettungsschwimmer – und alles passiert auf eigene Verantwortung.“ Er hat auf die Gefahren der Strömung im Kanal und der Schifffahrt hingewiesen.

Menschen in Badebekleidung gehen eine Stiege hinab - entlang einer Mauer voll mit Graffiti-Schriftzügen

Schwimmen in der Großstadt: An  Graffiti vorbei geht es nach einer kurzen Einweisung im Gänsemarsch zum Wasser  

©Kurier/Tobias Steinmaurer

Grundsätzlich ist das Schwimmen im Donaukanal erlaubt – aber eingeschränkt: Verboten ist es 100 Meter flussaufwärts bis 50 Meter flussabwärts in der Nähe von Hafeneinfahrten und Schiffsanlegestellen. Verboten ist auch das Schwimmen in der Fahrrinne von Schiffen und das Schwimmen näher als 30 Meter an vorbeifahrenden Fahrzeugen. 

Einige Teilnehmer verfolgten deshalb vor dem Einstieg vom Ufer aus auf ihrem Smartphone den Kurs eines Ausflugsschiffes. Als dieses vorbeifährt, schiebt es eine große Welle vor sich her. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – und der Schwimmer.

Die Stadt rauscht vorbei. Es ist so, wie Zettl sagt: „Wo man sonst vorbeigeradelt oder-gegangen ist, schwimmt man. Man lernt die Stadt von anderen Blickwinkeln kennen.“ Passanten am Ufer bleiben stehen und schauen zu. Bevor es unter einer Brücke hindurchgeht, winken einige von oben herab. Euphorische Schwimmer winken zurück. Andere jauchzen. Vorstandsmitglied Robert Jirik drückt seine Begeisterung mit seinen Zehennägeln aus. Die hat er sich spontan bei einem Ausflug nach Ungarn in den Farben eines grau-türkisen Donaukanalwassers lackieren lassen.

Eine türkis-grüne Badetasche. Davor steht ein Fuß mit türkis lackierten Zehennägeln.

Vorstandsmitglied Robert Jirik zeigt seine Begeisterung fürs Wasser mit den Zehen .

©Kurier/Tobias Steinmaurer

 „Die Dame im Nagelstudio meinte, das mache sie nur für Frauen.“ Doch er konnte sie überzeugen. „Der Orbán sieht das sowieso nicht.“

Großeinsatz mit Hubschrauber wegen der Schwimmer

Sorgen ganz anderer Art machten sich zuletzt Zeugen des Spektakels – und wählten den Notruf, weil sie Menschen im Kanal gesehen haben. Bereits zweimal in dieser Saison mussten die Einsatzkräfte mit Funkstreifen und Booten ausrücken – und auch ein Hubschrauber kreiste über dem Donaukanal. 

„Wenn Menschen mit bunten Säcken und Badehauben schwimmen und nicht nach Hilfe schreien, sollte normalerweise kein Anlass zur Sorge bestehen“, sagt Fabian Ritzi.

Mehrere Schwimmer im grau-braun-grünen Donaukanal nähern sich der Ausstiegsstelle an einer Mauer.

„Host“ Fabian Ritzi (vorne rechts) leitet die Schwimmer zum Ausstieg.  Die Strömung verliert nahe der besprühten Mauer  ihre Kraft.

©Kurier/Tobias Steinmaurer

Am Samstagnachmittag, 7. September, wird so etwas eher nicht passieren. Der Verein feiert dann mit einer Schwimmparade die erste offiziell angemeldete Schwimmveranstaltung im Donaukanal seit fast 100 Jahren. Samt Begleitbooten von Einsatzorganisationen. 

„Wir dürfen offiziell einladen, werben. Wir dürfen sichtbar sein“, sagt Zettl. 50 Startplätze gibt es für Mitglieder (mehr Infos unter schwimmvereindonaukanal.org).

Schnell ist die Schwimmtour wieder zu Ende.

©Kurier/Tobias Steinmaurer

Die Innenstadt kommt näher. Der Ringturm, der vor Kurzem noch klein und weit entfernt schien, wird immer größer. Auf dessen Höhe ist die von „Host“ angekündigte Ausstiegsstelle. Die Strömung verliert nahe der mit Graffiti besprühten Mauer ihre Kraft. Über eine Stufe geht es mühelos aus dem Wasser. Die Schwimmtour ist dann doch recht schnell vorbei. Zu schnell.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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