Rollschuhlaufen: Ein Lifestyle-Trend kommt in Fahrt
Roller Skater schwärmen vom Sport auf acht Rädchen. Die freizeit dreht eine Runde von Wien über Barcelona bis Los Angeles.
Treffpunkt am Ausgang der Wiener U-Bahn-Station Spittelau. Drei junge Frauen mit Rucksäcken hängen ein Plakat ans Geländer und beginnen den Asphalt zu kehren. Unter ihnen donnert die U4, über ihnen grollte eben noch der Himmel, es hatte geregnet. Weitere Leute mit großen Taschen kommen an, wechseln ihre Schuhe gegen Stiefel, an denen je vier Rollen befestigt sind. Es sind Rollschuhfahrer, die zum ersten „Meet up“ in Wien gekommen sind. Plötzlich tönt der Beat aus der Musicbox: Funk & Soul, Hip-Hop, R&B. Es wird getanzt, mit langen Schwüngen und Drehungen, oder ein wenig strauchelnd, mit rudernden Armen, um das Gleichgewicht zu finden. Steinchen und Regenpfützen würden nur stören, deshalb der Putzeinsatz.
Jeder ist willkommen, der Rollschuhfahren mit Tanzen kombinieren will. „Powerjam steht“ auf dem Plakat, Eva „Bitchy“ Baumgartner und Riannon „Moloko“ Clarke haben den gemeinnützigen Verein 2020 gegründet und den Rollsport in Wien bekannter gemacht.
Es gibt mittlerweile eine große Skate Community, die international über Social Media verbunden ist.
Tanz um die Räder
Es scheint, als ob in letzter Zeit ein Nostalgietrend ins Rollen gekommen ist. Ein paar Klicks durch das TikTok-, Instagram- und YouTube-Universum zeigen: Die Welt dreht sich auf acht kleinen Rädern, unter den Füßen gleitender, grinsender Frauen und Männer. Der eben erschienene Bildband „Roller Skates. Life is better on 8 wheels“ (TeNeues) gibt einen Überblick und porträtiert internationale Rollerskater von München bis Los Angeles. Dabei geht es ausschließlich um den Rollschuhsport, etwa das Roller Derby – ein recht ruppiger Teamsport – und das Park Skaten, bei dem waghalsige Sprünge und Tricks gezeigt werden.
Let's roll: Rollschuhfahren in Wien bei "Powerjam"
An erster Stelle steht aber das Tanzen mit Rollschuhen. Das ist es auch, was seit einigen Jahren immer mehr Menschen bewegt, Michelle Barrios etwa. Die Skaterin hat ihre Leidenschaft 2011 entdeckt, bemühte sich den Roller Dance bekannt zu machen und initiierte 2015 das Skate Love Festival in Barcelona. Ein Festival, bei dem übrigens auch die Wiener Powerjammerinnen immer gerne dabei sind.
Auch der Kanadier Keegan Shim lässt das Festival nicht aus und begeistert mit einer besonderen Leichtigkeit seiner Moves, die er als ehemaliger Tänzer fast schwebend ausführt. Die gebürtige Kalifornierin Keon Saghari hatte gar eine internationale Karriere hinter sich, als sie sich für ihre Rolle vorwärts entschied: „Meine Beziehung zum Tanz war nicht mehr so erfüllend wie zuvor“, sagt sie in „Roller Skates“. „Ich habe damit begonnen, um meinen Körper weiterhin zu bewegen und um Musik auf ähnliche Weise wie beim Tanzen zu genießen, aber ohne den Druck und die emotionale Belastung.“ Wer die Superstars Pink und Usher Rollschuh-laufend auf der Bühne oder in Musik-Videos gesehen hat, Saghari war sicher dabei. Ansonsten gleitet sie am liebsten unter den Palmen von Venice Beach dahin. Ihr Stil: Ballett, Modern Dance, Jazz und Hiphop.
Rad der Zeit
Der erste Rollschuh soll 1760 von einem Belgier erfunden worden sein. Die meisten erinnern sich eher an die Siebziger und Achtziger-Jahre, als man sich erst einmal die Knie blutig schürfte, um bald mit wehenden Haaren und auch rückwärts durch den Sommer fuhr, in der Rollschuhdisco seine Runden drehte. Das taten auch Cher 1979 im berühmten Empire Roller Disco Skating Rink in New York City und Marcus Schenkenberg 1989 mit nacktem Oberkörper und rosa Höschen am Venice Beach. Wo denn sonst?
San Francisco wär noch eine Möglichkeit. Hier begann Richard Humphreys Geschichte des Roller Dance. Er erlebte, wie Rollen und Tanzen in den Siebzigern eins wurden. Tutorials oder Vorbilder in sozialen Netzwerken waren nicht annähernd in Sicht. „Menschen aller Hautfarben kamen damals im Park zusammen, es kam einfach jeder. (…) Wir waren nur wenige, aber unser Tanzstil begann sich zu entwickeln.“
Und entwickelt sich immer weiter. Es sind vor allem die Großstädte, in denen immer wieder Menschen auf Rollschuhen gesichtet werden. Die Münchnerin Nicole Adamczyk trifft man vor allem auf der Theresienwiese. Für sie bedeutet der Sport Freiheit, er helfe ihr abzuschalten. Der sagt sie, dass es sich dabei dennoch immer um eine Nische handeln wird. Die Wienerin Eva Baumgartner bestätigt das auch für Wien, wobei der Höhepunkt hier noch nicht ganz erreicht sei. Deshalb träumt sie auch von einem festen überdachten Platz in Wien, am liebsten im Prater.
Bis dahin gibt es Meet-ups der Community in der Stadt und Rollschuhlaufen im Juni am Heumarkt. Dass der Wiener Eislaufplatz wie jener am Rockefeller Center in New York jetzt auch als Rollschuhbahn genutzt wird, ist eine tolle Sache. In New York geht das bis Oktober, in Wien immerhin den ganzen Juni lang. Let’s Roll!
Termin-Tipps: Hier kommt was ins Rollen
Community, Kurse und Workouts
Powerjam bringt Quadrollerskating-Communities in Wien zusammen (Tanz, Rhythm, Jam, Park Skating und Roller Derby). Fokus liegt auf Quad Roller Skates (klassische Rollschuhe, auch „Disco Roller“ genannt), rollerskate.at
Roller Dance im Wiener Eislaufverein
FM4 Powerjam Roller Disco mit Soul Funk, Hip-Hop, R&B. 3. Juni, Einlass: 17 Uhr, Beginn 18 Uhr, Tickets 16 €
Freies Skkaten am 9., 10., 16., 17. und 25. Juni jeweils von 17 bis 21 Uhr. Eintritt frei! wev1867.at
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