Was eine Techno-Nacht und eine Adelshochzeit gemeinsam haben

Feiern sind Pausen vom Alltag. Die flüchtigen Momente sind für uns Menschen wichtig. Das Wiener MAK widmet sich mit der Ausstellung „THE FEST“ ab 14. Dezember dem umfangreichen Thema.

Bacchus war ein Raver. Mit dem Auftauchen des Gottes des Weines, des Rausches, des Wahnsinns und der Ekstase etablierten sich im Rom um das zweite Jahrhundert vor Christus die Rituale der Bacchanalien. Menschen tanzten zu rhythmischen Klängen, nahmen psychotrope Gebräue aus Pilzen und Pflanzen zu sich und gaben sich rituellen sexuellen Praktiken hin.

Die Machthaber sahen ihre militarisierte, hierarchische Gesellschaft in Gefahr und reagierten mit heftigen Maßnahmen. „Der Kult wurde bei Todesstrafe verboten. Man merkte, der ist nicht mehr kontrollierbar“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Brigitte Felderer. Sie ist die Kuratorin der Großausstellung „THE FEST“ mit 650 Objekten, die ab 14. Dezember im Wiener MAK gezeigt wird und sich mit flüchtigen Ereignissen – von religiös-festlich bis exzessiv – auseinandersetzt.

Partylose Zeit ist dramatisch

„Das Fest ist ein Thema, das keinen Anfang und kein Ende nimmt. Aber wir haben gemerkt, was passiert, wenn es vorübergehend aussetzt. Wenn Feiern in Pandemie-Zeiten nicht mehr möglich sind, dann ist das dramatisch für ganze Gesellschaften.“

Ja, Pausen vom Alltag sind wichtig. Sei es, um neue Kontakte zu knüpfen, um auf andere Gedanken zu kommen oder schlicht und einfach nur, um Dampf abzulassen. Wobei sie bei Letzterem immer wieder Menschen stören, wenn das zu sehr ausartet. Das war im alten Rom nicht anders. „Unser ältestes Dokument, das wir zeigen, ist eine kleine Tafel aus der römischen Antike mit einem festgeschriebenen Festverbot.“

Exzess-Gott nach Peter Paul Rubens aus dem 17. Jahrhundert: Bacchus und der betrunkene Silen, Stecher: Frans van den Wyngaerde

©Mak

Bei der Ausstellung im MAK wird eine historische Kopie neben einem Modell platziert, das den Berliner Techno-Tempel Berghain in Ruinen zeigt. „Clubkultur ist zentral – für den städtischen wie den ländlichen Raum. Clubs erzeugen Freiheitsgefühle.“ Die Orte, in denen der Bass wummert, sind ein sicherer Ort für sexuelle Minderheiten, Exzess ist erwünscht und im Idealfall dringt – Stichwort Fotoverbot – auch nichts nach draußen.

Techno-Club Bassiani in Gefahr

Feiern ist auch politisch, damit kann Protest ausgedrückt werden. 2018 beendeten in Tiflis Polizisten, ausgestattet mit Maschinengewehren, eine Partynacht im Bassiani und sperrten zu. Öffentlich verlautbarter Grund: Drogenrazzia. Der Techno-Club im Bauch des georgischen Nationalstadions ist den christlich-orthodoxen, homophoben, nationalistischen Regierenden seit der Eröffnung ein Dorn im Auge. Hier feiern nicht nur junge Georgier. Gäste aus den umliegenden konservativen Ländern mit restriktiven Gesetzen kommen, um sich gehenzulassen – wie auch Touristen aus dem Westen, die in Tiflis das neue Techno-Dorado sehen.

Als die Schließung des Bassiani bekannt wurde, versammelten sich 15.000 Menschen zu einem Protest-Rave vor dem Parlament und forderten den Club zurück. Eine Rave-O-Lution mit Erfolg. „Die Polizei tut sich schwer, hart vorzugehen, wenn Demonstrierende tanzen und keine Rauchbomben werfen.“ Mit dem Motto der Tanzenden „We dance together, we fight together“ nehme man Aggressionspotenzial heraus, ohne an Nachdruck zu verlieren.

Rave-O-Lution vor dem Parlament in Tiflis im Jahr 2018 (von Naja Orashvili, Bogomir Doringer)

©Naja Orashvili, Bogomir Doringer

Es sei schon interessant, wie festliche Formate instrumentalisiert werden. „Egal ob es ein Fest von Maria Theresia war oder eine Techno-Nacht – es sind damit immer ernsthafte Interessen verbunden“, sagt die Kulturhistorikerin. Heute gehe es um Freiheitsgefühle, bei Maria Theresia um Repräsentation, Machtpolitik oder Heiratsinteressen.

Adelige spielen Bauern

Hochzeiten per se üben auf Menschen eine gewisse Faszination aus, wohl auch, weil sie den Lauf des Lebens verändern. Kaiserin Maria Theresia und ihr Mann Franz Stephan erfreuten sich an Bauernhochzeiten. „Unter diesem Motto haben sie große Redouten in der Hofburg gegeben. Das Bäuerliche wurde – aus sicherem Abstand allerdings – gefeiert und war vom aufklärerischen Gedanken ‚Zurück zur Natur‘ getragen.“

Echte Bauern mischten sich unter die Hofgesellschaft und machten sie etwas bunter. Adelige, die es gewohnt waren, schwere, ausladende Stücke zu tragen, ahmten den Furchenadel nach – auch wenn die einfach wirkende Kleidung aus Seide und Nerz-Borten bestand. „Es gab das Bedürfnis, ein bisschen informell zu sein. Leichtere Kleidung ermöglichte Beweglichkeit.“

Ein ägyptisches Fest in der Kellerstube des Landhauses Primavesi 1917/18: Gustav Klimt in der Mitte trägt ein Gewand aus dem Stoff der Wiener Werkstätte 

©Mak

Maskerade ist eben immer ein Stück Freiheit. „In Venedig fand 1951 der ‚Le Bal Oriental‘ statt, der oft als Ball des Jahrhunderts tituliert wurde. Bei diesem Maskenfest war die Gesellschaft durchmischt.“ Adelige trafen auf Künstler wie Salvador Dalí. Der exzentrische Millionär Carlos de Beistegui lud tausend Gäste, die in pompösen Roben mit Gondeln herangekarrt wurden.

Für die Nachkriegsgesellschaft spielten Standeszugehörigkeiten keine so trennende Rolle mehr. „Es zählte eher, kreativ, schön oder reich zu sein“, sagt Felderer. Der Jetset regierte nun, ihre Vertreter waren die Könige der Klatschspalten. „Feste ermöglichen eine andere Durchmischung.“

Der Winter Ball am 30. Dezember 1958 im Hotel Coulanges in Paris, fotografiert von André Ostier
 

©MaK

Dass bei Veranstaltungen wie dem ‚Le Bal Oriental‘ alle maskiert waren, machte die Sache noch einmal spannender. „Man wusste, mit wem man es zu tun hat, tat aber, als würde man sich nicht erkennen. Das ermöglicht wohl immer noch eine gewisse Koketterie.“

1. Mai und Kaiserbegräbnis

Ein anderer Meilenstein in der festlichen Historie sind für Felderer die ersten Feiern zum politischen 1. Mai in Wien in den 1890er-Jahren. Festparaden und Feuerwerke führten Menschenmassen zusammen. Plakate, Flugzettel und und Choreografien wurden lange vorbereitet. Bis zum Ende der Monarchie bestimmten ausschließlich Kirche und Kaiserhaus die öffentliche Festkultur. „Das Ende der Habsburger-Zeit wurde eingeläutet.“ Einschneidend war 1916 auch das Begräbnis von Franz Joseph in Wien. „Als der Kaiser zu Grabe getragen wurde, ging eine ganze Welt mit ihm unter.“ Bei der Ausstellung werden auch Filmaufnahmen der Zeremonie gezeigt.

Die Wiener und die schöne Leich faszinieren die Kunst. Haruko Maeda: Maria Anna von Österreich (o.)

©Haruko Maeda/Bildrecht, Wien 2022

Die Beerdigung von Elisabeth II. ist für Felderer ebenfalls ein prägender Moment. „Die Trauerfeier wurde ewig geplant. Sie war sehr festlich, und damit verbunden gab es das Gefühl, hier geht eine Epoche zu Ende und die Geschichte nimmt eine andere Wendung.“ Die Bilder würden auch nicht mehr aus unseren Köpfen gehen.

Feste müssen nicht immer lustig sein. Aber selbst solche, die auch unterhaltenden Anspruch haben, können mühsam sein. „Das Protokoll am Hofe war streng. Hier gab es Scherzgläser. Aus denen rann der Wein gar nicht heraus oder an Stellen, an denen man es nicht vermutet hat, um so auch Peinlichkeiten zu erlauben.“

 

Die Ausstellung

THE FEST. Zwischen Repräsentation und Aufruhr. 
Mi, 14.12.2022 bis Sonntag, 7.5.2023, Führungen jeden Samstag 16.30, jeden Sonntag 14.30 Uhr.
Anmeldung: mak.at/thefest

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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