Lucinda Childs an der Staatsoper: Längst fälliges Debüt einer Grande Dame des Tanzes

Der dreiteilige Ballettabend "Liebeslieder" hat heute Premiere und bringt Lucinda Childs erstmals an die Staatsoper.

Die heutige Premiere beim Wiener Staatsballett bringt das späte Staatsoperndebüt von Lucinda Childs, deren 1993 uraufgeführtes Meisterwerk "Concerto" zu Musik von Henryk Mikolaj Górecki erstmals vom Staatsballett getanzt wird.

Childs’ Choreografie verbindet geometrische Muster mit Bewegungen und Musik, zieht die Tänzerinnen, Tänzer und ihr Publikum in einen Sog voll Energie und rhythmischer Strukturen.

 

Choreografie von Lucinda Childs

©Wiener Staatsoper/Ashley Tayör

Bei den Salzburger Festspielen choreografierte Childs 1992 einen sensationellen Tanz der Salome in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss, der bis heute als eine der besten Choreografien dieser Szene in Erinnerung ist. Zuletzt gastierte sie mit ihrer Lucinda Childs Dance Company 2010 im Tanzquartier.

Was verbindet Ihr Stück "Concerto" mit dem Motto Liebeslieder, unter dem der neue Ballettabend an der Wiener Staatsoper steht?

Lucinda Childs: Es bezieht sich nicht auf mein Stück an sich, sondern eher darauf, dass uns New York als künstlerische Heimat verbindet. Obwohl ich aus Downtown stamme, war ich schon in meiner Kindheit bei Vorstellungen mit Balanchine und Robbins. Ich hatte auch Ballettunterricht bei Tanaquil Le Clercq, einer berühmten Balanchine-Ballerina. Doch in den 1960er Jahren waren wir inhaltlich weit voneinander entfernt. Es war in den 1970ern gefühlt leichter über den Ozean zu reisen als über die andere Seite des Hudson River! Als ich zu choreografieren begann, war da ein einzigartiges experimentelles Umfeld, besonders im Kreis von Merce Cunninghams Studio und vom Judson Dance Theater. Da gab es Begegnungen mit Vertretern anderer Kunstsparten, wie mit dem Regisseur John Wilson, den Komponisten John Cage und Philipp Glass, den Malern Robert Rauschenberg und Sol LeWitt. Das öffnete dem Tanz viel erweiternde Möglichkeiten.

 

Lucinda Childs

©Rita Antonioli
Mit diesen schrieben Sie Tanz -und Theatergeschichte. Mögen Sie den Begriff "Postmodern Dance", der heute diese Phase des Aufbruchs beschreibt?

Historisch betrachtet ist dieser Begriff richtig. Aber wir haben eigentlich auch an die Tradition des Gesamtkunstwerks angeschlossen, wie sie beispielsweise die Ballets Russes von Serge Diaghilev schon fünf Jahrzehnte vor uns hatte – und daher kommt nicht zuletzt George Balanchine. Dazu kam bei uns aber viel stärker der Bezug zur Gegenwart, bei mir zum Beispiel durch Alltagsbewegungen, die ich miteinbeziehe.

Es geht Ihnen auch um die Erweiterung von Räumen und um die Wahrnehmung an sich, war das ein neuer Aspekt?

Das stimmt. Wobei der Begriff Raum nicht nur neue Orte der Aufführung fernab von traditionellen Bühnen betrifft, so sind wir im Wald oder auch in ehemaligen Fabrikhallen aufgetreten. Der Raum hat sich jedoch auch für die Tänzerinnen und Tänzer erweitert, indem ich ihnen mehr Freiheiten gab, der Arbeitsraum glich eher einem Laboratorium als einem Ballettsaal. Wichtig ist mir nicht das Tanzvokabular an sich, wobei ich von der klassischen Schule ausgehe. Entscheidend ist, was mit dem Tanzvokabular geschieht, und das ist bei mir ein intensiver Arbeitsprozess, der von den Tänzerinnen und Tänzern höchste Aufmerksamkeit und Mitarbeit fordert.

Da kommen Sie doch in die Nähe des in Deutschland geprägten Tanztheaters, obwohl bei Ihnen die Form eine zentralere Rolle spielt als Inhalte.

Ja, wir haben in New York die Arbeiten zum Beispiel von Pina Bausch stets verfolgt. Und ich habe schließlich auch bei Hanya Holm studiert, da ist schon etwas hängen geblieben!

Wie geht es Ihrer Company unter den Einschränkungen durch Covid-19?

Ich kann meine 12 Tänzerinnen und Tänzer nur mehr 20 Wochen anstellen. Das heißt, 32 Wochen lang haben sie kein fixes Engagement. Ich versuche jedoch, sowohl für sie als auch für mich nach vorne zu blicken und sehe Möglichkeiten, die sich dadurch auftun. So unterrichten sie an Universitäten und geben Wissen an die junge Generation weiter, was doch eine Weiterführung unserer Arbeit auf höchster Ebene bedeutet. Wenn wir wieder zu Proben zusammenkommen, ist es ein Vorteil, dass wir uns alle schon lange kennen und sie mit meinen Arbeiten vertraut sind. Und ich kann jetzt Einladungen wie jener aus Wien Folge leisten!

Von Silva Kargl

 

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