Magische Welt der Wälder: In der Wurzel liegt die Kraft

Sie sind so selbstverständlich für uns da, dass wir sie oft nicht richtig zu schätzen wissen. Dabei sind sie überlebenswichtig: Eine Wanderung durch die magischen Wälder unserer Welt.

Wälder ziehen uns magisch an – und gleichzeitig stehen sie für das Unbekannte, das ursprünglich Natürliche, das uns auch ein wenig unheimlich ist.

Wir wollen uns hier nicht weiter mit dem alten Hut von „Hänsel und Gretel“ beschäftigen, obwohl es natürlich interessant ist, dass sie im Herzen des Waldes  ihr Schicksal, ihre Bestimmung treffen – ein Blick auf die angesagtesten TV-Serien der Gegenwart zeigt uns, welche Bedeutung Wälder auch heute noch in der populären Wahrnehmung haben: Die Elben Mittelerdes in „Die Ringe der Macht“, die mysteriösen „Kinder des Waldes“ aus „Game of Thrones“, aber auch die tatsächlich historischen Druiden der Kelten, die für sämtliche Zauberer aus Fantasy-Filmen, die wir kennen, Modell standen –  sie alle verehrten und schützten Bäume, sahen in ihnen etwas Magisches.

Märchenhaft: der seltene Eucalyptus deglupta, der „Regenbogenbaum“. Eine Pflanzung auf Maui, Hawaii, hat sich selbstständig gemacht

©Kamchatka / Dreamstime.com

Und auch der große österreichische Erzähler Joseph Roth konstatierte, dass eine Landschaft ohne Wald eine ohne Geheimnisse sei. Auf pragmatischer Ebene ist es ganz einfach so: Ohne Wald ginge es uns allen schlechter – und die Welt, wie wir sie kennen, würde nicht lange überleben.

Schützt den Regenwald, der den Mammutanteil an der Aufgabe übernimmt, unsere Atmosphäre überhaupt bewohnbar zu machen, ist mehr als ein leeres Schlagwort. Es ist dringliche Notwendigkeit ...

„Forests – From the Amazon Rainforest to the Siberian Taiga“ ist nur auf Englisch erhältlich. Die Bilder sind von Kieron Connolly. amberbooks.co.uk

©Amber Books Ltd

Schützenswert ist freilich jeder Wald – und ohne Elben, Kinder des Waldes oder zauberkräftige Druiden ist es an uns, dafür zu sorgen, dass er auch geschützt wird. Denn jeder Wald ist einzigartig. Und ein eben erschienenes Buch, „Forests“,  des britischen Autors und Herausgebers Kieron Connolly, beschäftigt sich genau mit dieser weltweiten Einzigartigkeit. Dabei geht es dem Londoner eben genau darum: Zu zeigen, WIE vielfältig die Bäume sind, die auf unserer Welt dafür sorgen, dass wir alle gut leben können. Wobei wir ihnen das, also ihr Bemühen, leider sehr oft nicht wirklich danken.

Überlebenskünstler

Ein ganz besonderer Buchenwald in Spanien kann im Herbst tatsächlich wirken, als wäre er von magischen Wesen bewohnt. Aus dem rotbraunen Blättermeer erheben sich im baskischen Otzarreta die Bäume, als würden sie ihre Arme weit ausstrecken, um uns etwas mitzuteilen. Oder sich zu schützen.

„Hände hoch!“ – die Buchen im baskischen Otzarreta, Spanien, wirken, als wollten sie uns etwas Wichtiges sagen ... im Wald hat man ja Zeit haben, zuzuhören

©Dreamstime/Broker

Entstanden ist dieses Phänomen, weil vor etwa 70 Jahren Waldarbeiter die Bäume auf einer Höhe von zwei bis drei Metern gekappt haben, um Holz für die Kohleerzeugung zu gewinnen. Die Natur hat sich angepasst, hat es geschafft zu überleben. Und diesen einzigartigen Wald erschaffen.

Mächtige Stämme und ein filigranes, ornamentales Geflecht an Zweigen verleihen dem Köcherbaum ein beinahe surreales Aussehen. Hier ein lichter Wald in Namibia

©Shutterstock/Shutterstock/Smelov

In scheinbar unwirtlichen Gegenden wachsen dagegen enorme Bäume Richtung Himmel, wie etwa die Köcherbäume Afrikas, mit ihren mächtigen Stämmen und diesem ornamentalen Geflecht an Zweigen, die sie wie überdimensionierte Pilze aussehen lassen. 200 bis 300 Jahre sind die Bäume im „Köcherbaumwald“ Namibias, eines  der ganz seltenen natürlichen Phänomene, weil diese Aloen-Gewächse sonst eher solitär auftreten. Die San, also die Urbevölkerung der Region, schätzt diesen Baum auch vor allem deshalb, weil sie aus den Ästen Köcher für ihre Pfeile basteln.

Vor Zorn, dass er ihm nicht gehorchen wollte, riss der Teufel den Baobab-Baum aus und steckte ihn kopfüber wieder in die Erde, so heißt es in vielen Teilen Afrikas und Madagaskars

©Getty Images/iStockphoto/dennisvdw/IStockphoto.com

Aber auch der Afrikanische Baobab, wenn wir gerade in Afrika sind, hat große Bedeutung für die Bevölkerung. Der Teufel, so sagen sie, riss ihn aus und steckte ihn kopfüber wieder in die Erde, sodass seine Wurzeln jetzt nach oben ragen. Und genau so sieht er auch aus. Der Baum selbst wird als Quelle für Nahrung, Medizin und spirituelle Erfahrungen genutzt – und gepflegt. Der legendäre schottische Afrikaforscher David Livingston ging davon aus, dass diese Bäume 4.000 Jahre alt werden.

Baobabs sind Lebensquelle und Inspiration für viele afrikanische Mythen und Legenden

©APA/AFP/JOHN WESSELS

Er hatte sich getäuscht. Sie werden „nur“ etwa 2.500 Jahre alt, erreichen dabei eine Höhe von knapp 20 Metern und einen Stammdurchmesser von gut 10 Metern ...

Regenbogenwald

Auf Maui, Hawaii, gibt es einen Wald, den es so eigentlich gar nicht geben dürfte.  Der Eucalyptus deglupta  wird wegen seiner farblich changierenden Rinde auch Regenbogenbaum genannt und ist die einzige Eukalyptusart, die in Regenwäldern vorkommt. Nur in Indonesien und auf Neuguinea ursprünglich, aber auf Maui, Hawaii, hat sich nach dem Versuch, ihn dort zur Papiergewinnung anzupflanzen, ein eigener bunter Regenbogenwald gebildet, der mittlerweile geschützt ist.

Spektakulär: Der White Mountain National Forest in New Hampshire und Maine

©Maciejbledowski / Dreamstime.com

Spricht man von Wäldern, darf natürlich der amerikanische Nordosten nicht fehlen. Vor allem im „Indian Summer“, also dem österreichischen „Altweibersommer“, sind die ausgedehnten Wälder dort eine Sehnsuchtsdestination für Wanderer und Fotografen aus der ganzen Welt. Wie zum Beispiel der „White Mountain National Forest“ in New Hampshire und Maine mit seinem grandiosen Mix aus Rot-Fichten, Kanadischen Tannen, Rot-Ahorn, Buchen und Gelb-Birken.

Bunte Welt der Bäume

Das saisonale Farbenspiel reiner Laubwälder lässt sich im Nationalpark von Jiuzhaigou im Südwesten Chinas genießen. Besonders spektakulär ist dabei der Kontrast zu den vielen, prinzipiell glasklaren Seen, von denen einige, wie der Sprudelnde See oder der Kauernde-Drachen-See durch ihr stark kalkhaltiges Wasser mit einer intensiven Türkis-Färbung beeindrucken.

Blau bis türkis das Wasser der Seen, herbstlich bunt der Wald. Perfektes Farbenspiel in Jiuzhaigou, Sichuan, im Südwesten Chinas

©Shutterstock / Vadim Petrakov

Durchaus ebenfalls beeindruckend sind die mächtigen Bambuswälder, die sich ebenfalls im Nationalpark befinden und ein echtes Schlaraffenland für die dort lebenden Riesenpandas bilden.

Ungewöhnlich: Bis zu 50 Meter hoch wird die Quindio-Wachspalme, die es nur in Kolumbien gibt. Hier ein Wald im Valle de Cocor

©Dreamstime/Rechitan Sorin

Keine Pandas, aber ebenfalls herrliche Farben – und Formen! – bietet hingegen ein Wald, der gar nicht so weit weg ist: Bei Nowe Czarnowo in Polen steht der „Krumme Wald“, ein wunderbar lichter Mischwald, in dem etwa 100 Kiefern dermaßen gekrümmt sind, dass es beinahe aussieht, als würden sie knien.  Warum sie das tun, weiß bis heute niemand. Was wir wissen, ist, dass es ursprünglich 400 waren – hoffen wir also, dass uns die letzten 100 noch möglichst lange erhalten bleiben.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

Kommentare