Literaten auf der Poetry-Slam-Bühne: Die Popstars unter den Poeten
Die Literaturwettkämpfe sind weit mehr als ein Minderheitenprogramm. Heuer finden in Wien erstmals die deutschsprachigen Meisterschaften statt, die es seit den 1990ern gibt.
„Alle sind sie schon auf meiner Bühne gestanden“, sagt Diana Köhle, Veranstalterin von mehreren Poetry Slams in Wien, unter anderem vom Slam B, der vergangenes Wochenende zum 100. Mal stattgefunden hat. Mit „alle“ sind etwa Rapperin Yasmo oder Kabarettist und Sänger Paul Pizzera gemeint.
Sie haben sich bei Poetry Slams bewiesen – literarischen Wettkämpfen, bei denen das Publikum entscheidet, wer die besten Texte am besten vorgetragen hat. Die ersten Slams gab es in Wien im Jahr 2004, damals noch sehr „undergroundig“, wie Köhle sagt. Mittlerweile seien die Veranstaltungen aber eine fixe Größe in dieser Stadt.
Das erkennt man nicht nur an den vielen Stars, die sich bei Slams erste Bühnenerfahrung geholt haben, sondern auch daran, was im Herbst ansteht: Von 2. bis 5. November werden die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften erstmals in Österreich stattfinden – im Burgtheater.
Die berühmtesten Poetry-Slammer Österreichs:
Die ersten Meisterschaften wurden bereits 1997 in Berlin abgehalten, seither jährlich in Deutschland oder in der Schweiz. Unter den Siegern sind literarische Größen wie Bestseller-Autor Marc-Uwe Kling („Die Känguru-Chroniken).
Nackt auf der Bühne
Die Stimmung sei immer sehr gut, sagt Köhle. Sie selbst beschränke sich auf das Moderieren, nur einmal habe sie selbst geslammt, „aber das ist nicht meine Ausdrucksweise“.
Als Veranstalterin habe sie erst zweimal jemanden der Bühne verweisen müssen – beide Male Männer, die randaliert und Sachen ins Publikum geworfen haben. Einer davon sei Marco Wanda, Sänger der bekannten Band Wanda, gewesen, so Köhle. „Er hat sich ausgezogen, ich hab ihm die Sachen dann nachgeschmissen“, sagt sie. „Das bereue ich bis heute, ich hätte ihn nackt gehen lassen sollen.“
Textlich ist bei den Auftritten nichts tabu, von berührend bis lustig ist alles dabei. „Früher war aber alles individueller“, sagt Köhle. Heute orientierten sich zu viele an den Youtube-Videos bekannter Poetry Slammer: „Ich würde mir wieder mehr Eigenständigkeit wünschen.“
Slams, die eine eindeutige politische Message haben, gibt es übrigens auch. Am Sonntag findet etwa einer zum Thema „Lobau bleibt“ im noch bestehenden Klimaaktivsten-Protestcamp in der Donaustädter Anfanggasse statt. Die mitgebrachten Texte sollen einen Bezug zum Klimaschutz haben.
Eine große Familie
Um bei Poetry Slams mitzumachen, muss man kein erfahrener Poet sein, gerade Köhles Slam B richtet sich auch an Anfänger – quer durch alle Altersschichten.
Die jüngste Künstlerin sei 14 Jahre alt gewesen, die älteste habe auf der Bühne ihren 80. Geburtstag gefeiert. „So eine Durchmischung hat man sonst nur auf Familienfeiern“, sagt Köhle. „Und das, was alle verbindet, ist die Liebe zur Literatur.“
Tipps für Poetry Slams
Liebes Tagebuch
Unter dem Motto „Stell dich deinen Jugendsünden“ lesen Teilnehmer aus ihren echten Tagebüchern vor. Das nächste Mal am 20. März im TAG
(6., Gumpendorfer Straße 67). liebestagebuch.at
Platzhirsch
Textstrom ist der dienstälteste Slam in Wien. Geslammt wird monatlich in der Brunnenpassage am Yppenplatz. Das nächste Mal am 19. März. textstrom.at
Seifenoper
Poetry Slam trifft „Gute Zeiten schlechte Zeiten“: Im Café 7*Stern (7., Siebensterng. 31) gibt es einmal im Monat unter dem Namen „Sinn & Seife“ Texte aus einer siebenköpfigen WG. Nächster Termin: 23. März. fomp.kupfticket.at
Zum Ausprobieren
Der Slam B, „The Slam to Be“
richtet sich explizit an alle, die das Slammen mal ausprobieren wollen. Die nächste Chance ist am 18. März im Literaturhaus Wien (7., Zieglergasse 26a). slamb.at
PowerPoint-Karaoke
Teilnehmer bekommen eine PowerPoint-Präsentation zugeteilt und müssen dazu improvisieren. Wieder am 3. März im Aera (1., Gonzagagasse 11). fomp.kupfticket.at/ppk
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