Neues Album: Damon Albarn meditiert über die Natur und die Zukunft

"Ich holte mir ein paar Orchester-Musiker und sagte: ,Spielt diese Landschaft, das, was diese Natur in euch auslöst.’“

Esja heißt der Bergkamm in Island, den Damon Albarn aus seinem Haus außerhalb von Reykjavik sehen kann. Wie eine Riesin mit langem Haar, das sich endlos ausbreitet, erschien der Esja dem Musiker, als er dort vor der Pandemie mit der Arbeit an seinem neuen Solo-Album „The Nearer The Fountain, More Pure The Stream“ begann.

„Ich hatte immer schon davon geträumt, Musik zu machen, wenn ich aus diesem Fenster schaue, weil das so ein guter Platz zum Meditieren ist“, erzählte der 53-Jährige, der mit Blur und den Gorillaz berühmt wurde, dem New Musical Express.

Freibrief

„Dann beauftragte mich ein Freund, der für ein Festival in Lyon arbeitet, Musik dafür zu schreiben. Er sagte: ,Du kannst machen, was du willst!’ Ein Freibrief, zu dem mir natürlich sofort etwas einfiel, was sonst nicht machbar gewesen wäre. Ich holte mir ein paar Orchester-Musiker und sagte: ,Spielt diese Landschaft, das, was diese Natur in euch auslöst.’“

Mit dabei war auch ein Musiker, der sich aus den Steinen aus Islands Flüssen eine Marimba gebaut hatte, indem er die Steine über viele Jahre so lange bearbeitete, bis sie genau den richtigen Ton hatten.

©REUTERS/DYLAN MARTINEZ

Einige Tage derartiger Improvisationen hatten Albarn und seine Mitstreiter aufgenommen, als die Pandemie kam. Das Festival wurde abgesagt, und in seinem Landhaus an der Küste in Devon arbeitete Albarn diese Improvisationen während des Lockdowns in Songs um.

„Manchmal, wenn ich in Island aus dem Fenster schaute, regnet es erst vertikal und sofort darauf horizontal, weil der Wind so bläst. Manchmal wird der Regen auch plötzlich zu Schnee, während man drauf schaut. Ich wollte all diese elementaren Erfahrungen in formellere Pop-Songs verwandeln, und so ist das Album zu einer Meditation über das Jetzt und die Zukunft geworden.“

Melancholisch

Mit Charts-Pop hat „The Nearer The Fountain, More Pure The Stream Flows“ natürlich nichts zu tun. Gewohnt eklektisch mischt Albarn die Orchester-Tracks, mit nachdenklichem Piano, elektronischen Klangverfremdungen und wunderbar melancholischen Melodien.

Für den Titelsong hat er das Gedicht „Love and Memory“ von John Clare bearbeitet. In den aus seiner Feder stammenden Texten geht Albarn neben der Natur und ihrer Bedrohung auch auf Erinnerungen an Reisen in den Iran oder Uruguay und die Auswirkungen der Pandemie auf die Menschheit ein.

Pläne mit diesem beeindruckenden Album auf Tour zu gehen, hat Albarn auch: Im Dezember will er mit kleinem Orchester in Kirchen und Konzertsälen in England auftreten, ab März mit derselben Besetzung nach Europa kommen.

Bis dahin ist das umtriebige Kreativbündel aber auch nicht untätig. Albarn arbeitet an einem neuen Gorillaz-Album und einem Netflix-Film über die Cartoon-Band. Und mit Blur will er auf Tour gehen, sobald die Pandemie das erlaubt.

Brigitte Schokarth

Über Brigitte Schokarth

Brigitte Schokarth kennt die Rock/Pop/Indie-Welt in allen Aspekten, pendelt für Konzerte zwischen Flex und Stadthalle, für Interviews zwischen Berlin, London und New York. Sie spricht genauso gern mit Robbie Williams und Pink wie mit Amanda Palmer und James Blake und spürt in den Clubs der Musikmetropolen Trends und Newcomer auf.

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